Wie sich historische Bauten retten lassen. Architekt von Sebastian Thaut von Atelier ST, gibt Rat.
Geschlämmtes, rohes Mauerwerk. Oder massive Wände aus Rochlitzer Porphy. Das sind für Architekten Sebastian Thaut Materialien, die einem Haus Charakter verleihen. Neben besonderen Neubauten gelingen ihm und seinem Team immer wieder wunderbare Verwandlungen, etwa beim Luther Archiv in Eisleben oder dem historischen Faktorenhaus in Schönbach. Bauten atmen wieder (auf) und erzählen Geschichten. Das geht, wenn Bauherren und Architekten gemeinsam den Mut aufbringen, vor Ort Entscheidungen zu treffen. Denn historische Umbauten funktioniern selten mit einem vorgefassten Plan in der Hand, sie verlangen Geistesgegenwart und Improvisation vor Ort. Das Büro Atelier ST sucht die Seele jedes Hauses. Nachhaltig ist, was lange hält. Und Schönheit ausstrahlt.
Tipps vom Experten für Renovierungen und Umbauten
Herr Thaut, was raten Sie Menschen, die zum ersten Mal umbauen wollen?
Zieht Euch warm an und macht Euch auf Überraschungen gefasst. Aber auch: Haltet durch, denn es lohnt sich.
Das heißt konkret?
Beim Bestand entscheidet sich vieles vor Ort. Denn es lässt sich nicht alles bis ins letzte Detail vorbestimmen, es gibt Überraschungen, und darauf antworten wir. Wir präzisieren, schärfen, ändern und fangen auch mal wieder von vorne an. Zeit und Kosten lassen sich nicht so exakt planen wie bei einem Neubau.
Diese Kosten müssen bei einem Umbau eingeplant werden
Ein gutes Stichwort: Kosten ...
Planungskosten machen hier ein gutes Drittel der Gesamtkosten aus. Dazu zählen, zusätzlich zu den allgemeinen Architektenleistungen, Umbauzuschläge, Mauerwerks- und Holzschutzgutachten, statische Voruntersuchungen oder ein digitales 3-D-Bestandsaufmaß. Daher liegen die Planungskosten auch bis zu zehn Prozent über denen eines Neubaus. Natürlich kann jeder sagen, ich mache das nicht, aber dann sind die Überraschungen oft noch größer.
Lassen sich Kosten und Bauzeit überhaupt realistisch einschätzen?
Das kommt auf den Zustand der Substanz an. Und darauf, wie viel Geld man bereit ist, im Vorfeld für umfangreiche Voruntersuchungen auszugeben.
Was sind typische Fehler beim Umbauen – und wie lassen sie sich vermeiden?
Ein Kardinalfehler wäre, sich zeitlich unter Druck zu setzen. Das Gras wächst ja auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Ein weiterer Fehler ist, konzeptionell und strukturell gegen den Bestand zu arbeiten. Um all das zu vermeiden, sollte man seiner Architektin oder seinem Architekten zu 100 Prozent vertrauen. Vertrauen ist der Schlüssel für ein gutes Projekt.
Das A. und O. eines Umbaus
Lassen sich Grundrisse intelligent verändern?
Ein guter Grundriss ist das A. und O. In Kombination mit einer logischen Tragkonstruktion bildet er die DNA jedes Hauses. Je besser diese angelegt ist, umso weniger muss ich später ändern. Eine logische Tragstruktur schafft ein hohes Maß Flexibilität. Die Herausforderung eines Altbaus liegt aber am Ende gerade an seiner sympathischen Unflexibilität.
Und was ist beim energetischen Sanieren besonders wichtig: Dämmung, Fenster, Haustechnik?
Wichtig ist, behutsam vorzugehen und es mit dem energetischen Sanieren nicht zu übertreiben. Lieber mal eine Strickjacke anziehen, als 365 Tage im Jahr im T-Shirt durch die Wohnung zu laufen. Das heißt, dass man beim Altbau gewisse Einschränkungen im Komfort hinnehmen darf. Übersetzt: Einfacher bauen und auf komplizierte und wartungsintensive Technik verzichten. Bestandsbauten haben genau deshalb solange gehalten, weil sie im wahrsten Sinne atmen konnten und ihnen nicht durch Dämmungen und Folien die Luft abgeschnürt wurde.
Wie wird Nachhaltigkeit beim Umbauen konkret umgesetzt?
Ein Altbau ist per se nachhaltig. Beim Dämmen sollten natürliche, nachwachsende Materialien zum Einsatz kommen, die auf die Materialien des Vorhandenen eingehen, wie Hanfkalkdämmung oder Holzwolle. Altbauten sind zudem aufgrund ihrer massiven Speichermassen mit dicken Mauerwerkswänden, Ziegeln oder Lehmsteinen ideal gerüstet für den sommerlichen Wärmeschutz.
Bei diesen Häusern lohnt sich eine Renovierung oder ein Umbau
Dann lohnt sich der Erhalt ...
... fast immer. Es sei denn, die Substanz ist zu marode oder der Bestand passt überhaupt nicht mehr zum neuen Raumprogramm. Dann muss man auch rückbauen dürfen. Und das durchaus radikal.
Wo machen Sie den Schnitt?
Häuser, die keine Qualität mitbringen vom Grundriss her kaum Flexibilität für einen Umbau bieten, wären solche Kandidaten. Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden, aber ein Einfamilienhaus in Waschbeton aus den Sechziger Jahren wird auch mit viel Geld nur ein bisschen hübscher. Umgekehrt bieten viele Häuser Atmosphäre und Geschichte, und eine solche Geschichte zu erzählen, ist es unbedingt wert, Energie in einen Umbau zu stecken.
Wie gehen Sie vor, um den Charakter eines Altbaus zu bewahren und gleichzeitig moderne Ansprüche zu integrieren?
Jedes Gebäude hat eine Seele. Diese gilt es als erstes zu finden. Denn nur, wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten. Wir versuchen das Spezifische des Hauses in die heutige Zeit zu transportieren. Für uns heißt das, Historisches, Bestehendes mit den Mitteln der Gegenwart so zu verschmelzen, das daraus eine neue Zukunft entstehenden kann. Die große Kunst ist es, sich einerseits nicht in rückwärtsgewandter Nostalgie zu verlieren und andererseits auch nicht in blutleere, abstrakt-unterkühlte Zukunftswelten abzudriften. Sondern eigene (Raum-) Welten aus dem Bestand zu generieren.
Das klingt jetzt so leicht, …
… aber man muss dafür ein Gefühl für das richtige Verhältnis entwickeln. Ich denke, das hat neben Kompetenz und Wissen, mit Erfahrung und vor allem mit viel Intuition und einem „sich Zeit nehmen“ zu tun.









