München: Die Altbauwohnung von Verena Holthaus in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt.
„Es gibt Gute, es gibt Böse, es gibt Krefelder“. In einem schmalen schwarzen Bilderrahmen erspäht man das Zitat, wenn man den illustren Flur der Wohnung von Verena Holthaus betritt. Unschwer zu erraten, stammt die Creative Consultant und Unternehmerin ursprünglich aus NRW, seit rund neun Jahren wohnt sie in einem Altbau auf 88 Quadratmetern in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Unter den Münchner:innen ist Holthaus für ihren Salon c/o in Schwabing unweit des Englischen Gartens bekannt. Salon c/o zelebriert die moderne Tischkultur. In ihrem stationären Store in der Werneckstraße 5 (und online) verkauft und verleiht sie Tischobjekte aus den verschiedensten Epochen. Darüber hinaus hostet sie regelmäßig Events, die nicht nur die Feeds auf Instagram und Camera Rolls prägen, sondern allen voran kreative Menschen an einen Tisch bringen. Auch zum Interview lädt Holthaus zu Tisch: Ein milder Tee entfaltet seine Aromen unter dem rot-weiß gestreiften Baldachin, der über dem Esstisch schwebt, während die sanfte Wintersonne in den Silber- und Glaswaren ein bezauberndes Lichtspiel erzeugt. Eine herrliche Atmosphäre, um über ihre Wohnung, den Salon c/o und junge Kunst zu sprechen.
Interview: Verena Holthaus über ihre Wohnung in München und Salon c/o
Verena, du widmest dich im Salon c/o der Tischkultur, betreibst einen Store und organisierst verschiedene Events. Heute sitzen wir an einem kunstvoll gedeckten Tisch – könntest du uns bitte dein Konzept näher erläutern?
Es ist fällt mir nicht leicht, es in einem Satz zu formulieren. Also am Ende umschreibt es für mich die moderne Interpretation der Tischkultur. Es geht darum, einen Ort in München zu schaffen oder generell einen Space zu kreieren, wo Menschen über das Thema Tischkultur zusammenkommen, inspiriert werden und vielleicht auch neue Denkanstöße bekommen. Das schaffe ich über folgende drei Säulen: Konzept, Community und Konversation. Ich habe sowohl den Store, der eben als physischer Ort dient, wo ich Objekte verkaufe und verleihe, und dann gibt es meine Events mit dem Schwerpunkt auf Kunst und Kultur, die ich aber eben auch für Auftraggeber umsetze. Zusätzlich gibt es noch Veranstaltungsreihen wie etwa das Gabelfrühstück, die Menschen zusammenbringen und inspirieren sollen. Dabei ist es mir ganz wichtig, dass es nicht nur um oberflächliche Objekte geht, sondern auch um Inhalte. Ich versuche immer, die Geschichte der Dinge, die ich in meinen Settings verwende, aufzugreifen: Was ist das für eine Stilepoche? Woher kommt das Design? Was war die Inspiration? Es geht darum, sich wieder diesen schönen alten Dingen in einem modernen Kontext zu widmen. Viele meiner Objekte waren schon mal da, haben eine Geschichte und sind es wert, weiter gezeigt zu werden.
Wie bist du dazu gekommen?
Ich habe Mode- und Design-Management in Düsseldorf studiert und wollte eigentlich immer in die Mode. Schon als Kind fertigte ich kleine Zeichnungen an. Mein Vater war Fotograf und hat auch viele Modefotografien gemacht und nahm mich manchmal mit aufs Set. Ich hatte eigentlich einen klaren Weg vor Augen und arbeitete auch schon während meines Studiums bei der Stylistin Karin van Noort, die meine Arbeit bis heute prägt und mir den Umgang mit Objekten lehrte. Nach der Uni hat mich ein Job bei Marc O’ Polo dann nach Bayern verschlagen, zunächst nach Rosenheim und dann nach München. Aber ich wollte mich schon immer selbstständig machen und entschied mich daher für einen MBA für Innovation und Business an der TU München. Parallel zu dieser Zeit habe ich mich selbständig gemacht. Durch einen Freund bin ich dann in die Beratung gerutscht – das war dann noch mal etwas ganz anderes.
