Stuttgarter 4-Raum-Villa: Die von Anna Philipp entworfene Villa Mahler ist das Refugium einer Künstlerin

Am Rande von Stuttgart entwarf Architektin Anna Philipp ein begehbares Gesamtkunstwerk.
Villa Mahler Küche ais Beton und Metall
José Campos

Villa Mahler: Diese Villa am Rande von Stuttgart ist das Refugium einer Künstlerin.

Schatten wandern über Betonwände, massive Bronzegriffe und archaische Hocker. In der fünf Meter hohen Wohnhalle der Villa Mahler, zugleich Küche, Essbereich und Wohnzimmer, bilden Architektur und Interieur eine dreidimensionale Hell-Dunkel-Malerei. Mit seinen gewaltigen Dimensionen und bodentiefen Panoramafenstern könnte das der Hauptausstellungsraum einer Galerie sein. Doch kein einziges Bild hängt an der Wand, keine Skulptur mischt sich unter das spärliche Mobiliar. Die wenigen Einbauten – zwei Küchenzeilen, ein Tisch – scheinen wie mit dem Lineal gezogen. Als einzige Bilder locken Ausblicke auf den Garten, gerahmt von dunklen Vorhängen und Beton. Die vermeintliche Leere hat Programm. Nichts soll ablenken in der gerade vier Räume umfassenden Villa Mahler. Das Büro Philipp Architekten schuf kein Wohnhaus von der Stange, sondern den Rückzugsort einer Künstlerin, die ihr Atelier gleich ums Eck hat.

Zur Straße gibt sich der L-förmige Baukörper undurchdringlich. Im Erdgeschoss rechts liegt der Gästebereich, darüber Bibliothek, Bad und Schlafzimmer der Hausherrin. Auch hier raumhohes Glas und Blicke in den Garten. Maßgefertigte Betten aus Eiche und wandfüllende Schwarzstahl-Schränke verleihen der Enfilade eine fast meditative Atmosphäre.

Wie ein Strich in der Landschaft Straßenansicht mit schwebendem Sichtbeton und neu gepflanzter Eiche.

Wie ein Strich in der Landschaft: Straßenansicht mit schwebendem Sichtbeton und neu gepflanzter Eiche.

José Campos
Graubraune Bettwäsche vor Betonwand

Große Sitzkissen aus dunklem, von der Textildesignerin Nathalie Van der Massen entworfenem Leinen.

José Campos

Wohnhalle der Elemente

Der Wow-Moment der Villa Mahler verbirgt sich im Gartenflügel. Die Wohnhalle ist unbestrittenes Zentrum des Hauses. Alles verdichtet sich in einem Objekt, einem gewaltigen Teppich im Zentrum, der an einen Strandspaziergang erinnert, bei dem sich glitzernde Priele und körnige Sandflächen abwechseln „Ich stelle mir einen riesigen, goldenen Teppich vor“, sagt die Künstlerin. Er sollte aussehen, „als hätte darauf ein ausverkauftes Nirvana Konzert stattgefunden.“ Architektin Anna Philipp machte sich an die Arbeit und schuf zusammen mit der belgischen Textildesignerin Nathalie Van der Massen einen im TextielMuseum in Tilburg gewebten, sechs auf sechs Meter großen Teppich aus Trevira-, Leinen- und Lurex-Garnen - wie überhaupt alle Möbel in gemeinsamer Arbeit und Abstimmung zwischen allen Gestalterinnen und Gestaltern enstanden. Denn in der Villa Mahler ist nichts von der Stange. Handgefertigte Möbel der Manufaktur Eichkorn wetteifern mit genau abgestimmten Vorhängen und Bezugsstoffen. Natürlich wurden auch die patinierten Metalloberflächen in Handarbeit geschaffen.

Felix Eichkorn von der Manufaktur Eichkorn Architektin Anna Philipp Textilkünstlerin Nathalie van der Maaßen.

Treffen aller Gewerke: Felix Eichkorn von der Manufaktur Eichkorn, Architektin Anna Philipp, Textilkünstlerin Nathalie Van der Maaßen.

José Campos

Handwerkliches Chiaroscuro

Architektin Anna Philipp überzeugte die Auftraggeberin gleich mit einer ihrer ersten Handskizzen. Diese war begeistert von der Synthese aus kraftvoller Architektur und minimalistischem Interieur. Zugleich spiegelte das Haus auch einen Charakterzug der Bauherrin und ihre Kunst. Nichts ist zufällig. Das schwarze Holz greift die Wurzeln der Familie auf und lässt an Südtiroler Scheunen aus dunklem Holz denken.

Wenn die Villa Mahler durch die Kunst des Weglassens fesselt, stellt sie auch eine Hommage an die großen Künstlervillen der Jahrhundertwende dar, in denen Kunst, Architektur und Handwerk verschmolzen. Nur die Materialien haben sich geändert. Sichtbeton, dunkle Stoffe und Schwarzstahl stehen für eine neue Synthese aus Architektur und Interior Design.

Im stählernen Sideboard  spiegelt sich der changierende Teppich der Wohnhalle.

Im stählernen Sideboard (von Philipp Architekten entworfen und mit Hammerschlag von der Manufaktur Eichkorn bearbeitet) spiegelt sich der changierende Teppich der Wohnhalle.

José Campos
Foyer Wände aus brüniertem Schwarzstahl jedes Blech wurde von Hand verarbeitet.

Foyer: Wände aus brüniertem Schwarzstahl, jedes Blech wurde von Hand verarbeitet.

José Campos
Sonnenschirme aus Metall

Die Wohnhalle vom Garten aus gesehen, Sonnenschirme von Eichkorn.

José Campos
Küchenzeile mit Metallwand drei LüftungsauslässeOKADining Table von Eichkorn aus geflammtem H

Küche mit Betonarbeitsplatte und Metallfronten, kreisrunde Weitwurfdüsen der Klimaanlage, OKA-Dining Table von Eichkorn aus geflammtem Holz.

José Campos
Treppenaus aus Beton und Stahl

Wände aus Schwarzstahl, Beleuchtung in der Decke verankert (PSLab), Treppe aus weißem Sichtbeton.

José Campos
Schlafzimmer im ersten Stock mit Blick ins Grüne. Bett von Eichkorn. Betonbadewanne.

Schlafzimmer im ersten Stock mit Blick ins Grüne. Bett von Eichkorn. Betonbadewanne.

José Campos
Ausenansicht der Villa im Raum Stuttgart

Wie eine Skulptur in einem wildem Garten. Die Villa hebt sich wohltuend vom Bestand ab.

José Campos
Türgriff der  großen Holzeingangstür

Was für ein Auftritt: Türdrücker aus massiver Bronze, gehämmert. Unikat der Manufaktur Eichkorn.

José Campos