So wohnen Linda Käckermann und Lina Mackeprang in Hamburg.
Wer sich länger im Zuhause von Linda Käckermann und Lina Mackeprang umschaut, bemerkt, dass das Paar nicht nur behutsam mit den Designschätzen umgeht, sondern auch miteinander. Ihre Wohnung wirkt wie ein Ort, an dem man aufeinander acht gibt – und wie eine Einheit erscheinen die beiden, die so selbstverständlich miteinander funktionieren wie die Vintage-Möbel aus den Siebzigern, die sie sammeln.
Lina Mackeprang ist Fotografin, Linda Käckermann hat während der Corona-Pandemie in Hamburg den Vintage-Shop „Ain’t No Trash“ eröffnet, der sich innerhalb kürzester Zeit als wichtige Adresse für gebrauchte Möbelklassiker etabliert hat. Seit über fünf Jahren sind die beiden ein Paar, im Sommer haben sie ihrer Altbauwohnung das erste Mal für einige Monate den Rücken gekehrt, um mit noch mehr Liebe füreinander und das eigene Zuhause zurückzukehren.
#thirtysomething bei Linda Käckermann und Lina Mackeprang
AD: Ihr habt im Sommer eine Auszeit von Hamburg genommen und eine längere Pause gemacht. Wie war es, nicht in der eigenen Wohnung zu sein?
Linda: Stressiger als erwartet (lacht)…
Lina: Allerdings ist es ein schönes Gefühl, das eigene Zuhause auch einmal zu vermissen. Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr und vergisst, was man hat.
Wie lange wohnt ihr schon in eurer Wohnung? Seid ihr ursprünglich aus Hamburg?
Linda: Seit fast drei Jahren. Ich bin im Westerwald aufgewachsen und vor zehn Jahren nach Hamburg gezogen, das hat sich irgendwie ergeben. Ich war vorher viel im Ausland, in Istanbul und Amsterdam, und habe immer ein bisschen die Ferne gesucht. Kennengelernt haben Lina und ich uns im Sommer 2018. Mit einer kurzen Unterbrechung, als wir ein Jahr in Berlin zusammen waren, haben wir seitdem in Hamburg gelebt.
Lina: Ich bin damals nach Hamburg gekommen, um hier eine klassische Ausbildung zur Produktfotografin zu machen. Danach habe ich hier erst als selbstständige Fotografin gearbeitet, aber schnell gemerkt, dass ich noch kreativeren Input brauche, und habe dann in Berlin Fotografie an der Ostkreuzschule studiert. Linda ist zum Glück mitgekommen. Danach sind wir wieder zurück nach Hamburg gezogen.
„Ain’t No Trash“ enstand nach einer Phase des Stillstandes
Linda, du hast während der Corona-Pandemie den Vintage-Shop „Ain’t No Trash“ eröffnet. Was hast du vor deiner Gründung gemacht? Hattest du vorher schon mit Design zu tun?
Linda: Vor der Gründung habe ich im Marketing gearbeitet, war dann aber für eine längere Zeit krankgeschrieben. Ich leide seit meiner Jugend an Depressionen und habe immer wieder Phasen, die sich nach Stillstand anfühlen. Wenn ich dann später auf diesen vermeintlichen Stillstand zurückblicke, merke ich aber meistens, dass ich etwas daraus ziehe. Aus der letzten Phase heraus habe ich „Ain’t No Trash“ gegründet. Ich hatte schon immer eine Faszination und ein Gefühl für Materialien und Formen und habe damals mein Fachabitur in Bautechnik absolviert. Ich hatte das Konzept für den Shop im Kopf und ein gutes Bauchgefühl – so hat es angefangen. Ich habe Möbel zusammengetragen, begonnen zu kuratieren und im November das Studio eröffnet. Den Space habe ich ganz klassisch übers Internet gefunden. Ich habe vorher selten einen Fuß nach Niendorf gesetzt. Aber als ich in dem Raum stand, konnte ich mir alles direkt vorstellen. Dann haben wir renoviert – und es hat sich bestätigt, dass es der perfekte Raum für „Ain’t No Trash“ ist. Lina hat mich dabei immer als Fotografin unterstützt.
Die Eröffnung eines Möbelgeschäfts ist ja nicht nur ein psychischer, sondern auch ein körperlicher Kraftakt. Wie ist dir das gelungen?
