Häuser, die vor Hitze schützen: Architektur aus Stampflehm schafft ein gutes Raumklima
Architektur aus Stampflehm: 11 spektakuläre Gebäude in aller Welt zeigen das Potenzial des nachhaltigen Baumaterials, das Häuser mit ihrer Umgebung verschmelzen lässt.
Das Bauen mit Stampflehm ist eine uralte Technik – und zugleich absolut aktuell. Denn das Material hat nicht nur eine hohe ästhetische Qualität, sondern ist auch mit bemerkenswerten Umweltvorteilen verbunden. Indem angefeuchtete Erde in Schalungen gepresst wird, um feste Wände zu schaffen, entsteht eine außergewöhnlich effektive thermische Masse, die die Innentemperatur auf natürliche Weise reguliert und zugleich den Energieverbrauch drastisch reduzieren kann. In den letzten Jahrzehnten sind eine Reihe von spannenden modernen Architekturprojekten entstanden, die die Vielseitigkeit der Stampflehm-Architektur in verschiedenen Klimazonen und Funktionen unter Beweis stellen – von Privathäusern bis hin zu Industriehallen.
Während traditionelle Stampflehm-Architektur meist einfach auf einer Mischung verschiedener Arten von Erde und Lehm basiert, wird bei modernen Versionen häufig Zement hinzugefügt, um die Stabilität und Haltbarkeit zu verbessern. Diese Modifikation ist allerdings nicht unproblematisch: Je nach Zementmenge können solche Stampflehmbauten den CO2-Fußabdruck von Beton erreichen. Wenn sie jedoch mit einem Minimum an Stabilisatoren und mit Materialien aus der Gegend durchdacht umgesetzt werden, verringert sich der gebundene Kohlenstoff erheblich. Gleichzeitig entstehen Strukturen mit unverwechselbarem Charakter, die sich organisch in die Umgebung einfügen – und das nicht nur im ländlichen Umfeld.
11 Stampflehm-Häuser, die vor der Hitze schützen
Von Pariser Stadthäusern bis hin zu abgelegenen Präriebehausungen: Wir haben elf bemerkenswerte Projekte zusammengestellt, die zeigen, wie Lehmarchitektur die jeweilige Umgebung und lokale Bautraditionen respektiert und gleichzeitig moderne Performance- und Umweltstandards erfüllt – indem sie mit der Erde arbeitet statt gegen sie.
Sharon Davis Design1/11Bayalpata Hospital, Nepal (Sharon Davis Design)
Dieses Krankenhaus in der abgelegenen Region Achham in Nepal zeigt, wie Stampflehm den Bedarf an kritischer Infrastruktur in schwierigen Umgebungen decken kann. Der 13 Gebäude umfassende Komplex von Sharon Davis Design versorgt jährlich 100.000 Patient:innen. Seine Wände wurden aus direkt vor Ort ausgehobenem Erdreich errichtet – anders wäre der Bau einer solchen Einrichtung in einer Gegend, die zehn Autostunden vom nächsten Regionalflughafen und eine dreitägige Fahrt auf engen, bergigen Straßen von der Hauptstadt Kathmandu entfernt liegt, kaum möglich gewesen. Zudem sind die Baukosten für die Lehmgebäude im Vergleich zu herkömmlichen Materialien um 40 Prozent niedriger. Was beweist, dass nachhaltige Architektur gerade in unzugänglichen Weltgegenden nicht nur wünschenswert, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Déchelette Architecture2/11Casa Franca, Paris (Déchelette Architecture)
Das französische Architekturbüro Déchelette Architecture steckt hinter Casa Franca, einem Stadthaus und Künstleratelier, das sich durch seine Stampflehmfassade auszeichnet, die aus 550 Tonnen vor Ort ausgehobener Erde errichtet wurde. Das Projekt zeigt, wie sich überkommene Bautechniken auch in einer urbanen, designorientierten Umgebung behaupten können – und sich dort auch noch ausgesprochen nützlich machen: Die monolithische Wand mit einer Dicke von 30 bis 60 Zentimetern macht selbst in den immer heißer werdenden Pariser Sommern eine Klimaanlage überflüssig. Um den Lehm „stadtfein“ zu machen, ist die Casa Franca mit Stahlstürzen, -schwellen und -geländern ausgestattet, die einen Kontrast zu seiner groben Textur bilden.
