Renovierung in London: Zu Hause bei Julia Haghjoo und ihrer Familie.
Wie renoviert man auf respektvolle Weise ein viktorianisches Haus in London und lässt dennoch eine persönliche Note mit einfließen? Genau der Frage ging Julia Haghjoo nach. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Adam und ihrer kleinen Tochter Alba bezog die Art und Creative Director ein denkmalgeschütztes Townhouse im Westen der Metropole. Dabei wollte die kleine Familie gerade kein fertig saniertes Haus erwerben, sondern ein Objekt zum Renovieren, um ganz und gar ihr eigenes zu Hause zu kreieren. Wer sich ein wenig auskennt, weiß jedoch, wie viel Aufwand und Vorschriften mit einer derartigen Renovierung verbunden sind. Wir trafen Julia Haghjoo zum Gespräch, und sie verrät uns, wie sie und ihr Mann ihr Traumhaus schufen.
Julia Haghjoo über die Renovierung ihres denkmalgeschützten viktorianischen Townhouse
Julia, du kommst ursprünglich aus Hamburg, was hat dich nach London verschlagen?
Julia Haghjoo: Mein Beruf hat mich um die ganze Welt reisen lassen. Nach ein paar Jahren bin ich dann nach Paris gezogen, und zu der Zeit habe ich auch meinen Ehemann Adam kennengelernt. Er stammt aus London, und dann mussten wir uns als Paar eben entscheiden, wo man leben möchte.
Paris war für euch beide keine Option?
Für eine Zeit dachte ich, Paris ist meine Stadt und dass ich dort alt werde. Paris ist ein Ort, den ich liebe und der mich kreativ aufblühen lässt. Aber wir wussten auch, dass wir mal eine Familie gründen wollen und dachten zunächst darüber nach, was das eigentlichen bedeutet. Dafür haben wir erst mal Pro und Contra abgewägt. Aber um Kinder großzuziehen, bietet London mit seinen Grünflächen und den Ausbildungsmöglichkeiten einfach mehr.
Der Wohnungsmarkt in London ist durchaus herausfordernd, was für ein Objekt habt ihr gesucht?
Der Londoner Wohnungsmarkt ist wild. Wir haben uns einiges angeschaut. Aber wir standen auch nicht unter Zeitdruck, damals hatten wir ja noch kein Kind, sodass wir erst mal nicht auf den Platz angewiesen waren. Wir wussten, dass wir früher oder später ein period home, idealerweise aus der viktorianischen oder georgianischen Zeit, kaufen möchten. Das Haus sollte genügend Platz haben, um irgendwann mal eine Familie gründen zu können, es sollte einen Garten haben und sich im Idealfall im Londoner Westen befinden. Mein Ehemann ist in dem Teil der Stadt auch aufgewachsen, und wir haben die Jahre zuvor dort verbracht. Zudem sollte das Objekt nicht renoviert sein, wir wollten nämlich die Challenge annehmen und uns ein Haus wirklich zu unserem eigenen machen. Dann kam 2020 die Pandemie, und wir haben online das Haus entdeckt, das all diese Kriterien erfüllt hat.
Wie war es, als ihr das Haus zum ersten Mal besichtigt habt: War es Liebe auf den ersten Blick?
Die meisten Leute sagen immer: „Ich habe mich sofort verliebt.“ In dem Falle handelte es sich um ein denkmalgeschütztes viktorianisches Haus von 1850, aber es befand sich in einem sehr stark veralteten Zustand, so war es für uns erst mal schlecht vorstellbar, wie es einmal ausschauen könnte. Bei einem Haus, das man renovieren möchte, hat man einfach nicht diesen „Wow“-Effekt, weil nichts für dich gemacht ist. Auch bei diesem Haus standen viele Herausforderungen im Weg, aber von all den Immobilien, die wir schon besichtigt hatten, hat es am besten zu uns gepasst und uns in seinen Bann gezogen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden und es auch zum Glück bekommen.
