Zwischen Vintage-Möbeln und dänischen Designstücken: So wohnt Emanuel Sax in seiner Altbauwohnung in Südtirol.
„So richtig lebendig wird eine Wohnung doch erst, sobald sie Geschichten erzählt“, davon ist Emanuel Sax überzeugt. Vor zwei Jahren zog er von Kopenhagen nach Bozen, um dort als Hoteldirektor das neu eröffnete „Parkhotel Mondschein“ zu leiten. Mit im Gepäck: Schallplatten, so viele, als würde Spotify nicht existieren, eine Sammlung an Coffee Table Books, die immer weiter wächst, und natürlich Möbel, die unverkennbar „Kopenhagen“ rufen. All das setzte er wie selbstverständlich in einem altitalienischen Apartment in Szene und verbindet nahtlos Italo-Kitsch mit dänischer Coolness, immer darauf bedacht, etwas Nachhaltiges zu schaffen. Von Trends hält er nämlich nicht viel, viel lieber flaniert der 30-Jährige über die Vintage-Märkte Italiens, von Meran bis nach Mailand, und hält nach Einzelstücken Ausschau, die seine Persönlichkeit widerspiegeln – und mit denen er seine eigene Geschichte in Zukunft weiterschreiben kann.
#thirtysomething bei Emanuel Sax in Bozen
AD: Lieber Emanuel, erzähl uns ein wenig von deiner Kindheit. Wo kommst du her, wie bist du aufgewachsen?
Emanuel: Ursprünglich stamme ich aus Mühldorf am Inn, einer Kleinstadt zwischen München und Passau, wo meine Eltern ein altes Kaffeehaus besaßen. Meine ganze Kindheit spielte sich dort ab: Wir haben am Tag die Gäste begrüßt oder Kuchen serviert, nachmittags hausgemachtes Eis geschleckt und nachts im „Guckerl“ (die Durchreiche) Verstecken gespielt. Gleichzeitig waren wir schon damals viel am Reisen, wodurch sicherlich meine Leidenschaft für die Hotellerie und das Design entstand.
Dich zog es von München nach Kopenhagen, von Kopenhagen nach Bozen. Ein ungewöhnlicher Schritt. Wie kam das?
Ich glaube, rückblickend war jeder Umzug, den ich gemacht habe, vorwiegend berufsbedingt. Nach Mühldorf am Inn war München zunächst der nächstmögliche Schritt raus aus der Kleinstadt, um dort meine Ausbildung zu machen. Nachdem ich einige Zeit Erfahrung in der Grande Hotellerie gesammelt hatte, vom „Adlon“ bis hin zu „Schloss Elmau“, merkte ich schnell, dass ich kreativer arbeiten wollte. Das war in den Traditionshäusern schlichtweg nicht möglich. Also entschied ich mich für ein weiteres Studium in Den Haag in Holland, meine Bachelorarbeit wiederum schrieb ich bei „25Hours“ in Hamburg. Zu dem Zeitpunkt hatte die Gruppe bereits Pläne in Kopenhagen, und ich sollte nach der Uni als Junior Operations Manager das Hotel mit eröffnen. So kam der Umzug.
Und anschließen ging es vom hohen Norden in den Süden?
Als das Projekt an sich zu Ende war, kam wie aus dem Nichts eine Nachricht von Klaus Dissertori, der zusammen mit seinem Bruder Moritz unter anderem das „Parkhotel Mondschein“ besitzt. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, im Hotel als Direktor einzusteigen. Ich flog kurzerhand nach Bozen, lernte die zwei kennen – und den Rest kann man sich denken.
Lass uns über Bozen sprechen. Was für ein Bild hattest du von der Stadt?
Ehrlich gesagt gar keines. Ich bin in die meisten Städte gegangen ohne Vorstellung, jedoch mit dem Wissen, dass ich bezüglich der Ausbildung oder dem Job einen Anschlusspunkt habe. Konkret war Bozen für mich immer ein Durchfahrtsort in Richtung Italien gewesen, doch dann kam ich hierher, lernte Klaus und Moritz kennen oder auch Linda von Monocle, und wusste, hier fühle ich mich wohl.
Und jetzt, wo du hier bist, wie lebt es sich so in Bozen? Was schätzt du am meisten?
Man merkt klar den italienischen Einfluss. Hier ist alles ein bisschen langsamer, der Druck, mitzuhalten, ist um einiges geringer. Auch herrscht wahnsinnig viel Emotion, was das Ganze anstrengender macht, aber auch aufregender. Manchmal komme ich mir vor wie in einer typischen Telenovela.
Wie hat sich dein Leben hier für dich verändert?
Kopenhagen war sehr schnelllebig. Ständig hat eine neue Bar oder ein neues Restaurant eröffnet, das man unbedingt ausprobieren musste – so fühlte es sich jedenfalls an. Hier merke ich, wie ich immer mehr zur Ruhe komme und man dabei lernt, die kleinen Dinge im Alltag wieder wertzuschätzen. Die Herren, die jeden morgen am Banco ihren Kaffee trinken, sind das beste Beispiel.