Linda: In dem Moment war es vor allem ein Gefühl, dem ich nachgegangen bin – und es hat mir auch Kraft gegeben. Die Gründung war wie ein Energiebooster, verbunden mit vielen Adrenalinschüben, weil sich da etwas Neues und Aufregendes für mich entwickelte. Ich habe in Hamburg einen Ort vermisst, der mich einlädt, Objekte zu fühlen, und der mich inspiriert. Mit „Ain’t No Trash“ habe ich ihn selbst geschaffen.
Jedes einzelne Objekte hat eine Geschichte
Inwiefern verwebt sich das Geschäft mit eurem Zuhause? Habt ihr vorher auch schon so kuratiert gewohnt?
Linda: Das war tatsächlich vorher schon so. Ich habe während des Studiums angefangen, dass ich – auch budgetbedingt – immer nach Secondhand- und Vintage-Objekten gesucht habe. Irgendwie hat es sich ergeben, dass sich das auch in unserer Beziehung und der ersten Wohnung so zusammengefügt hat. Ich habe immer schon ein Gefühl, wo ein Objekt hinpassen könnte. Aber wir arbeiten jetzt auch nicht mit einem Konzept. Es ist auch manchmal ein bisschen wild und chaotisch – aber darin finde ich immer meine größte Inspiration und auch Kreativität. Ich glaube, unser Stil hat sich gemeinsam entwickelt. Ich kann nicht sagen, dass Lina diesen einen Geschmack hat und ich einen anderen – unser Empfinden für Ästhetik ist zu einer Einheit verschmolzen. Das spiegelt sich auch in der Wohnung wider.
Lina: Und selbst wenn wir uns einmal uneinig sind, schaffen wir es am Ende, die andere zu überzeugen.
Wie findet ihr Objekte?
Linda: Wir haben keine Liste mit bestimmten Designer:innen im Kopf, die wir unbedingt sammeln wollen. Wir schauen lieber, ob ein Objekt etwas mit uns macht. Meist suchen wir also gar nichts Bestimmtes, die Dinge begegnen uns eher. Sowohl im Privaten als auch für „Ain’t No Trash“. Aber jedes einzelne unserer Objekte hat eine Geschichte. Es gibt nichts, was nur stupide neu gekauft wurde, nicht einmal Teller und Löffel. Besonders am Herzen liegt mir die Palmenleuchte von Hans Kögl. Die fällt stilistisch ein bisschen raus aus dem Rest der Wohnung, aber es ist ein Erbstück und bedeutet mir wahnsinnig viel. Wir haben viele Design- und Fotobücher, die wir sammeln. Das inspiriert mich sehr, viel mehr als ein Pinterest-Board. Ansonsten merke ich immer wieder, dass wir in unserer Beziehung gegenseitig unsere größte Inspiration sind.
Lina: Ich persönlich finde es immer interessant zu sehen, wie Objekte zu ihrer Zeit kombiniert wurden. Wir haben viele Möbel aus den Siebzigern, und ich liebe es zu sehen, wie Menschen damals gelebt haben. Oder Bilder von Gae Aulentis Haus und Studio in Mailand anzuschauen und in ihr kreatives Chaos und in ihre Schaffensprozesse einzutauchen. Wir sind beide sehr gefühlige Menschen und wissen schnell, was das Richtige für uns ist. Als uns damals das große Vintage-Krokodil von Steiff und Lacoste begegnet ist, wussten wir beide gleich, es gehört zu uns. Mittlerweile ist Fred, wie wir ihn getauft haben, ein toller Freund mit ansteckend guter Laune geworden. Ich glaube, das kann man auf jede Kleinigkeit, die wir in dieser Wohnung haben, beziehen. Vielleicht kann man auch sagen, dass die Objekte uns auswählen. Allerdings lieben wir alles aus Chrom, hochglanzpolierte Gegenstände und Möbel aus Kunststoff. Und wir haben einen Hang zu Absurditäten.
Ein Zuhause wie eine freundliche Umarmung
Wie etwa die riesige Zigarette im Schlafzimmer?
Linda: Genau, das ist eine Reklame aus den 80er-Jahren.
Lina: Drinnen steckt eine Neonröhre; wenn man sie anmacht, strahlt die Zigarette in etwa so doll wie die Sonne. Wir experimentieren zu Hause gar nicht so viel mit Farbe. Dafür haben wir relativ viele Fotografien und Kunst an den Wänden.
Lina, wie verhält es sich mit deinen eigenen Arbeiten? Dürfen deine eigenen Fotografien mit euch leben?