Die Tücken einer Renovierung eines denkmalgeschützten Hauses
Ein denkmalgeschütztes Gebäude zu renovieren, ist meist mit einigen Hürden verbunden. Wie erging es euch?
Das Haus wurde zuletzt in den Sechzigern von dem vorherigen Eigentümer renoviert, dabei ließ er viele Originalelemente entfernen oder verbaute sie sogar. Damals gab es noch nicht so genaue Bauvorschriften wie heute. Wir hatten also jede Menge zu tun; einige Leute wären sicher davor zurückgeschreckt, aber wir wollten das Haus zu unserem machen. Dabei war es unser Hauptziel, die Originalelemente wieder hervorzuholen. Ich sage immer: Das Haus ist wie eine alte Dame, die sehr, sehr viel Aufmerksamkeit benötigt. Und wir wollten, dass sie wieder aufblüht, wie eine schöne Blume. Um das zu erreichen, benötigten wir natürlich Hilfe. Da es ein denkmalgeschütztes Haus ist, haben wir sehr eng mit einem Heritage Consultant zusammen gearbeitet. Ohne ihn wäre es sicher nicht so geworden, wie es jetzt ist. Er hat sehr viel recherchiert, was wir überhaupt an dem Haus verändern und wie wir die Originalelemente wieder zurückholen können. So haben wir strategisch daran gearbeitet, die alte Dame wieder zum Strahlen zu bringen.
Manchmal entdeckt man bei derartigen Restaurierungen überraschende Elemente. Hattet ihr einen ähnlichen Fall?
Es gab zwei Doppeltüren im Salon, die sich hinter einer Wand versteckten, die mussten natürlich wieder hervorgeholt werden. Sie sind 200 Jahre alt, sie hatten es verdient, wieder ans Licht zu kommen. Einige der Kamine wurden auch entfernt, es gab nur noch einen Kamin, der intakt war. Außerdem war der Stuck schon zahlreiche Male überstrichen worden, der musste also auch noch mal strukturiert werden.
Hattet ihr Hilfe?
Für die Renovierung haben wir mit einem Architekten und eben einem Heritage Consultant zusammengearbeitet. Dem Interiordesign nahm ich mich an. In der Pandemie hatten wir glücklicherweise genug Zeit, alles vorzubereiten. Ich habe mir erst mal Bücher gekauft und viel online recherchiert, um die viktorianische Architektur vollends zu verstehen. Darauf basierend habe ich auch dann auch meine gestalterische Strategie verfolgt. Ich wollte das Haus sehr respektvoll und einfühlsam gestalten, um dann herauszufinden, wie wir unsere eigene Ästhetik und Alt und Neu miteinander vereinen. Das war gar nicht so einfach. Gott sei Dank haben mein Ehemann und ich den gleichen Stil.
So richtete Julia Haghjoo das Haus ein
Womit hast du dann gestartet?
Ich habe mich erst mal mit den Wandfarben beschäftigt. Ich musste zunächst die „Foundation“ schaffen. Das mache ich in der Mode, bei meinen Stylings etwa, genauso. Dafür arbeitete ich mit einer Farbberaterin zusammen. Ich habe mir genau angeschaut, wie jeder Raum zu welcher Tageszeit wirkt und welche Farben gut passen könnten. Ursprünglich waren die Wände in viktorianischen Häusern immer sehr dunkel gehalten. Ich wollte es aber nicht zu schwerfällig wirken lassen und einen Mittelweg finden. Dabei hat mir auch die Fachberaterin geholfen. Sie fragte mich damals: „Okay, wir haben das historische Haus im Hinterkopf, aber wer bist du als Person? Was ist für dich wichtig?“ Ich wollte in irgendeiner Form ein hanseatisches Blau einsetzen, das mich an meine Heimat Hamburg erinnert, und habe mich dann für ein blasses Blaugrau im Treppenhaus und den Fluren entschieden. Darauf haben wir die anderen Wandfarben dann aufgebaut.
