Spektakulärer Umbau in Madrid: So wurde ein baufälliges Apartment zum individuellen Zuhause voller Helligkeit, Farbe und Stauraum.
Dieser raffinierte Umbau im Zentrum der spanischen Hauptstadt startete mit einer Story auf Instagram: „Kennt jemand einen Architekten in der Stadt?“, schrieb Juan damals und fügte ein Foto einer heruntergekommenen Wohnung hinzu. Die Story erreichte schließlich Emiliano Domingo, den Gründer des Madrider Architekturstudios Bardo; die beiden hatten einige gemeinsame Freund:innen. „Ich habe ihm geschrieben, und wir haben uns sofort verstanden und sind direkt zusammen zu der Wohnung gefahren“, erinnert sich Domingo.
Umbau kurz vor dem Einsturz
Bei der Ankunft erwartete den Architekten ein stark baufälliges Apartment: „Alles war mit Stützen gesichert, denn das Dach löste sich bereits von der Fassade.“ Es stellte sich heraus, dass bei früheren Umbauarbeiten versucht worden war, die 48 Quadratmeter große Wohnung, die einst eine Dachterrasse war, mit dem darunter liegenden Apartment zu verbinden. Beim Abriss der Zwischenwände war jedoch nicht berücksichtigt worden, dass die ursprüngliche Holzkonstruktion auf diese ausgerichtet war, woraufhin sie nachgab.
Ausbau eines Dachgeschosses
Wo also anfangen? Für Studio Bardo war zunächst eines klar: Es musste eine zweite Etage gebaut werden, die zum einen die Fassade stabilisieren sollte, um den Einsturz des Daches zu verhindern und die durch die vorausgegangene Fehlplanung entstandenen Probleme zu beseitigen. Zum anderen sollte durch die neue Etage ein vollständig ausgebautes Dachgeschoss entstehen, was die Wohnfläche maximiert.
Hierfür plante das Studio ein begehbares Tragwerk, das so leicht sein würde, dass es die originale Struktur nicht überlastet, und gleichzeitig stabil genug wäre, um die strukturelle Funktion zu erfüllen.
„Zusammen mit unserem Statiker Manuel Ocaña haben wir eine Lösung gefunden, die beide Anforderungen erfüllte – eine sehr leichte Rohrkonstruktion, deren Stabilität auf der Vielzahl der Befestigungspunkte basierte. Indem wir die Knotenpunkte über die gesamte Fläche verteilt haben – was wir als ‚atomisieren‘ bezeichnen –, haben wir vermieden, dass sich das Gewicht auf einen einzigen Punkt konzentriert, und gleichzeitig die ‚Aussteifung‘ des Daches durch einen Verbindungseffekt erreicht“, erzählt Studio Bardo. „So ist es uns gelungen, ein leichtes und effizientes Tragwerk zu kreieren, das nicht nur die Struktur verstärkt, sondern auch zusätzliche Wohnfläche ermöglicht hat, sodass es ein oder zwei Personen bequem als Schlaf- oder Ruhebereich nutzen können.“
Mehr Wohnfläche und Flexibilität
Das Ergebnis ist ein neuer Wohnbereich mit einer Fläche von 18 Quadratmetern. „Das Obergeschoss grenzt sich optisch ab, bleibt aber dennoch mit dem Erdgeschoss verbunden“, sagt das Architekturbüro. Im Grunde sind – mit Ausnahme des Badezimmers – alle Bereiche auf die ein oder andere Weise visuell miteinander verbunden. Das trägt dazu bei, die Fläche des Apartments, die weniger als 50 Quadratmeter beträgt, größer wirken zu lassen.
Schwerelosigkeit als Leitmotiv
In dieser einzigartigen Kulisse war es wichtig, mithilfe von Farben und Materialien die verschiedenen Bereiche voneinander abzugrenzen. „Als ich mit dem architektonischen Entwurf begonnen habe, kam mir ein Wort in den Sinn, das alles Weitere beeinflusst hat: ‚Schwerelosigkeit‘. Ich weiß nicht warum, aber etwas an der Art und Weise, wie die Struktur zusammengehalten wurde – oder eigentlich nicht mehr –, hat mich an einen Drachen erinnert, der sanft in den Himmel steigt. Basierend auf dieser Vorstellung fanden nach und nach die Farben, Texturen und Materialien ihren Weg in das Projekt und verliehen ihm seine endgültige Form“, so der Architekt.
„Im oberen Stockwerk haben wir sehr helle Himmelblau- und Cremetöne eingesetzt, die das Gefühl von Leichtigkeit noch mehr betonen. In der unteren Etage hingegen haben wir kräftigere Blautöne, Holz und terrakottafarbene Keramik verwendet, die optisch für mehr Tiefe und Wärme sorgen. Über beide Ebenen hinweg haben wir kühlere und reflektierende Materialien eingesetzt wie etwa Spiegel, lichtdurchlässige Glasbausteine und Edelstahl. Das trägt dazu bei, den Raum größer wirken zu lassen und das natürliche Licht zur Geltung zu bringen, wodurch die Idee einer emporsteigenden Struktur betont wird.“ Eine Struktur, die wie ein Drache in die Höhe steigt – was auch den Namen des Projekts („Casa Cometa“, zu Deutsch: „Drachen-Zuhause“) inspirierte.
Das Ergebnis ist „eine Atmosphäre, die man als technologisch, verspielt, warm und modern beschreiben könnte“, so das Studio. „Die offene und multifunktionale Raumaufteilung – wie beispielsweise die Treppe, die auch als Möbelstück fungiert – wirkt effizient, ohne, dass dabei der Bewegungsfluss beeinträchtigt wird. Es ist eine Wohnung, die dazu einlädt, sich frei zu bewegen und die Räume je nach Nutzung neu zu interpretieren. Die Raffinesse der Struktur verleiht ihr diesen technologischen, präzisen, aber auch poetischen Charakter. Es ist ein Design voller Persönlichkeit, aber auch voller Ordnung.“
Studio Bardo holte bei der Umgestaltung der Casa Cometa das Beste aus der schwierigen Ausgangssituation heraus und schuf eine Atmosphäre, die ungezwungen ist und dank des neuen, farbenfrohen Zwischengeschosses auch industrielle Bezüge aufweist. Nicht nur die Struktur, auch die Farbgebung verleiht dem Madrider Apartment seine „verspielte, fast kindliche Note, ohne dabei kindisch zu wirken“.
Zuerst erschienen bei AD España.