Kendle Design3/11Desert Wash Home, USA (Kendle Design)
Das Desert Wash Home von Kendle Design Collaborative besteht aus Stampflehmwänden, deren geschichtetes Erscheinungsbild bewusst die Sediment-Ablagerungen des Bachs widerspiegelt, das das Grundstück durchschneidet. Anstatt diesen saisonalen Wasserlauf zu überbauen, passt sich die lineare Form des Hauses dessen natürlichem Verlauf an, sodass das Wasser nach starkem Regen weiterhin ungehindert abfließen kann. Dieser achtsame Ansatz beeinflusste auch die Ausrichtung des Gebäudes: Die irdenen Volumina sind strategisch so positioniert, dass sie die großzügig verglasten Wohnräume vor der harten Westsonne abschirmen und gleichzeitig dramatische Ausblicke auf die nahen Bergketten ermöglichen.
Studio eM Design4/11Haus in Corrales, USA (Studio eM Design)
Im US-Bundesstaat New Mexico hat Studio eM Design ein Wohnhaus entworfen, bei dem die traditionelle Stampflehmbauweise wunderbar mit einer zeitgenössischen Formensprache harmoniert. Die verdichteten Erdwände des Hauses mit ihren charakteristischen horizontalen Streifen kontrastieren mit verwittertem Stahl und großflächigen Glaselementen. Diese Materialsymbiose bietet nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Vorteile: Die kompakte Lehmmasse reguliert die extremen Temperaturen in der Wüste auf natürliche Weise, während die stahlgerahmten Öffnungen einen Panoramablick auf die Landschaft bieten. So wurde ein Haus geschaffen, das aus seiner trockenen Umgebung herauszuwachsen scheint und sich mit ihr verbindet.
Arquipélago Arquitetos5/11Haus in Cunha, Brasilien (Arquipélago Arquitetos)
Dieses Wochenendhaus von Arquipélago Arquitetos mit spektakulärem Ausblick liegt hoch in den Bergen der brasilianischen Mata Atlântica (Atlantischer Wald). Mit seinen 40 Zentimeter starken Stampflehmwänden, die mit einer schützenden Metallkappe versehen sind, zeigt es, dass die Lehmbauweise auch für Gegenden mit hoher Luftfeuchtigkeit geeignet ist. Das auf einem Betonfundament errichtete Gebäude besteht aus einer verdichteten Mischung aus lokaler Erde, Sand und Ton, die aufgrund ihrer Effizienz und Erschwinglichkeit gewählt wurde. Die bewusste Beschränkung auf regionale Materialien geht so weit, dass auch helle Ziegel aus einer nahegelegenen Töpferei, die mit aluminiumreichem Ton aus der Region arbeitet, verbaut wurden.
Lake Flato Architects6/11Marfa Ranch, USA (Lake Flato Architects)
Lake Flato Architects haben mit ihrem sensiblen Eingriff in die texanische Chihuahuan-Wüste einen Ranch-Komplex geschaffen, der sich organisch aus seiner Umgebung zu entwickeln scheint. Die Stampflehmbauten wurden aus Erde errichtet, die direkt vor Ort ausgehoben wurde; ihre Wände changieren farblich von Rost bis Ocker und spiegeln so die natürlichen Schichten der Landschaft. Große Glasflächen schaffen dramatische Kontraste zwischen kompakter Lehmmasse und scheinbar schwereloser Transparenz, während die überlegene thermische Leistung den Energieverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen um 60 Prozent senkt.