Das ist in der Tat etwas ganz anderes. In welchem Bereich wurdest du beratend tätig?
Im Finance-IT und Fintech-Bereich. Ich war schon immer jemand, der sich sehr gerne in neue Themen hineinfuchst. Ich habe auch hier versucht, die Leute an einen Tisch zusammenzubringen, um miteinander zu reden oder Probleme zu lösen. Und dann kam ich irgendwann auf Salon c/o, und durch die Beratungsaktivität hatte ich dann auch die finanziellen Möglichkeiten dazu, mir nebenbei etwas aufzubauen.
Holthaus schafft Räume für Münchens Kreativszene
Wie bist du dann genau auf das Thema Tisch gekommen?
Der Wunsch, Menschen zusammenzubringen, kam mit meiner Zeit in München. Mit einer Freundesgruppe habe ich hier in der Wohnung immer zusammen Silvester gefeiert. Dann fehlte uns aber immer das Geschirr für 30 Leute. Meine Mutter sagte dann irgendwann: „Wir besitzen so viel Geschirr, nimm das doch einfach mit.“ So ging das dann damals los und ich habe mit all dem was ich damals bei Karin von Noort gelernt und erfahren habe, mit dem Thema Tischkultur gestartet. Wir haben Silvester für Silvester gefeiert, und ich kümmerte mich immer um das Tischsetting, irgendwann machte ich das dann auch für Hochzeiten. Und dann dachte ich mir, irgendwas muss ich doch jetzt damit machen. Und somit kam mir irgendwann der Gedanke, dass in München ein Raum fehlt, der Menschen zusammenbringt, inspiriert und auf neue Ideen hinweist. Also habe ich 2021 angefangen, das erste Konzept zu schreiben, um 2022 dann den ersten Space in Neuhausen zu eröffnen. Mittlerweile bin ich aber an einem neuen Standort in Schwabing, unweit des Englischen Gartens.
Was bedeutet dir persönlich Tischkultur?
Mit Salon c/o habe ich etwas gefunden, das Menschen zusammenbringt. Ich habe zum Beispiel keine Geschwister, ich bin mit meinen Eltern viel alleine gewesen. Ich hätte mir, glaube ich, immer wieder mal mehr Menschen an einem Tisch gewünscht. Mir gibt es irgendwie auch immer so ein Gefühl von Geselligkeit, dass man nicht alleine ist und dass man den Menschen etwas wiedergeben kann. Ein Tisch strahlt für mich auch immer eine gewisse Ruhe aus und bietet gleichzeitig so viele Möglichkeiten. Bei Events nehme ich mir dann immer einen Moment und ziehe mich zurück, lehne mich an den Türrahmen und beobachte die Leute, wie sie am Tisch sitzen, lachen, strahlen und Gespräche führen – das ist für mich etwas ganz Besonderes.
Wie genau wählst du dann deine Objekte für deine Settings und deinen Store aus?
Das ist eine gute Frage. Intuition spielt eine große Rolle. Meine Eltern umgaben sich schon immer mit schönen Dingen. Nicht zwingend teure, aber schöne Dinge und ich glaube, das habe ich über die Jahre aufgesogen. Das Auge muss in jedem Fall an einem Objekt hängen bleiben und etwas in mir auslösen, dabei suche ich immer nach einem gewissen Bruch.
Und wo erstehst du diese besonderen Gegenstände?
Also, der Großteil kommt von Floh- und Antikmäkten. Dort könnte ich jede Woche hingehen. Meistens gehe ich mit einer Freundin, die ebenso passioniert ist wie ich. Das ist schön, weil wir dann auch gegenseitig Objekte füreinander suchen. Dann finde ich natürlich einiges auf Kleinanzeigen oder den gängigen Online-Auktionshäusern. Aber auch auf Reisen ergattere ich zahlreiche Dinge wie etwa in Frankreich, Belgien oder Italien.
Der Space von Salon c/o wirkt sehr clean und brutalistisch, ganz anders als deine Wohnung …
Das spiegelt mich auch ein wenig wider. In meiner Brust schlagen immer zwei Herzen. Einmal das Betriebswirtschaftliche, ich könnte mich tagelang in Tabellen verkriechen und an Strategien arbeiten, aber ich kann ebenso Stunden in Museen oder auf dem Flohmarkt verbringen. Und diese Dualität zieht sich durch sehr viele Bereiche in meinem Leben. Und eben auch in der Wohnung.
