Highspeed Fertighaus: So schnell entstand dieses nachhaltige Tiny-House für eine Familie in der Schweiz

Vier Personen, ein kleiner Kran und wenige Werkzeuge reichten, um das hölzerne 55-Quadratmeter-Fertighaus für eine Familie zu errichten – in nur 5 Stunden!
Fertighaus in der Schweiz Außenansicht verkleidetes Bullauge Anbau
Alexandre Kapellos

Highspeed-Fertighaus in der Schweiz: So schnell und nachhaltig entstand dieses lichtdurchflutete 55-Quadratmeter-Haus für eine Familie.

Klein, funktional und mit runden Bullauge zum Hinausgucken – klingt nach dem perfekten Tiny House, doch gibt es eine weitere Besonderheit: Bei dem kleinen Gebäude handelt es sich um ein Fertighaus, das innerhalb von nur fünf Stunden in einer kleinen Straße in der Schweiz errichtet wurde. Der Entwurf geht auf die Architektin Anna Jach zurück, die das Haus für sich und ihre Familie konzipierte und dabei auf eine schnelle und nachhaltige Bauweise setzte. „Die größte Herausforderung bestand darin, dass uns nur wenig Zeit zum Bauen blieb, da wir in der Zwischenzeit keine andere Unterkunft hatten“, erinnert sich Jach. Das Tiny House ist ein 55 Quadratmeter großes Nebengebäude, das an das eigentliche Zuhause der Familie, das aktuell renoviert wird, angrenzt. Es sollte zur Überbrückung der Bauarbeiten als vorübergehende Unterkunft dienen, weshalb Schnelligkeit und Effizienz im Vordergrund standen.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Außenansicht Fassade

Dank der ausgeklügelten Details der Oberflächenstruktur der Fassade wirkt es, als könnte sich das abgebildete Auge schließen und öffnen.

Alexandre Kapellos

Fertighaus mit visueller Raffinesse

Das visuelle Highlight des Projekts ist ein Auge an der Fassade des Hauses, das sich nachts „schließt“ und morgens wieder „öffnet“. In Wirklichkeit ist dies jedoch eine optische Täuschung, die von den Züricher Künstlern Drzach & Suchy entwickelt wurde. Der Effekt basiert auf den Schatten, die durch die unterschiedlichen, wellenförmigen Oberflächenstrukturen entstehen. Diese Muster wurden per CNC-Fräse in das Holz der Fassade eingearbeitet. Und das Interior birgt weitere originelle Details, so gibt es beispielsweise eine Schaukel vor der riesigen Bibliothek im Wohnbereich, die dem hohen Raum eine verspielte Atmosphäre verleiht. Ganz zu schweigen von den runden Bullaugenfenstern, die den familiären Charakter des Fertighauses unterstreichen und von außen an gemütliche Kojen denken lassen.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Außenansicht Bullaugen Fenster

Der Eingang liegt auf der Rückseite des Anbaus.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz Anna Jach große Bibliothek

Eine Bibliothek, in der 500 Bücher aufbewahrt werden könnten, war einer der wichtigsten Punkte im Architekten-Briefing.

Alexandre Kapellos

Schnelle und nachhaltige Konstruktion

Um den Bauprozess zu beschleunigen, wurden vorgefertigte Paneele aus Kiefer und Zellstoff mit hoher Wärmedämmung verwendet, die vor Ort von vier Personen mithilfe eines Mobilkrans in nur fünf Stunden zusammengesetzt wurden. Das Rangieren mit dem Kran gestaltete sich aufgrund der engen, stark befahrenen Straße allerdings als äußerst schwierig.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Holzlamellen Wandverkleidung

In dem mit Holz verkleideten Eingangsbereich hängt die „PH5“-Leuchte von Louis Poulsen.

