Mutiger Altbau-Umbau in Berlin: In dieser knallbunten Wohnung gleicht nichts der Norm – nicht einmal die Wände

In einem Altbau in Berlin schuf J. Mayer H . ein Koloritkarussell, in dem Wellengebilde statt Wände eine sinnliche Wohngestalt bilden
In dem Koch und Essbereich steht eine knallgelbe Stahlküche über der ein Neon ArtWork hängt. Außerdem steht ein Esstisch...
„Loopy“, übersetzt etwa: durchgeknallt, heißt der Caparol-Farbton für die Stahlküche. Den mehrteiligen, puzzleartigen Tisch entwarf Jürgen Mayer H., ebenso Hocker und Leuchten. Christian Jankowski schuf das Neon-Artwork speziell für diesen Raum.Pablo Zamora

In Berlin hat J. Mayer H einen Altbau umgebaut, in dem Wellen- und Wolkenformen auf kräftige Farben treffen.

Jedes Zuhause bildet sein ganz eigenes, kleines Universum; ein aktuell verbreiteter Trend für das

Kolorit privater Sphären ist die hochoffizielle Farbe des Weltalls, nämlich „Cosmic Latte“ – ein Ton zwischen Eierschale und Elfen­bein. Doch der Wohnkosmos hier, in Berlin-Charlot­ten­burg, trägt nicht braves Beige, sondern ist ein Big Bang aus vielen Tönen. Beim Umbau, nein: Beim architektonischen Urknall, ausgelöst vom Büro J. Mayer H, verschwanden als Erstes sämtliche nicht tragenden Wände der Altbauwohnung. Dann tupfte der Architekt organisch geformte Wellen- und Wolkengebilde in die Kubatur – und flutete alles mit Farben.

Außenansicht von dem Altbau in Berlin

Der Gartenhof des 1904 entworfenen Gebäudes.

Pablo Zamora

Das Motto des Umbaus: Individuelle Form statt Norm

Der Architekt  Jürgen Mayer H. steht neben der von ihm entworfenen roten Bar

Der Architekt Jürgen Mayer H. kennt seine Bauherren schon seit fast 20 Jahren.

Pablo Zamora

„Vom originalen Schnitt und von den Baudetails war nach vielen Eingriffen nur wenig erhalten“, erklärt Jürgen Mayer H. „Der neue gestalterische Rahmen entwickelte sich aus Elementen der historischen Fassade, etwa dem sanft geschwungenen Giebel. Die haben wir nach innen übertragen.“ Die Bauherren, ursprünglich aus Bayern, und ihre Familie kennt er schon fast 20 Jahre, es ist das vierte gemeinsame Projekt; vier Jahre dauerte der Dialog und seine handwerklich präzise Umsetzung. Auf rund 240 Quadratmetern entstand ein fließendes Kontinuum, „in dem pockets – einzelne abgeschlossene Kerne – Privatsphäre und Stauraum bieten“.

Im Eingang des Altbau hängen Spiegel und EscheStäbe an der Wand und verdecken so die Schränke und den Stauraum dahinter

Willkommen im anti-beigen Multiversum! Einzelne neonpinke Farbspots wie im Eingang betonen die sonst sanfte Palette. Spiegel und Esche-Stäbe hüllen ein, was das fluide Raumkontinuum separiert – hinter ihnen verbirgt sich Stauraum.

Pablo Zamora

Organische Übergänge: So ist die Altbauwohnung aufgeteilt

Die großzügigen Bereiche für Kochen, Essen und Wohnen (vielleicht wäre Chillen treffender) laufen sanft ineinander. Alle Decken sind leicht abgehängt und als weicher Wellengang neu interpretiert, was ganz praktisch dem Schallschutz dient. Als Motiv findet sich diese Ondulation vertikal wieder in den gerundeten Esche-Stäben, die die Staurauminseln umkleiden, also ebenfalls praktische Funktionen erfüllen.