Herzog & de Meuron7/11Ricola-Kräuterzentrum, Laufen (Herzog & de Meuron)
Das Schweizer Kräuterunternehmen Ricola beauftragte Herzog & de Meuron mit der Gestaltung dieser Produktionsstätte, bei der Stampflehm im Industriekontext zum Einsatz kam (ein weiteres aktuelles Beispiel ist der Weleda Cradle Campus in Schwäbisch Gmünd). Vorgefertigte Platten aus Lehm, Mergel und Erde, die an nahegelegenen Standorten gewonnen wurden, wurden in Rekordzeit montiert. Die selbsttragende Fassade wird durch ein Tragwerk aus Beton im Innern ergänzt, das Dach ist mit Photovoltaik-Paneelen bedeckt, die erneuerbare Energie liefern – die traditionelle Anmutung von Lehmbauten wurde dennoch beibehalten. Praktisch: Die Lehmmauern reduzieren nicht nur das klimaschädliche Embodied Carbon um etwa 40 Prozent, sondern regulieren auch ganz natürlich die für die Kräuterverarbeitung wichtige Luftfeuchtigkeit.
Suphasidh Architects8/11Chonburi Multi-Purpose Building, Thailand (Suphasidh Architects)
Als lebendiges Gemeindezentrum in Chonburi, einer Küstenstadt nahe Bangkok, erhebt dieses Mehrzweckgebäude bescheidene Erde zur Poesie. Suphasidh Architects kombinierten Stampflehmtechniken mit Bautraditionen der Region und schufen einen geschützten Ort, an dem Meditationshallen und Gemeinschaftsräume unter schwebend wirkenden Dachflächen liegen. Die Wände des Gebäudes bestehen aus lokalem Lehm, Sand und Pflanzenfasern, die die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Weise regulieren, während ihre unterschiedliche Pigmentierung die charakteristischen Bodenschichten der Region widerspiegelt.
COA Arquitectura9/11Weingut Tierra Tinta, Mexiko (COA Arquitectura)
Stampflehm ist nicht nur eine nachhaltige Wahl, sondern kann auch den Zweck eines Bauwerks aktiv unterstützen. Das Weingut Tierra Tinta von COA Arquitectura im mexikanischen Valle de Guadalupe ist in dieser Hinsicht ein Meisterwerk: Die Architekt:innen kombinierten Lehmmauern mit einem auffälligen Sägezahndach und schufen so eine Kellerei, die sowohl ästhetisch als auch funktional mit dem Terroir harmoniert. Indem die Erde des Weinbergs als Baumaterial genutzt wird, entsteht ein intimer Dialog zwischen Architektur und Landschaft, der auch industrielle Elemente nahtlos integriert. Das Ergebnis ist poetisch-praktisch: Nach Norden ausgerichtete Öffnungen fluten die Räume mit diffusem Licht, während die massigen Lehmflächen ideale klimatische Bedingungen für die Weinproduktion schaffen.
PPAA10/11Todos Santos Guesthouse, Mexiko (PPAA)
Dieses Gästehaus des mexikanischen Architekturbüros PPAA wurde aus Stampflehm errichtet, um sich harmonisch in die Landschaft der Baja California zu fügen und optisch möglichst wenig hervorzustechen. Das Gebäude besteht aus 40 Zentimeter dicken Wänden, die durch die Verdichtung lokaler Erde in einer Holzschalung entstanden. Diese Bautechnik lässt das Gebäude ganz natürlich mit dem Gelände verschmelzen und reguliert gleichzeitig die Temperatur: Das Innere wird tagsüber kühl gehalten, und nach Sonnenuntergang wird die Wärme bewahrt. Die dezent getönten Stampflehmwände blieben überall unverkleidet und werden durch regionale Stein- und Holzelemente sowie durch Möbel der dänischen Designmarke Vipp akzentuiert.
Hank Louis11/11Windcatcher House, USA (Hank Louis)
Ein weiteres Projekt, das das Potenzial der Lehmbauweise für nachhaltige Lösungen in schwierigen Umgebungen demonstriert, ist das Windcatcher House von Hank Louis. Für eine Navajo-Familie wurde es in einer abgelegenen Landschaft im Südosten Utahs errichtet, weitab von jeglicher Energieinfrastruktur. Dicke Stampflehmwände, deren Material in der Umgebung gewonnen wurde, gleichen Temperaturextreme ohne mechanische Unterstützung aus, während ein innovatives passives Belüftungssystem die Wüstenbrise zur natürlichen Kühlung einfängt. Da die Familie ohne Auto auskommt, wurde der ursprünglich geplante Carport zum Tierstall umgewidmet – ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.
Zuerst erschienen bei AD Middle East.