Alexandre Kapellos

Abschließend wurden vertikale Holzbretter sowie Nut-und-Feder-Verbindungen eingesetzt, wodurch nur wenige Schrauben und Bolzen benötigt wurden. Die im Inneren verwendeten Paneele sind unbehandelt, um einen natürlichen Feuchtigkeitsaustausch zu begünstigen, der für ein angenehmes Raumklima und einen stets frischen Kiefernholz-Geruch sorgt. Um das Holz zu schützen und dem Vergilben vorzubeugen, wurden die entsprechenden Elemente einmal mit natürlichem Leinöl mit einem fünfprozentigen Anteil an weißer Mineralfarbe gestrichen, was die oben genannten Qualitäten der sonst unbehandelten Materialien nicht beeinträchtigt.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach runder Wandspiegel

Die Architektin und Hauseigentümerin Anna Jach beschreibt die Atmosphäre des Fertighauses als „gemütlich, mit einer Mischung aus japanischen und skandinavischen Akzenten“.

Alexandre Kapellos

Vorgefertigte Bauelemente und lokale Materialien

Die Konstruktion des Fertighauses zielte nicht nur auf Schnelligkeit, sondern auch auf Nachhaltigkeit ab. Die vorgefertigten Bauelemente – die in einer Fabrik nur 37 Kilometer von der Baustelle entfernt maschinell zugeschnitten wurden – verringerten neben der Bauzeit auch den ökologischen Fußabdruck des Projekts. Auch die Verwendung von lokalem Holz und Zellulose verbesserten die CO2-Bilanz des Baus. Außerdem wurde überschüssige Erde, die im Rahmen der anfänglichen Aushebungen anfiel, als Grundlage für die Garten-Gestaltung verwendet; auf dem Dach wurden Solarzellen installiert, und eine Wärmepumpe liefert auf hocheffiziente Weise Warmwasser. Die gewählte Dämmstärke – bei 40 Zentimeter tiefen Wänden – sorgt zudem dafür, dass die Heizkosten um 50 Prozent gesenkt werden.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach graue Küche

Die Küche ist durch eine große Terrassentür mit dem Garten verbunden.

Alexandre Kapellos

Zukunftsorientiertes Bauen

Das nachhaltige Fertighaus trägt eindeutig die Handschrift von Anna Jach, ihr Architekturbüro widmet sich intensiv der Klimawandel-Thematik und ist auf nachhaltiges Bauen, die Wiederverwertung von Materialien und die Verringerung von Bauabfällen spezialisiert. Die Architektin erprobt immer wieder neue Mittel und Methoden, um Projekte effizient und kreativ umzusetzen und greift dabei auf Lehm und andere biologische Materialien wie Stroh, Hanf, Kalk und Stampflehm zurück.

Neben nachhaltigen Baumethoden zeichnet Jachs Architekturbüro eine weitere Besonderheit aus: Die Architektin lässt in jedes ihrer Projekte eine individuelle Note einfließen, die die Persönlichkeit der Besitzer:innen widerspiegeln soll. Das „grüßende“ Auge an der Hausfassade und das skulpturale Vordach über der Eingangstür von Zieta Studio – das an die berühmte „Cloud Gate“-Skulptur des britischen Künstlers Anish Kapoor in Chicago erinnert – sind die offensichtlichsten Eigenheiten, aber auch die originellen Raumverhältnisse im Inneren, die japanisch inspiriert sind, zeugen vom kreativen Stil der Architektin.

Fertighaus in der Schweiz Anna Jach helles Holzregal

Die 55 Quadratmeter sind geprägt von viel Stauraum.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Holzverkleidungen Schreibtisch

Die hohe Bibliothek erstreckt sich bis ins Obergeschoss.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Holztreppe Holzgeländer

Vom Treppenhaus aus gelangt man in den Yoga- und Meditationsraum.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz Anna Jach Dachschräge Obergeschoss

Das Fertighaus umfasst auch einen kleinen Arbeitsbereich.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Bullaugenfenster

Dank eines Bullaugenfensters ist der Yoga- und Meditationsraum mit Licht durchflutet.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Dachschräge

Der Raum unter dem Dach wird von zwei Terrassen flankiert.

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Treppenhaus

Blick von oben auf die drei Etagen des Hauses

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Balkon

Eine der Terrassen

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Dusche

Detail des Badezimmers

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Holzverkleidung

Detail der Fassadenverkleidung

Alexandre Kapellos
Fertighaus in der Schweiz von Anna Jach Außenansicht

Das Haus, kurz davor, sein Auge zu schließen.

Alexandre Kapellos

Zuerst erschienen bei AD España.