Von der WG zur stilvollen Erwachsenenwohnung
Lass uns über deine Wohnung sprechen, wie lange wohnst du hier schon?
Vor rund neun Jahren habe ich hier eine WG mit einem Freund und einer Freundin aus Krefeld gegründet.
Wie viele Leute haben insgesamt schon hier gelebt?
Ich glaube, mit mir waren es neun. Wir waren auch fast immer Krefelder. Seit gut einem Jahr wohne ich jetzt alleine hier.
Wie hat sich die Wohnung im Laufe der Zeit verändert?
Früher hatten natürlich meine Mitbewohner:innen ihre eigene Stilistik in ihren Zimmern. Aber der Stil, den ich damals in meinem Zimmer hatte, ist heute noch ein wenig erkennbar. Es waren immer moderne mit alten Elementen kombiniert, und diesen Mix aus Alt und Neu verfolge ich nach wie vor.
Wo hast du deine Möbel erstanden?
Einen Großteil meiner Möbel habe ich auf dem Flohmarkt oder auf Kleinanzeigen gekauft. Ich glaube, ich besitze kein Möbelstück, das über 1300 Euro gekostet hat. Ich finde es schön zu zeigen, dass man eben nicht alle Möbel aus dem Katalog kaufen muss, sondern dass Objekte gerade schön sind, wenn sie eine Geschichte erzählen. Jedes meiner Möbel hat eine Geschichte, ebenso jedes Zimmer. Ich habe zum Beispiel immer Wände gestrichen, wenn ich Liebeskummer hatte (lacht). Die Küche war mein erstes Farbprojekt.
Wie gehst du mit Farben um? Dem Flur nach zu urteilen, bist du sehr mutig.
Ich finde Farben total wichtig. Allerdings müssen sie sich an die Architektur anpassen. Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich meine Wohnung vielleicht erst mal kennenlernen musste, um zu wissen, was sie braucht. Mit der Zeit bekommt man ein anderes Verhältnis zu Farben und sieht, wie sich ein Raum mit Farbe verhält. Aber klar, mit Farbe zu hantieren und zu experimentieren, erfordert schon ein bisschen Mut. Die Decke im Flur kommentieren meine Freund:innen allerdings schon, dass sie sie so langsam nicht mehr sehen können. Ich aber schon!
Wie triffst du deine Entscheidungen?
Hm, gute Frage. Also auch da ist wieder die Intuition im Spiel. Ich recherchiere natürlich auch viel in Zeitungen, Büchern, Magazinen oder auf Pinterest. Ich lasse mich aber auch unterwegs inspirieren, auf Reisen oder bei Freund:innen. Wenn ich schon mal eine grobe Idee habe, erstelle ich mir meist ein kleines Moodboard. Dann baue ich alles langsam auf. Selten ist in einem Zimmer alles komplett, dann könnte ich unterwegs ja gar nichts Neues mehr dafür entdecken. Es entwickelt sich ja auch alles.
Holthaus kauft das Mobiliar für ihre Wohnung ganz intuitiv
Es ist also immer viel Bewegung in deinem Interior?
Definitiv! Ich kaufe keine Gegenstände gezielt für einen bestimmten Raum, sondern nur das, was mir gefällt. Wenn etwas nicht passt, muss es einfach ein wenig warten, bis der richtige Platz gefunden ist.
Was ist dir beim Einrichten und Dekorieren noch wichtig?
Mir ist es wichtig, immer wieder zu überraschen. Zum Beispiel der knallrote Hut im Esszimmer. Genau dort hat er eigentlich keinen besonderen Zweck, und genau deshalb bleibt das Auge daran hängen. Nicht nur weil er ein interessantes Objekt ist, sondern weil er ungewöhnlich gehangen ist. Außerdem platziere ich überall kleine, interessante Objekte, die eine Geschichte erzählen und über die man, wenn man sie zum ersten Mal sieht, zunächst ein wenig nachdenken muss. Das ist auch bei mir im Store zu beobachten. Kund:innen kommen wieder, weil sie nicht sofort alles erfassen. Zudem ist es mir wichtig, dass immer Bücher sichtbar sind, die mich inspirierten und auch zu einer gewissen Szenerie führten. Bücher sind auch immer Teil meiner Tischsettings. Meist bietet ein Buch eine tolle Gesprächsgrundlage. Vor zwei Jahren habe ich mal das Buch „Fragebogen“ von Max Frisch geschenkt bekommen, das eignet sich hervorragend dafür.
