In der Uhrmacherkunst wird ständig zu neuen Innovationen geforscht – das sind die neuesten und edelsten Innovationen.
Innovationen stoßen fast immer erst auf Widerstand, schließlich bedeuten sie, dass man Abschied von lieben Gewohnheiten nimmt. Und die Uhrenwelt gilt als eine Branche, die sich besonders gern alter Traditionen besinnt. Doch es wäre ein Irrtum, deshalb zu dem Schluss zu gelangen, dass sich die alteingesessenen Manufakturen dem Neuen verweigern würden. Im Gegenteil: So ziemlich alles, was eine Uhr besser, präziser und begehrenswerter macht, ist hier willkommen. Das kann auf Kundinnen und Kunden manchmal irritierend wirken, gerade wenn es um das Gehäuse und Optik geht.
Welches Material eignet sich wofür?
Die Wahrheit ist: Gold und Platin sind die prestigeträchtigen Metalle für wertvolle Uhren. Stahl ist der Klassiker für Sportmodelle. Doch von den großen Konzernen bis hin zu kleinen Manufakturen beschäftigt man sich überall mit der Suche nach neuen Materialien. Rado ist das Haus mit historisch gewachsener Keramik-Expertise, Hublot hat sich zum Ziel gesetzt, horologisch anders zu denken und Materialneuheiten mit kunterbunten Kollektionen zu fusionieren. Als Wundermetall der Stunde betrat Titan vor einigen Jahren die Bühne, antiallergen, superleicht zu tragen und superschwer zu verarbeiten – es findet sich inzwischen bei praktisch allen Herstellern.
Mag manch einer über die farbenfrohen „Kaugummiautomaten“-Uhren spotten und andere lieber zur 300 Gramm schweren Goldhantel fürs Handgelenk greifen: Der Aufwand, mit dem die Erforschung dieser neuartigen Materialien betrieben wird, ist immens. Und der Look oft einzigartig spektakulär – was vielleicht nicht jeden Preis rechtfertigt, aber erklärt, warum diese Uhren häufig mindestens so kostspielig sind wie ihre Brüder und Schwestern aus edlen Metallen. Es sind Uhren, die durch ihr Streben nach neuen Wegen die ganze Branche voranbringen. Wir stellen hier einige außergewöhnliche Modelle vor.
Wegen seines Härtegrades, der Kratzer so gut wie unmöglich macht, wird es schon lange bevorzugt: als Schutzglas für Zifferblätter. Dass man daraus aber auch komplett transparente Gehäuse fertigen kann – und das sogar in unterschiedlichen Farbtönen –, das ist eine neuere Entwicklung. Hublot gilt in diesem Segment als Pionier. Mit normalem Glas hat Saphirglas nichts zu tun, es besteht aus geschmolzenem Aluminiumoxid. Bei extrem hohen Temperaturen und mit viel Druck werden daraus Saphirglas-Blöcke. Mithilfe von Diamantklingen aus diesen Blöcken Schutzgläser herauszuschneiden, ist noch vergleichsweise einfach. Aber die Herstellung von Gehäusen ist ultrakomplex: Bei komplizierteren dreidimensionalen Formen stellt sich der Prozess von Bearbeitung und Politur wegen der Härte des Materials um ein Vielfaches schwieriger dar. Und er dauert auch erheblich länger. Je raffinierter das Gehäuse, desto mehr Diamanten werden im wahrsten Sinne des Wortes verschlissen. Ein großer Aufwand also, aber einer mit faszinierendem Ergebnis – wie diese „Hublot Spirit of Big Bang Sang Bleu“ mit 42 Millimetern Durchmesser beweist. Das kostet: 149 000 Euro.
Porsche Design lag vorne bei der Fertigung von Uhren aus diesem edlen Metall. Mittlerweile sind die meisten Hersteller von dessen Vorteilen überzeugt: von IWC über Rolex bis zu einer normalerweise eher Edelsteinen und Gold zugetanen Manufaktur wie Chopard. Den größten Nutzen spüren die Trägerinnen und Träger einer solchen Uhr sofort: Titan ist sehr leicht. Zudem hat seine graue Farbe eine besonders griffige, taktile Anmutung. Und es ist antiallergen. Ähnlich hart wie Stahl, ist Titan in der Produktion deutlich anspruchsvoller, auch weil sich gängige Werkzeuge schnell abnutzen. Doch die Resultate sind die Mühe wert, wie Chopards luftig-cool wirkende „Alpine Eagle 41 XP TT“ mit ihrem offen liegenden Uhrwerk eindrucksvoll zeigt, 28 500 Euro.