Du wohnst quasi im „Mondschein“ nebenan: Wie klappt das mit der Work-Life-Balance?
Mittlerweile besser. Ich versuche, bewusst Zeit zu Hause zu verbringen, für mich zu kochen und Freunde einzuladen. Auch durch den Hund ist hier mehr Leben eingekehrt.
Wie sieht denn ein klassischer Tag bei dir so aus? Insofern es den gibt.
Ich stehe auf, mache Musik an und brühe mir meinen Filterkaffe. Das ist sehr deutsch, die Italiener trinken keinen Filterkaffe. Dann gehe ich eine halbe Stunde mit dem Hund raus, durch die Villen und Weinberge. Und dann bin ich in der Arbeit, strukturiere mich dort, schreibe meine To-dos und starte den Arbeitstag. Ich drehe meine Rundgänge durch das Hotel, treffe Gäste und schaue nebenbei, dass alles ästhetisch ist. Abends versuche ich, eine Runde Sport einzubauen, ob mit dem Rennrad oder dem Hund.
Nun aber zeitlich einen Sprung zurück. Wie hast du, während deiner Suche, den Wohnungsmarkt hier in Bozen erlebt?
Durch die Studenten der Universitäten ist die Nachfrage auf jeden Fall groß. Es wird viel gemietet, wobei das meiste über den Makler oder private Kontakte geht. Vereinzelt gibt es auf jeden Fall sehr charakteristische Objekte und Altbauwohnungen, die – genauso wie man es sich vorstellt – sehr italienisch, sehr shabby chic sind – meiner Meinung nach Wohnungen, aus denen man einiges rausholen kann.
Und wie bist du dann auf deine Wohnung gestoßen?
Ich hatte großes Glück. Klaus und Moritz hatten für den Hoteldirektor des „Parkhotels“ bereits zwei Wohnungen in der Hinterhand, ein neueres Objekt mit Garten und diese. Ich sah mir beide an und wusste schon bei der ersten Besichtigung, dass ich die Altbauwohnung hier möchte. Mir war es wichtig, dass ich selber noch etwas verändern und meine Persönlichkeit einbringen kann.
Wie sah die Wohnung denn ursprünglich aus?
Von der Struktur ehrlich gesagt genau so, wie man sich das Zuhause einer alten, italienischen Nonna vorstellt: Geflieste Böden, Einbauten aus dunklem Holz, hohe Türen mit Glaseinsätzen und Messingbeschläge – alles Dinge, die ich persönlich charmant fand und behalten wollte.
Du lebst diesen Italo-Kitsch aber auch sehr.
Ich mag das Nostalgische, ja. Wenn Objekte Vergangenheit haben und eine eigene Geschichte erzählen.
Ist das auch der Grund, dass du dich vorwiegend mit Vintage-Möbeln umgibst?
Ja, definitiv. Ich finde es toll, wenn ein Gegenstand für jemand anderen bereits einen emotionalen Wert besaß und ich dem Objekt dann in einem anderen Kontext ein zweites Leben geben kann. Die große Kommode im Schlafzimmer stand früher mit Sicherheit in einem Wohnzimmer, die Bar im Eingangsbereich diente dem Vorbesitzer höchstwahrscheinlich als Schreibtisch. Meiner Meinung nach machen all diese Dinge einen Raum emotionaler und spannender, man kann entdecken und erzählen.
Wie bist du bei der Einrichtung vorgegangen? Bist du von Anfang an einer Strategie gefolgt, oder ist die Wohnung mit dir gewachsen?
Mir gefällt der Gedanke, mit dem Zeitgeist zu gehen und gleichermaßen das Alte sprechen zu lassen. Und genau das wollte ich bei dieser Wohnung auch. Die Idee war also, Vintage-Möbel und Neues miteinander zu kombinieren, um so etwas Nachhaltiges entstehen zu lassen.
Und das Neue stammt in deinem Fall aus deiner Zeit in Kopenhagen?
Mehr oder weniger, ja. In Kopenhagen lebte ich in einer dieser coolen Stadtwohnungen und wollte zum ersten Mal auch in Möbel investieren. Ich kaufte also vieles neu, das meiste von Hay, Frama, Tekla – die typisch dänischen Brands eben.
Und stelltest sie dann geradewegs in ein italienisches Setting. Widerspricht sich das nicht?
Ganz im Gegenteil. Ich mag es, wenn Stile sich gegenseitig brechen. Das machen viele derzeit. Necchi Architecture aus Paris ist ein tolles Beispiel dafür, doch auch Größen wie Karl Lagerfeld oder Yves Saint Laurent arbeiteten in ihren Interiors stark nach diesem Prinzip.
Du spielst also ständig mit Kontrasten.
Das kann man so sagen, ja. Ich versuche, Schwerem etwas Leichtes gegenüberzusetzen, Nostalgisches mit Modernem zu paaren, kombiniere also beispielsweise Wurzelholz mit Lack, Vintage-Fliesen mit Möbeln aus Edelstahl. Das übergeordnete Ziel ist aber ganz klar, das Wohnliche und das Behagliche eines Zuhauses beizubehalten.
