Architektonische Grandezza im Kleinen: Auf Initiative von Norman Foster haben Star-Architekt:innen Vogelhäuschen und Futterstationen für einen guten Zweck entworfen.
Wer beim Vogelhäuschen an die klassische Holzbox mit Giebeldach denkt, wird hier schnell eines Besseren belehrt. Norman Foster, Renzo Piano, David Chipperfield, Grafton Architects, Kazuyo Sejima, Lina Ghothmeh, Jacques Herzog, Frida Escobedo, Farshid Moussavi und Sou Fujimoto haben auf Einladung Norman Fosters wundersame Mikroarchitekturen entworfen, die den Vögeln mal als Futter-, mal als Badestelle dienen, optisch reizvoll sind und teils aus recycelten oder biologisch abbaubaren Materialien gefertigt wurden. Jedes von ihnen ist ein Unikat und Teil des Projekts „Architects for the Birds“, das Norman Foster zusammen mit Marie Donnelly ins Leben gerufen hat. Während der Londoner Kunstmesse Frieze (15. bis 19. Oktober) sind die Kreationen der Öffentlichkeit zugänglich und kommen schließlich bei Christie’s unter den Hammer.
Gutes tun, für Vögel und Menschen
Lord Foster of Thames Bank O.M. (so der offizielle Titel des angesehenen Architekten) hatte ein Anliegen. Er forderte neun seiner berühmtesten Kolleg:innen aus aller Welt auf, Vogelhäuschen zu entwerfen, um Spenden für die Tessa Jowell Foundation in London zu sammeln, die die Forschung zu Hirntumoren und die und Behandlung betroffener Patient:innen unterstützt. Die Aufgabenstellung war vollkommen offen, und jede der Designer:innen gestaltete ein ungewöhnliches, einzigartiges Objekt. Diese Vielfalt entspricht den vielfältigen Weisen, in denen Vögel unser Ökosystem bereichern.
„Biologische Vielfalt ist für die Prozesse, die alles Leben auf der Erde, einschließlich des Menschen, ermöglichen, unerlässlich. Als Teil eines Ökosystems haben Vögel viele Aufgaben, unter anderem sind sie Raubtiere, Bestäuber, Aasfresser, Samenverteiler und -sammler sowie Ingenieure des Ökosystems“, erklärte Norman Foster. Seine Idee für die Vogelhäuschen geht auf Untersuchungen der Norwegischen Universität für Biowissenschaften (NMBU) zurück. Sie ergaben, dass das Leben in einer Umgebung, die minimalistisch ist, aber ein Vogelhäuschen enthält, für die Menschen zuträglicher ist und sie so eine engere Verbindung zur Natur eingehen, was sich positiv auf ihre körperliche und geistige Gesundheit auswirkt. „Mit anderen Worten: Es gibt zum einen gute ökologische Gründe, die für die Errichtung von Vogelhäuschen sprechen, abgesehen von der reinen Freude an der Gesellschaft unserer gefiederten Freunde. Doch diese Verbundenheit mit der Natur, die in letzter Zeit als 'Biophilie‘ bezeichnet wird, wirkt sich ebenfalls positiv auf unser geistiges und körperliches Wohlbefinden aus. Es gibt keine bessere Motivation, um die Tessa Jowell Foundation zu unterstützen“, so Foster abschließend.
Die Ausstellung bei Christie’s
Die Vogelhäuser von Architects for the Birds sind kleine architektonische Wunderwerke. Zugleich sind sie Zufluchtsorte, die Fürsorge und Hoffnung vermitteln. Während der Londoner Frieze vom 8. bis 14. Oktober werden sie in einer öffentlich zugänglichen Ausstellung im Headquarter des Auktionshauses Christie’s in der King Street zu sehen sein und anschließend im Rahmen eines Galadinners für den genannten wohltätigen Zweck versteigert. Der Aufrufpreis liegt für alle bei 25.000 Britischen Pfund. „Es ist uns eine große Ehre, ,Architects for the Birds‘ bei Christie’s zu präsentieren“, erklärt Giovanna Bertazzoni, Präsidentin von Christie’s Europe. „In diesem Projekt fließen Kreativität, Wohltätigkeit, Fürsorge und ein gemeinsames Ziel zusammen. Jedes Stück, das von einer der wichtigsten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Architektur großzügig konzipiert wurde, bietet eine einzigartige und ergreifende Interpretation dessen, was es bedeutet, mittels Architektur Fürsorge auszuüben.“
Poetische Architekturen
Die Vogelhäuser sind sehr unterschiedlich, manche stellen den Zweck einer Futter- oder Badestelle in den Vordergrund, andere dienen sich den Vögeln eher als ästhetisch ansprechende Aufenthaltsorte ohne Schutzdach an. Doch alle verfügen über eine besondere poetische Kraft und spiegeln die Persönlichkeit der jeweiligen Architekt:in wider. Jacques Herzog etwa hat für „Utensils“ Küchengeräte aus Edelstahl einer neuen Verwendung zugeführt. Während Sou Fujimoto mit „One/Many Bird(s)“ einen skulpturalen Baum aus Holz konstruiert hat, der nur der Fütterung dient und sich in natürliche Umgebungen einfügt, stellt Kazuyo Sejimas „Tori no le“ die totale Reduktion in Form einer flachen Schale aus poliertem Aluminium dar. Frida Escobedo hatte bei ihrem Entwurf die typischen Londoner Stadtvögel im Sinn: Tauben, Meisen, Amseln und Elstern, die sich in einer luftigen Struktur aufhalten und ihr Futter von Ablagen aus biologisch abbaubaren Materialien (wie Samen, Weizen, Eierschalen und Naturfasern) picken können. Norman Foster selbst hat bei seiner vertikalen Struktur Wert auf eine leichte Handhabung gelegt, während Renzo Pianos Entwurf mit eleganten Linien arbeitet, die entfernt an eine Laterne erinnern.
Auch bei den Materialien herrscht große Vielfalt: Bei David Chipperfields „Station“ kommen Edelstahl und Sapelli-Holz zum Einsatz, Farshid Moussavis Vogelstation besteht aus zwei Terrakottaformen, die im 3D-Drucker hergestellt und dann von Hand bearbeitet wurden, wohingegen Lina Ghotmehs „Glass House“ – der Name sagt es schon – vor allem aus mundgeblasenem Glas besteht. Der Entwurf „Eanlann“ von Grafton Architects aus Bronze und Kupfer wiederum erinnert an ein Mobile, das mit der Schwerkraft spielt. Allen Entwürfen ist die Freude anzumerken, mit der sich die Architekt:innen auf die Aufgabe eingelassen haben, und ihren Respekt davor. Frida Escobedo bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Etwas für Vögel zu entwerfen bedeutet nicht, die Natur nachzubilden, sondern sich ihren Zyklen anzupassen. Wir haben nicht versucht, ein Haus für Vögel zu entwerfen – Vögel sind ihre eigenen Architekten.“


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