Der Maximalismus ist sympathisch, positiv, und er entspricht in der Art, in der er entsteht, auch unserem Leben. Denn Dinge zu bewahren und anderen damit eine Freude zu machen, liegt im Wesen der Menschen.
Wörter, Sätze, Sprache im Allgemeinen: Manchmal kommen sie einem vor wie Hilfskonstruktionen. Sie umschreiben die Dinge, aber sie beschreiben sie nicht. Der Begriff Maximalismus ist ein gutes Beispiel: Seit einiger Zeit bezeichnet er einen bestimmten Stil, häufig als Gegensatz zum Minimalismus. Aber was heißt Maximalismus? Eines ist sicher: Es ist die Lust, Räume zu schmücken und mit Gegenständen zu füllen, bis die Lage etwas unübersichtlich wird. Und das haben die Objekte, Bilder und Skulpturen, die Sessel, Schränke und Kommoden, die Vasen, Schalen, Leuchten und Spiegel definitiv gemeinsam. Sie sind ihren Besitzer:innen so wichtig, dass sie sie nicht verstecken wollen.
Der Stil Mix and (don’t) Match ist sehr alt – und gleichzeitig ist er sehr jung
Wenn man alte Fotos des Ateliers von Hans Makart betrachtet, einem im späten 19. Jahrhundert sehr erfolgreichen österreichischen Gesellschaftsmaler, dann sieht man Teppiche an den Wänden und auf Tischen, Sessel, Stühle, Pflanzen in großen Töpfen und Gemälde überall. In seinem grenzenlosen, überbordenden Gestaltungsdrang war dies das Gegenteil von langweilig. Und so empfanden es auch die Wiener, die es sich leisten konnten. Sie nahmen Makart als Stilvorbild und ließen ihre Wohnungen und Häuser einrichten wie seine damals weithin bekannte Malwerkstatt.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts tauchte der „Mix and (don’t) Match“-Stil wieder auf – in den Interieurs von David Hicks, Renzo Mongiardino und Anouska Hempel, der späteren Lady Weinberg, in den Landhäusern, die David Mlinaric designte, oder in Nancy Lancasters Yellow Room in Mayfair (sie hatte 1945 von ihrem Mann die Firma Colefax and Fowler geschenkt bekommen, wohl damit sie ihm seine Affären verzieh. Nancy Lancaster ließ sich trotzdem scheiden, noch im selben Jahr). Sie mischten alles mit allem, über Epochen und Genres hinweg. Streng betrachtet passte bei ihnen nichts zusammen, das war ja gerade die Idee. David Hicks Sohn Ashley und seine Ehefrau und Geschäftspartnerin Martina Mondadori machen das auf bezaubernde Art noch immer so.
Der Adel hat immer maximalistisch gelebt, es gab so viel zu erben – und zu bewahren
Tatsächlich war der Maximalismus nie ganz weg. Der Adel hatte seit jeher so gelebt – dort gab es von Generation zu Generation einfach immer so viel zu vererben. Und das hieß auch: so viel aufzubewahren. Was bedeutete, die alten Möbel und Bilder wurden immer mehr. Und immer noch mehr. Es ist kein Zufall, dass die meisten der eben erwähnten Interior-Stars ihre Karrieren in England begannen, dem Land, das robuste Klassenschranken zur Staatsraison erhob und wo Aristokratie und landed gentry in Stilfragen seit Jahrhunderten den Ton angaben.
Aus diesem Grund wurden später auch Innenarchitekten wie Jacques Garcia und Alberto Pinto groß. Sie stammten beide aus dem zweiten Land, in dem lange Zeit robuste Klassenschranken herrschten und der Landadel den Ton angab: Frankreich. Ihr Maximalismus war oft unverhohlen feudal, ja man konnte den Eindruck gewinnen, dass Auftraggeber:innen, die kein Hôtel particulier in Paris oder wenigstens ein Schloss in der Normandie besaßen, bei ihnen eigentlich nicht willkommen waren.
Maximalismus braucht keine großen Bühnen, manchmal tut es auch die kleine Hütte
Einen anderen Ansatz verfolgen Laura Sartori Rimini und Roberto Peregalli aus Mailand. Renzo Mongiardino war ihr Mentor, aber sie widmen ihre Fantasie, ihr Wissen und ihr Interesse an Philosophie und historischer Architektur auch den kleinsten Hütten. Ihrer Zweizimmerwohnung in Paris etwa, dem Pied-à-terre von Laura Sartori und ihrer Tochter in London oder einem äußerlich unscheinbaren, dafür im Inneren umso vornehmeren Holzhaus am Tegernsee.
Auch der Landhaus-Stil ist im Grunde nichts anderes als Maximalismus
Und weil bei AD gerade der Landhausstil gefeiert wurde – wie Fiona Bornhöft schreibt, ist auch der maximalistisch. Oder wie soll man das nennen, was Nicola Harding auf ganz entzückende Weise mit einem ehemaligen Bauernhaus in England anstellte? Farben, Formen, Muster, Vintage-Möbel und neue Tische und Sessel, Fliesen an den Wänden und am Boden – es ist ein wundervolles Durcheinander, in dem man am liebsten sofort ein paar Jahre verbringen möchte, nur damit man keines der Details verpasst.
Maximalismus ist sympathisch – man will damit auch anderen eine Freude machen
Es muss also nicht unbedingt immer ein Palast sein. Und an sich ist der Maximalismus sehr sympathisch. Er hat etwas Großzügiges, Lebensbejahendes. Und ist, wie schon Hans Makarts Maleratelier bewies, ein wirksames Antidot gegen Eintönigkeit. Menschen, die sich mit so vielen schönen Dingen umgeben, tun es nicht nur für sich – sie wollen, dass andere daran teilhaben, um ihnen Freude zu bereiten. Und auch das stimmt: Obwohl der Maximalismus seine Wurzel in der Aristokratie hat, ist er heute ziemlich egalitär. Denn in einer eklektischen Umgebung muss nicht alles zwangsläufig ein extrem wertvolles Unikat sein. Entscheidend ist, dass es einem gefällt. Dass man Geschichten darüber erzählen kann. Dass man weiß, woher man das Stück hat und weshalb es dort ist, wo es ist.
Wie Maximalismus im nun bald zu Ende gehenden Jahr 2025 funktioniert, zeigt der französische Architekt und Interiordesigner Paul du Pré de Saint Maur, ironischerweise Abkömmling einer alten Adelsfamilie aus der Region Brie nördlich von Paris. Im Burgund hat er einem verwunschenen Schloss eine Frischzellenkur verordnet, Altes mit etwas weniger Altem vermengt und ein paar neue, klassische Möbel mit dazugestellt: Das Resultat ist umwerfend elegant und so jung wie er selbst (er ist Jahrgang 1995).
Wenn man es sich genau überlegt, kann der Maximalismus gar nicht aus der Mode kommen – dafür entspricht er dem menschlichen Wesen zu sehr.
