Gibt es denn einen Raum, in dem du am liebsten deine Zeit verbringst?
Ich mag das Wohnzimmer sehr, es ist alleine schon wegen seiner beschaulichen Größe so gemütlich. Ich hatte immer diese Vorstellung, hier am Abend mit meinen Freunden zu sitzen, zu essen, zu trinken, Schallplatten zu hören und irgendwann gemeinsam um den Tisch zu tanzen. Und genau das ist so auch schon passiert.
Was hat mit dem umlaufenden roten Strich an der Wand auf sich?
Der ist noch gar nicht alt. Neulich stand ich mit einem Bekannten hier im Raum, und wir haben uns gefragt, was denn noch fehle. Zu dem Zeitpunkt wirkte alles noch etwas leer. Auf einmal kam ihm die Idee, schlichtweg einen umlaufenden Strich an die Wand zu malen, etwa auf Deckenhöhe. Wir klebten also alles ab und zogen die Linie. Ich mag das Ergebnis sehr, es gibt dem Raum Struktur.
Du sagtest vorhin, Vintage-Möbel bringen eine eigene Geschichte mit sich. Über welches Stück gibt es am meisten erzählen?
Ganz klar die alte Viscontea-Leuchte im Wohnzimmer. Ich war mit Moritz hier in der Gegend unterwegs, um Orte zu scouten. Da stoßen wir plötzlich auf ein Hotel, das von außen völlig verschlossen und nicht mehr betrieben schien. Aus den Augenwinkeln sah ich dann einen Wintergarten, in dem nebeneinander aufgereiht ca. 20 von diesen Vintage-Leuchten standen. Zu Hause haben wir umgehend versucht, Kontakt aufzunehmen, und konnten den Besitzer sogar ausfindig machen. Am nächsten Tag fuhren wir also wieder dorthin und packten elf der Leuchten ein. Und eine davon hängt nun hier.
Passiert dir so was öfter?
Dass wir sozusagen alte Keller leer räumen? Nicht direkt, aber es ist beeindruckend, was Italiener:innen für Vintage-Schätze in ihrem Zuhause haben. Das merkt man alleine, wenn man über all die Floh- und Antikmärkte hier geht. Nahezu alle meine Glasvasen- und Objekte fand ich dort. In Meran beispielsweise findet immer am letzten Samstag des Monats entlang des Passers ein Flohmarkt statt, in Padova am dritten Sonntag jeden Monats. Auch die Märkte in Mailand und Venedig sind toll.
Wie geht man denn auf Vintage-Suche in Italien? Hältst du ganz gezielt nach Dingen Ausschau, oder lässt du dich intuitiv treiben?
Mit einem Ziel hinzugehen, klappt meistens nicht – zumindest bei mir. Am besten ist es, unvoreingenommen zu sein, sich treiben zu lassen und zu schauen, was einem ins Auge springt. Und keine Angst vor dem Verhandeln haben, das geht gut hier.
Hast du mehr solcher Tipps für den Kauf von Vintage-Möbel?
Gerade meine großen Vintage-Möbel kaufe ich vorwiegend online, sei es auf Pamono oder Ebay Kleinanzeigen. Hier versuche ich, auf irgendeine Weise einen Draht zu dem Verkäufer oder der Verkäuferin aufzubauen, um im Bestfall noch mehr Infos über das Objekt zu erfahren. Das klappt auch meistens ganz gut. Der Vorbesitzer der Artemide-Leuchte hatte mich beispielsweise gleich auf sein Landgut am Wolfgangsee eingeladen. Ich mag das, so entstehen Geschichten.
Was ist dein neuester alter Zugang?
Ganz neu habe ich die kleine schwarze Vase, die an der Wand im Wohnzimmer hängt. Ich entdeckte sie vor wenigen Tagen auf dem Flohmarkt in Meran. Eigentlich wollte ich gar nichts kaufen, aber sie stand da und musste einfach sein. Ansonsten ist das große rote Lackregal im Flur erst vor Kurzem hier eingezogen – ein Ebay-Fund aus Berlin. Ich hatte unmittelbar das Bild vor Augen, wie daraus eine Home-Bar entstehen könnte und ich Gäste schon beim Betreten einen aperitivo anbieten könnte.
Gibt es noch ein Objekt, nach dem du gerade gezielt Ausschau hältst?
Ich habe die letzten Monate so viel gesucht und bin ehrlich gesagt gerade auch sehr zufrieden, so wie es ist. Das große Ganze steht, jetzt kommen die Kleinigkeiten – ganz ohne Druck.
Meinst du, dich zieht es in Zukunft noch woanders hin?
Im Moment nicht, nein. Ich verspüre zum ersten Mal nicht den Drang, noch voranzukommen. Ich bin ein Mensch, der allgemein viel Veränderung braucht, doch die bekomme ich Tag für Tag im Hotel. Gerade bin ich auf einem sehr guten Weg, hier wirklich anzukommen.
Produktion: Anna Busch
























