Familienzuhause im Grünen: So gehen Stiltraditionen und Moderne Hand in Hand.
„Neues schaffen, Altes schätzen“, so lautet der Spagat, den das Architektenpaar Silvia Schellenberg-Thaut und Sebastian Thaut seit 20 Jahren leistet. Auch hier gelang er ihnen, im „lichten Berliner Dörfchen“, wie der Philosoph Ludwig Marcuse seine geliebte Eichkamp-Siedlung einst beschrieb. Das Haus schöpft seine Kraft aus dem Kontext: Eingebettet zwischen alten Waldkiefern, Eichen und Ahornbäumen, mit einem tiefen Vorgarten zur Straße, hüllt sich auch der Neubau ins Naturschöne, in mattgrünen mineralischen Putz. „Vertraute Typologien aus der Nachbarschaft sind die fast quadratische Grundform mit dem ruhigen Zeltdach aus dunkel patinierten Keramiksteinen“, erklärt Thaut.
Haus im Grünen – mit Innerem ganz in Holz
Doch im Inneren der respektvollen Camouflage zeigt der Solitär seine Modernität und Nachhaltigkeit: Die Kubatur im Innenraum ist aus Holz, alle Wände, Decken und diverse Einbauten – als ob die Bäume selbst sich verwandelt hätten, um ein Zuhause zu bilden. Den lichten Kanon bricht nur der samtdunkle Boden aus gegossenem Asphalt, ein Wunsch der Bauherren, ein Paar mit vier Töchtern zwischen drei und 13 Jahren. „Ein wunderbar urbanes Material, das wir neben Terrazzo vorgeschlagen hatten“, sagt Thaut.
Die Fußbodenheizung im ganzen Haus speist der maßgefertigte, wassergeführte Dauerbrandofen: „Der Heizungsfachmann sagte zu uns: ‚Das ist ja Mittelalter – und Arbeit für Sie!“, erzählt die Bauherrin. „Aber wir lieben diese besondere Wärme.“
Im Teilkeller lagern die Scheite, sie stammen von jenen Buchen und Eichen, die für den Bau gefällt werden mussten. Für eine Wärmepumpe wurde sicherheitshalber vorgerüstet, Photovoltaik wäre schwierig angesichts der vielen Baumkronen. Denn das 560-Quadratmeter-Grundstück war zuvor quasi Wildwuchs und noch nie bebaut gewesen – der Bauherr ermittelte vor dem Kauf mühsam monatelang, wo in der Welt die vielen Erb:innen verstreut waren.
Luftige Raumhöhe, minimale Möblierung, maßgefertigte Möbel
Eine Kaminskulptur mit Sitzbank prägt den Wohnraum, gegenüber steht ein robust-gemütliches No-Name-Sofa, zehn Jahre alt und nachwuchstauglich. Drei Stufen heben diese salle séparée leicht über den Bereich fürs Kochen und Essen, der mit drei Meter 40 Raumhöhe wunderbar luftig geplant ist – auch dort ist die Möblierung minimal, aber mit Sinn für besondere Einzelstücke wie den von einem Brandenburger Tischler maßgefertigten Esstisch oder den riesigen Kelim aus einem Kreuzberger Spezialteppichgeschäft.
In der Küche, entworfen von Atelier ST, hat eine Rocket-Siebträgermaschine – die Premium-Klasse für Espressionisten – Platz genommen vor dem breiten Panoramafenster zur stillen Straße hinter einer neu gepflanzten Wildfruchthecke. Fast fünf Meter lang erstreckt sich eine der beiden Glasbogentüren im Esszimmer; davor liegt die Terrasse aus klassischen Handstrich-Pflasterriegeln – aber nicht liegend, sondern hochkant verlegt. „Die Ziegel wurden in meiner niedersächsischen Heimat hergestellt. Mein Mann hatte die Idee, sie anders als üblich zu verlegen“, erzählt die Bauherrin. „Verbindendes Element aller Räume im Erdgeschoss sind die Fensteröffnungen in Kreis-, Halbkreis- und gegliederten Rechteckformen“, erklärt der Architekt. „Sie zitieren spielerisch architektonische Elemente des Art déco, das zur Entstehungszeit der Siedlung noch modern war.“ Von 1918 bis Ende der Zwanzigerjahre hatten die Brüder Max und Bruno Taut (mit verschiedenen Kollegen) diese Anlage, benannt nach der Revierförsterei Eichkamp, geplant – Max wohnte hier selbst, ebenso Brunos verschmähte Ehefrau und deren Nachfahren bis 1999.
Das Rundbogen-Motiv setzt sich auch in den oberen, sanft auskragenden Geschossen fort: Alle Innentüren krönen Halbkreise aus schwarz gebeizter Eiche. Im ersten Stock liegen vier Zimmer, für die Kinder beziehungsweise zum Arbeiten. Zwei bis drei Fenster pro Raum öffnen Ausblicke ins Grüne. Das Dach beherbergt das Schlafzimmer der Eltern und eines für Gäste. Zwei Duschbäder runden die Struktur ab (Badewannen fanden die Bauherren überbewertet).
„Am Ende der Bauphase“, erzählt der Architekt, „blieben Passanten öfter stehen und sagten: ‚Ui, toll sanieren Sie das alte Gemäuer!‘“ Ein schönes Kompliment für sein Atelier ST: Neues schaffen, Altes schätzen.