Lina: Ich glaube, dass Linda mich dazu bestärkt, dass sie bei uns hängen. Ich selbst wäre zu skeptisch mit meiner eigenen Arbeit. Hier hängen vor allem Fotografien, die mit Erinnerungen verbunden sind. Ich habe meine Abschlussarbeit an der Ostkreuzschule über Lindas Depression gemacht. Auch das ist ein Teil unserer Beziehung. Linda hat von Anfang an von ihren depressiven Phasen erzählt. Deshalb hat es hier genauso eine Berechtigung wie unsere Liebe. Es gehört zu uns dazu. Die Bilder sind innerhalb eines sehr intensiven fotografischen Prozesses entstanden. Dann sind dort noch die anderen Fotos: Die Unterhose auf der Wäscheleine habe ich an einem wunderschönen Sommertag aufgenommen, an dem wir Lindas Großmutter besucht haben.
Und wie ist es mit Sachen, die du für „Ain’t No Trash“ einkaufst, Linda? Würdet ihr alles am liebsten mit nach Hause nehmen?
Linda: Gerade am Anfang begegnet man tatsächlich so vielen Dingen, die man noch nie live gesehen hat und die man natürlich auch irgendwie am liebsten direkt in die eigene Wohnung einziehen würde. Aber man lernt auch, Möbel ziehen zu lassen. Es ist außerdem auch sehr schön zu wissen, dass man einem Objekt ein neues Zuhause gibt.
Die Wohnung ist das Intimste, was man zeigen kann
Habt ihr eigentlich eine Schmerzensgrenze, was den Preis eines Vintage-Stücks angeht?
Lina: Die verändert sich immer phasenweise, je nachdem, wie die Lebenssituation gerade ist. Aber wir haben keine fest definierte Grenze, weder mit Möbeln noch mit Kunst und Fotografien. Wir investieren, wenn es geht – aber es ist auch völlig okay, wenn es einmal nicht passt, weil der Preis zu hoch ist. Aber manchmal weiß man auch: Das begegnet uns vielleicht nie wieder. Das Wissen, dass die Objekte, mit denen wir leben, auch eine Art Anlage sind, macht es leichter.
Linda: Wir haben schon früh angefangen, Vintage zu kaufen, und natürlich könnte man viele unserer Möbel auch als Wertanlage betrachten. Wir investieren aber nur in Objekte, die wir auch mögen. Und wir sind Fans von Patina und würden niemals irgendwas nur anschaffen, was gefühlt nicht berührt werden darf. Es lebt ja alles mit uns. Ich kann mir gar nicht vorstellen, in einem Haus zu leben, in dem man sich nicht frei bewegen kann.
Wohnungssuche ist in keiner Großstadt einfach. Wie habt ihr diese Wohnung gefunden?
Linda: Ganz klassisch über den offiziellen Markt…
Lina: Aber es war ein krasser Prozess, eine Wohnung zu finden. Man freut sich ja, wenn man überhaupt zur Besichtigung eingeladen wird.
Linda: Ich glaube, wir waren den Vormietern dieser Wohnung sympathisch und sie durften uns vorschlagen. Aber ich finde es wichtig zu erwähnen, dass es als queeres Paar nicht unbedingt einfach ist, eine Wohnung zu finden. Wir haben ziemlich viele Absagen bekommen, weil die Leute dachten, dass wir eigentlich nur eine Wohngemeinschaft gründen wollen. Sie haben uns als Paar nicht ernst genommen.
Lina: Und nicht nur das. Wir haben viele unangenehme Sprüche während des Suchprozesses gehört. Für mich ist es als queere Frau unfassbar wertvoll, unsere Liebe repräsentieren zu können. Das ist wirklich eine Herzensangelegenheit für mich. Manchmal fühlen wir uns als queeres, kreatives Couple nicht sichtbar – dabei ist Sichtbarkeit doch gerade wichtiger denn je geworden. Wir merken, dass sich etwas negativ verändert, was Beobachtungen und Blicke in der Öffentlichkeit betrifft. Dann nimmt das eigene Unwohlsein zu, und das in einer Zeit, in der man sich eigentlich frei fühlen sollte. Da sehe ich die Gesellschaft in einer Rückwärtsbewegung. Es ist unbezahlbar, unsere Wohnung jetzt zeigen zu können und damit eine Plattform zu bekommen und sagen zu können, hier sind wir, queer, wir fühlen wie du, und wir sind wie du.
Linda: Die Wohnung ist natürlich das Intimste, was man zeigen kann. Weil es mir phasenweise nicht so gut geht, verbringe ich wahnsinnig viel Zeit zu Hause. Deshalb bedeutet sie mir auch so viel. Diese Wohnung ist mein Rückzugsort, sie ist wie eine Umarmung, die ich brauche.
Produktion: Thomas Skroch














