Architektur mit KI? Experte Patrik Schumacher von Zaha Hadid Architects über die Zukunft des Bauens im Interview.
Zaha Hadid war eine Meisterzeichnerin. Und ihre Entwürfe machten schon auf dem Papier eine gute Figur. Was aber passiert, wenn KI all die fließenden, organischen Linien, die sich wie ein Außenskelett über Stadien, Museen und Wolkenkratzer ziehen, mitentwirft? Genau damit experimentiert Stararchitekt Patrik Schumacher, Principal von Zaha Hadid Architects. Für ihn ist KI mehr als eine Rendering-Maschine, die ein bisschen dekoriert. Sie wird zum Katalysator für Ideen. Patrik Schumacher war schon immer ein Freund neuer Technologien. Inzwischen hat er sogar eine eigene Theorie-Chatbox, gefüttert mit all seinen Schriften und rund 250 Artikeln. Wäre sie in der Lage, sein Denken zu simulieren und selbst Häuser und ganze Stadtlandschaften zu entwickeln? Ein Gespräch über die Grenzen menschlicher Entwürfe und den Beginn einer neuen Architektur.
Warum KI mehr als eine Rendering-Maschine ist – Architekt Patrik Schumacher im Interview
Sie haben sich schon früh stark gemacht für KI bei der Ideenfindung. Was hat KI hier wirklich verändert?
Patrik Schumacher: Die Geschwindigkeit. KI nutzen wir ähnlich, wie wir sonst auch arbeiten. Es gab immer Mitarbeiter, die parallel etwas ausprobierten. Nur haben wir dank KI viel mehr Varianten. Sie bietet eine Kreativitätserweiterung, manchmal Ungewohntes, das anregt. Das ist ein echter Kreativitätsschub.
Dabei wurde KI doch mit bestehenden Bildern gefüttert und liefert oft nur Durchschnitt.
Natürlich mischen wir ganz andere Bilder darunter, Referenzen, die nicht aus der Architektur stammen, beispielsweise aus der Natur oder der Mode, damit eine kreative Mischung entsteht. Und da entstehen durchaus etwas, auf das wir nicht ohne weiteres gekommen wären.
Und der Rest?
Natürlich gibt es viel Ausschuss, wie bei einem menschlichen Team, nur dass wir nun statt zehn Varianten plötzlich 100 haben. Und wenn darunter einige richtig gute sind, hat es sich gelohnt. Ich schätze diese Erweiterung des Suchraums. Hier kann ich zudem ungestört herumspielen und muss nicht gleich ein Team zusammenrufen. Lieber gebe ich meine Resultate weiter, damit andere darauf aufbauen.
Wofür ein globales Architekturbüro KI wirklich einsetzt
Worauf achten Sie: Sollen die Ideen spektakulär sein? Oder wollen Sie selbst überrascht werden?
Was wir wollen, sind plausible Ideen, und wenn sie eine originelle räumliche Situation darstellen, muss sie zielführend sein; wir spielen ja nicht völlig frei herum, das machen wir manchmal ganz am Anfang, aber wenn wir Projekte bearbeiten, müssen sie in einen Kontext passen. Wir schaffen innovative Lösungen für eine soziale Situation.
Früher reichte dafür eine Skizze.
Zaha hat grundsätzlich frei skizziert, das finde ich auch spannend, selbst jetzt mit KI machen wir das manchmal, wenn wir Sachen ausprobieren.
Sehen Sie einem Bild noch an, ob es von einem Menschen stammt?
Absolut.
Und was genau bietet ein generiertes Bild?
Oft ist KI nur eine Rendering-Maschine, die ein bisschen dekoriert. Und wenn ich genauer hinschaue, gibt es Abweichungen im Hintergrund oder in den Details, die im Entwurf gar nicht vorkommen. Das sehen unsere Klienten inzwischen auch. Sie tolerieren, dass wir eine Visualisierung anbieten, um einfach mal eine Richtung schneller zu definieren und Varianten zu definieren. Aber sie merken auch sofort, was noch nicht wirklich durchentworfen ist.
Sie nutzen KI auch dafür, um Bilder für Wettbewerbe ...
... sehr schnell zu generieren, und zwar relevante Bilder. Das wird sich auch nie wieder ändern. Der Wettbewerbsdruck ist extrem gestiegen, vor allem in China. Um dort überhaupt reinzukommen, muss man manchmal innerhalb einer Woche ein volles Design abliefern. Und das können wir nur dank KI. Sie war ein entscheidender Produktivitätssprung, der uns ermöglichte, oft schneller zu sein als andere. KI reicht von Programmierung, Formfindung und Optimierung bis zur Videoproduktion.
Wie viele Projekte laufen gerade parallel?
Wir haben rund 50 Projekte im Laufen und jeden Monat starten 20 neue, manchmal sind es auch 30 neue Projekte.
Welche Gefahren birgt KI?
Ist das nicht gefährlich, sofort eine fotorealistische Lösung anzubieten, bei der Auftraggeber womöglich sagen: genau das wollen wir, während Sie doch zunächst nur eine Idee transportieren wollen?
Das ist wirklich ein Problem, wenn sich Klienten viel zu früh auf eine Lösung festlegen und wir versuchen müssen, sie davon wieder wegzubekommen. Denn wir programmieren für jedes Projekt ein neues Netzwerk, das den Charakter dessen umschreibt, was wir suchen, oft in Kombination eines großen Modells mit einem Spezialmodell.
Wie würden Sie das einem Kind erklären?
KI ist ein evolutionärer Prozess mit vielen parallelen Wegen zur Formfindung. Wir lassen uns dazu von natürlichen Strukturen ebenso anregen wie von Mode. Wir schreiben viele Programme selbst und haben Spezialwerkzeuge, um von vornherein die Form, mit der wir arbeiten wollen, zum Beispiel mit Schalen- oder Skelettstrukturen, zu untersuchen. Das ist auch rechnerisch anspruchsvoll. Vieles können wir inzwischen über KI abkürzen.
Sie sind im Grunde forschend unterwegs, wenn Sie Architektur schaffen.
Ja, wir betreiben Forschung. Fast zehn Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten in Forschungsgruppen und speisen das, was sie entwickeln, in konkrete Projekte ein.
Apropos einspeisen: Was würde geschehen, wenn man eine KI mit Ihrem Wissen füttern würde?
Was meine Schriften anbelangt, ist das schon passiert. Ich habe eine eigene Patrik-Schumacher-Theorie-Chatbox. Darin sind alle Bücher und ungefähr 250 Artikel. Dazu Interviews. Das ist noch nicht veröffentlicht, aber es liefert bessere Resultate als Chat-GPT.
Aber vieles steckt im Gespräch mit anderen – und nicht in der Theorie.
Es gibt immer einen Informationsverlust, das ist ja auch nicht schlimm, wenn das Werkzeug robust ist. Natürlich kann es sozusagen naiv oder falsch angewendet werden, aber diese Spannung gibt es immer, wenn man etwas freigibt.
Abschließend: Hat KI die Architektur überhaupt verändert?
Wenn ich heute KI und Architektur google, kommt 70 Prozent Parametrismus. Das heißt, vor allem junge Leute experimentieren, was man damit entwerfen könnte. Und das macht mir Hoffnung. Das ist zum Teil überdreht, weil es keine Einschränkungen gibt. Aber der Zeitgeist, das, was Architektur jetzt bedeutet, geht in diese Richtung. Ich spüre viel Leidenschaft für Architekturdesign, und zwar viel ausgeprägter als das, was in der Realität bisher durchschlägt.