Wie gehst du mit Erinnerungsstücken um?
Es gibt natürlich Objekte, die vielleicht nicht mehr meinen ästhetischen Vorstellungen entsprechen, die aber dennoch Teil meines Lebens sind, und mich an eine bestimmte Zeit erinnern. Etwa dieser Stuhl von Thonet, er war mein erster Stuhl, den ich bei einer Auktion ersteigert habe, er passt vielleicht nicht mehr ganz so gut, aber dennoch kann ich mich nicht von ihm trennen, weil er auch ein schönes Erinnerungsstück ist. Oder das Bild über der Biedermeier-Kommode im Esszimmer. Das hing immer bei uns in Düsseldorf im Wohnzimmer. Über meinem Bett hängt ein Bild mit einem kleinen Engel, das seit meiner Geburt über meinem Bett platziert ist.
Erstehst du nichts Neues?
Das würde ich jetzt nicht sagen. Klar, im Flur steht schon aus rein praktischen Gründen ein Ikea-Schrank. Der Memphis-Stuhl ist neu, und die Vorhänge des Baldachins im Wohnzimmer habe ich selbst genäht. Ich kaufe aber, glaube ich, auch deshalb nicht so viel neu, weil ich auch gerne Geld für die Kunst aufwende und junge Künstler:innen unterstützen möchte.
Du hast viel Kunst in deiner Wohnung, wie wählst du die Werke aus?
Die Kunst muss mich in ihren Bann ziehen. Ein gutes Beispiel ist etwa die Arbeit von Andrej Maxim Auch im Flur. Ich habe mir seine Werke an der Akademie in München angeschaut, und ich hatte zunächst eine ganz andere Arbeit im Kopf, diese war dann aber schon vergriffen. Dann bin ich an ebendieser Arbeit hängen geblieben, die jetzt bei mir im Flur hängt. Das Werk ist ein wenig verstörend. Aber ich glaube, das macht Kunst auch manchmal aus, dass sie etwas in einem auslöst, sei es Begeisterung oder eben Irritation. Ich denke, es tut der Auswahl auch gut, wenn man einen Bezug zu den Künstler:innen herstellt. Wenn ich eine Arbeit sehe, die mich zwar anspricht, aber der Mensch dahinter nicht, dann bin ich eher zögerlich in meiner Entscheidung.
Hast du ein besonderes Kunstwerk, das dir am Herzen liegt?
Im Wohnzimmer hängt die Arbeit „Fleck“, sie ist ebenfalls von Andrej, das ist mein absolutes Lieblingsbild. Das war auch die größte Kunstanschaffung, die ich bisher getätigt habe. Und ohne dass ich es plante, passt es perfekt in diesen Raum. Ich könnte das Bild stundenlang anschauen, und es entwickelt sich immer wieder etwas Neues daraus.
Du veranstaltest seit geraumer Zeit auch Events in deiner Wohnung, wie kam es dazu?
Das hatte ich eigentlich schon immer auf der Agenda. Ich merke selbst, wie spannend ich die Räumlichkeiten anderer finde. Wenn man sich in einem intimen Raum trifft, bleibt das Event ganz anders in Erinnerung. Eine Location braucht Wärme und Herz. Und all das hängt ja auch mit dem Thema Gastgebertum zusammen. Das kann man besser über private Räume vermitteln.
Zum Schluss: Was sind die Hauptkomponenten für eine Wohlfühlatmosphäre?
Ich glaube, die Themen Farbe, Stofflichkeit und persönliche Gegenstände sind ganz, ganz wichtig, aber auch Kunst. Und natürlich ganz viel Intuition.
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Produktion: Anna Busch
Assistentin: Kübra Nur Temiz



