Wie ging es dann weiter?
Die beiden drawing rooms – heute würde man diese Art von Räumen vermutlich als Salons bezeichnen – wollten wir in ihrer Funktion unbedingt erhalten. In Anlehnung an ein viktorianisches Dunkelgrün entschieden wir uns für ein Salbeigrün. Einer der Salons war komplett mit Tapete verkleidet. Das wollte ich so nicht nachahmen, weil es zu schwer wirken könnte. Also haben wir uns entschieden, nur eine Wand mit einer handbemalten Blumentapete zu tapezieren, die zum einen zur Epoche des Hauses passt, aber zum anderen auch eine Hommage an den Kirschbaum vor und den Magnolienbaum hinter unserem Haus ist.
Wie hast du dann das Mobiliar ausgesucht?
Als das Farbkonzept stand, war es für mich ganz leicht, mit den Möbeln, Vorhängen und Accessoires fortzufahren. Einige Objekte hatten wir schon in unserem Fundus, wie das „Arne“-Sofa von B&B Italia im Salon, das wir neu aufpolstern ließen. Mit ein paar Dingen haben wir uns aber auch mehr Zeit gelassen, so kamen die Teppiche im Salon auch erst vor ein paar Wochen hinzu. Manchmal muss man auch erst mal in einem Haus leben, um zu wissen, welche Elemente es noch braucht.
Wo kauft ihr am liebsten eure Möbel?
Für uns ist der Mix aus klassisch und zeitgenössisch ganz wichtig, ebenso der Mix aus alt und neu. Das Haus hat uns in seiner Art ja auch schon eine Vorgabe gegeben. Wir wollten aber auch nicht, dass es zu old fashioned aussieht. Einige Möbel stammen von unseren Familien, weil sie gut ins Haus passten, aber es spielt für uns ohnehin eine wichtige Rolle, dass die Objekte eine Geschichte und einen Charakter innehaben. Ansonsten schauen wir auch viel in Antiquitätenläden oder bringen Accessoires von unseren Reisen mit.
Wie würdest du euren Stil beschreiben?
Wir hatten hier natürlich Vorgaben, aber ich finde, ich habe ein Mix aus britischem, italienischem und nordischem Interior geschaffen – so würde ich auch meinen Stil beschreiben.
Empfangt ihr gerne Gäste?
Wenn wir Freunde und Familie einladen, ist es das Schönste für uns, zusammen zu kochen. Dementsprechend brauchten wir einen großen Esstisch, den wir jüngst auch noch mal ausgetauscht haben. Im Sommer laden wir auch gerne in den Garten zum Barbecue ein.
Und würdest du im Rückblick irgendetwas anders machen?
Das ist eine gute Frage, ich glaube nicht. Natürliche bringt jede Renovierung Herausforderungen mit sich, wir haben Dinge falsch gemacht, einiges hat nicht funktioniert, aber wir haben, auch als Paar, viel durch das Projekt gelernt. Es war herausfordernd, aber wir lieben Herausforderungen.
Hast du einen bestimmten Lieblingsraum?
Es kommt darauf an, zu welcher Tageszeit. Wenn ich mit meiner Tochter und mit meiner Familie zusammen bin, würde ich sagen, dass wir die meiste Zeit im Untergeschoss sind, in der Küche, im Ess- und Wohnzimmer. Wenn ich alleine bin, liebe ich unsere drawing rooms; hier kann ich zur Ruhe kommen und meine Batterien aufladen oder Freunde und Familie zum Kaffee, Tee oder zu Drinks einladen.
Meinst du, euch zieht es in Zukunft noch mal woanders hin?
Man weiß nie, was in der Zukunft passiert. Jetzt haben wir aber erst mal unsere Samen gesät und wachsen mit unserem Zuhause.
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Produktion: Anna Busch

