Bereits in den Achtzigerjahren fertigte Rado Uhren mit Gehäusen und Armbändern aus Keramik. Damals eine Sensation, sind sie heute die Lieblinge der Aficionados. Grundsätzlich bleibt dieses Material ohne Kratzer, was den Zeitmessern ein ewig jugendliches Antlitz verleiht. Aber fallen lassen sollte man sie nicht, denn in tausend Stücke zersplittern kann Keramik sehr wohl. In Schwarz ist dieser Werkstoff nach wie vor am populärsten – und auch am leichtesten herzustellen. Schwieriger wird es bei knalligen Farben: Gelbe, rote, grüne oder blaue Keramik muss ein Produzent erst einmal in konstant gleicher Qualität brennen können. Kniffelig ist das Ganze auch, wenn nicht nur das Gehäuse, sondern ebenso das Armband aus Keramik sein soll. Dies erfordert eine aufwändige Bearbeitung und Finissierung. Rados neu lancierte „True Square Open Heart Black & White“ kombiniert in ihrem Schachbrettlook zwei Farbtöne mit einem passenden Armband, 3450 Euro.
Wenn eins und eins mehr als zwei ergibt, dann ist die Mathematikerin erschüttert. Und Uhrenfreunde freuen sich: Für seinen neuen Werkstoff hat Panerai das Leichtmetall Titan dem Prozess der „Keramikisierung“ unterzogen. Dabei wird das Gehäuse in plasmaelektrolytischer Oxidation mit Keramik überzogen und noch widerstandsfähiger gemacht. Das Endprodukt ist fast die Hälfte leichter als Stahl und zerspringt zehnmal seltener als herkömmliche Keramik. Ein ähnliches Verfahren nutzt IWC (wie Panerai Teil des Richemont-Konzerns) bei den „Ceratanium“-Modellen. Zusatzbonus: der coole mattblaue Look der „Panerai Submersible Quaranta Quattro Luna Rossa Ti-Ceramitech“ im 44-Millimeter-Gehäuse, 16 900 Euro.
Sollte es hier nicht um Alternativen zu Gold gehen? Äh ja, eigentlich schon. Klassisches Gold ist eben auch: einfach klassisch. Aber irgendwie scheinen sich selbst die Uhrenhersteller damit ein bisschen zu langweilen, weshalb sie verstärkt an hauseigenen Legierungen arbeiten. So wie Roségold mit Kupfer und Silber angereichertes Feingold ist, so wird Gold inzwischen auch mit Keramik gemischt. Das ergibt „Magic Gold“ (bei Hublot) oder – im Mix mit Palladium – „Bronze Gold“ (bei Omega). Audemars Piguet hat eine Art Hybrid aus Weiß-, Gelb- und Roségold komponiert. Und mit „Sandgold“ einen Farbton kreiert, der an den Anblick einer Düne am Strand in der Abendsonne erinnert. Theoretisch handelt es sich also nur um ein weiteres Goldgehäuse. Aber um ein ganz spezielles, das es in dieser Schattierung nur bei dieser Marke und aktuell nur als „Royal Oak Flying Tourbillon Automatik Squelette“ mit dem 41-Millimeter-Durchmesser gibt. Romantisch ist sicher auch ihr Preis, aber den erfährt man nur auf Anfrage.
In den Boutiquen ähnelt das Metall auf den ersten Blick Gold oder Messing. Doch am Handgelenk entwickelt Bronze schnell seinen eigenen Look. Das Passwort ist Patina. Je nach Wohnort und Lebensgewohnheiten der Besitzerinnen und Besitzer bekommt die Uhr ihr individuelles Aussehen: Das Metall verfärbt sich, schimmert mahagonibraun oder grünlich und wirkt bald wie aus einer anderen Zeit. Falls das irgendwann nicht mehr passt, ist es beruhigend zu wissen: Essig und Zitronensäure entfernen Korrosionen. Populär ist Bronze inzwischen vor allem bei sportlichen Uhren wie Montblancs „Iced Sea Automatic Date“ im 41-Millimeter-Gehäuse, 3850 Euro.

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