Gleich hinter dem Eingang geht es rechts in die Küche, deren knallgelb ­lackierte Zeile mit schwarzem Top an Le Corbusiers Kloster­küche in La Tourette erinnert. Den zentralen, blattartig geformten Tisch mit seinen zwei Platten in ­hellen Grünnuancen umstehen warmrosa Hocker, die wie Pilze aus dem Boden zu wachsen scheinen; die gepolsterte Sitzecke geht nach Süden zur Straße hinaus. Sämtliche der digital-fluiden Möbel entwarf das Büro J. Mayer H. „Alles wirkt sehr warm, auch durch den lehmartigen Putz der monochromen Wände in den Wohnbereichen“, sagt der Gestalter.

In dem Koch und Essbereich steht eine knallgelbe Stahlküche über der ein Neon ArtWork hängt. Außerdem steht ein Esstisch...

„Loopy“, übersetzt etwa: durchgeknallt, heißt der Caparol-Farbton für die Stahlküche. Den mehrteiligen, puzzleartigen Tisch entwarf J. Mayer H., ebenso Hocker und Leuchten. Christian Jankowski schuf das Neon-Artwork speziell für diesen Raum.

Pablo Zamora
In dem Erker im Kochbereich ist ein kleiner Tisch mit Stühlen und einer Sitzbank die sich um das Fenster herum schmiegt

In den straßenseitigen Erker des nach vorn verlegten Kochbereichs schmiegt sich nun eine charmante Sitzbank. Dazu gesellen sich Franz Wests „Onkel“-Stühle.

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Weiter geht es Richtung Esstisch, der aus gleich vier Puzzleplatten besteht. „Man kann sie verschieben für ­unterschiedlichste Situationen, von intim bis zur großen Dinnerrunde.“ Darüber breitet sich eine eigens beauftragte Lichtinstallation des Bildhauers Björn Dahlem aus, der sich bei seinen Arbeiten von kosmischen Phänomenen inspirieren lässt – aber natürlich nicht brav in Skyvory-Greige lackiert, sondern flamboyant farbig. Arbeiten der US-Künstler:innen John Baldessari und Caroline Kent stammen aus der Sammlung des Eigentümerpaars.

Im Essbereich in der Altbauwohnung in Berlin hängt ein Lichtobjekt von der Decke herab

Cosmic core: Das Lichtobjekt im Essbereich baute der Berliner Bildhauer Björn Dahlem. Hinter dem Tisch, dessen vier Teile je nach Gästezahl verschoben werden können, hängen „Two Noses Red and Green“, ein Werk des US-Konzeptkünstlers John Baldessari (2005), und „A Telltale Sign“ (2021) von Caroline Kent.

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Das knallt! Möbel in Buntstiftfarben im Sci-Fi-Stil

Vorbei geht es an der Maxibar mit roten, flügelartigen Türen („Die Bauherren wollten eine Minibar, nun ist sie maxi geworden!“) ins Living. Ein originales Fragment, der Gewölbebogen, wurde denkmalgerecht ­saniert, darunter stehen Loungemöbel wie das knuffige 70s-Ceriotti-Sofa aus Italien, erworben bei der Vintage-Institution Jochum Rodgers. „Eine blaue Welle mit mobilen Elementen“ dient als Sitzlandschaft; alles zusammen ist very instagrammable. Das Wand­teppich-Porträt des Südafrikaners William Kentridge scheint ­gelassen zu beobachten, was hier geschieht.

Sitzlandschaft aus verschiebbaren Elementen die mit dunkelblauem Stoff überzogen sind

Nahezu alle Möbel entwarf das Büro J. Mayer H. speziell für dieses Projekt, so auch die große Familien-­Sitzlandschaft aus teils verschiebbaren Elementen, deren Form an eine riesige, tiefblaue Welle erinnert.

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Die Maxibar leuchtet oben in Rot und spiegelt sich unten im Chrom Gläser und Flaschen arrangiert organisch geformte...

Less is a bore: Eine Minibar wünschten sich die Bauherren – und bekamen die Maxiversion. Deren organisch geformte Türen erinnern an Sci-Fi-Blüten. In den gefältelten Schrankwänden spiegeln sich der Wohn- und der Essbereich.

Pablo Zamora
Im GästeWC steht eine pinke WaschtischSkultur ein Stuhl und dahinter ein deckenhoher Spiegel

Im Gäste-WC mit J. Mayer Hs Waschtisch-Skulptur schimmert ein weiteres Neon-Werk von Christian Jankowski.

Pablo Zamora

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