Villa Mahler: Diese Villa am Rande von Stuttgart ist das Refugium einer Künstlerin.
Schatten wandern über Betonwände, massive Bronzegriffe und archaische Hocker. In der fünf Meter hohen Wohnhalle der Villa Mahler, zugleich Küche, Essbereich und Wohnzimmer, bilden Architektur und Interieur eine dreidimensionale Hell-Dunkel-Malerei. Mit seinen gewaltigen Dimensionen und bodentiefen Panoramafenstern könnte das der Hauptausstellungsraum einer Galerie sein. Doch kein einziges Bild hängt an der Wand, keine Skulptur mischt sich unter das spärliche Mobiliar. Die wenigen Einbauten – zwei Küchenzeilen, ein Tisch – scheinen wie mit dem Lineal gezogen. Als einzige Bilder locken Ausblicke auf den Garten, gerahmt von dunklen Vorhängen und Beton. Die vermeintliche Leere hat Programm. Nichts soll ablenken in der gerade vier Räume umfassenden Villa Mahler. Das Büro Philipp Architekten schuf kein Wohnhaus von der Stange, sondern den Rückzugsort einer Künstlerin, die ihr Atelier gleich ums Eck hat.
Zur Straße gibt sich der L-förmige Baukörper undurchdringlich. Im Erdgeschoss rechts liegt der Gästebereich, darüber Bibliothek, Bad und Schlafzimmer der Hausherrin. Auch hier raumhohes Glas und Blicke in den Garten. Maßgefertigte Betten aus Eiche und wandfüllende Schwarzstahl-Schränke verleihen der Enfilade eine fast meditative Atmosphäre.
Wohnhalle der Elemente
Der Wow-Moment der Villa Mahler verbirgt sich im Gartenflügel. Die Wohnhalle ist unbestrittenes Zentrum des Hauses. Alles verdichtet sich in einem Objekt, einem gewaltigen Teppich im Zentrum, der an einen Strandspaziergang erinnert, bei dem sich glitzernde Priele und körnige Sandflächen abwechseln „Ich stelle mir einen riesigen, goldenen Teppich vor“, sagt die Künstlerin. Er sollte aussehen, „als hätte darauf ein ausverkauftes Nirvana Konzert stattgefunden.“ Architektin Anna Philipp machte sich an die Arbeit und schuf zusammen mit der belgischen Textildesignerin Nathalie Van der Massen einen im TextielMuseum in Tilburg gewebten, sechs auf sechs Meter großen Teppich aus Trevira-, Leinen- und Lurex-Garnen - wie überhaupt alle Möbel in gemeinsamer Arbeit und Abstimmung zwischen allen Gestalterinnen und Gestaltern enstanden. Denn in der Villa Mahler ist nichts von der Stange. Handgefertigte Möbel der Manufaktur Eichkorn wetteifern mit genau abgestimmten Vorhängen und Bezugsstoffen. Natürlich wurden auch die patinierten Metalloberflächen in Handarbeit geschaffen.
Handwerkliches Chiaroscuro
Architektin Anna Philipp überzeugte die Auftraggeberin gleich mit einer ihrer ersten Handskizzen. Diese war begeistert von der Synthese aus kraftvoller Architektur und minimalistischem Interieur. Zugleich spiegelte das Haus auch einen Charakterzug der Bauherrin und ihre Kunst. Nichts ist zufällig. Das schwarze Holz greift die Wurzeln der Familie auf und lässt an Südtiroler Scheunen aus dunklem Holz denken.
Wenn die Villa Mahler durch die Kunst des Weglassens fesselt, stellt sie auch eine Hommage an die großen Künstlervillen der Jahrhundertwende dar, in denen Kunst, Architektur und Handwerk verschmolzen. Nur die Materialien haben sich geändert. Sichtbeton, dunkle Stoffe und Schwarzstahl stehen für eine neue Synthese aus Architektur und Interior Design.











