Lange war Terrazzo verpönt – dank Design-Größen wie Max Lamb feiert der fugenlosen Bodenbelag heute sein Comeback.
Momentan wird viel Forschung in neue Materialien gesteckt, in „Baumaterialien der Zukunft“, wie man sie gerne nennt. Pilze werden als Dämmstoff verwendet; Leder gibt es mittlerweile auch vegan und besteht nun aus pflanzenbasierten Stoffen wie Ananas oder Kaktus. Gleichzeitig jedoch erlebt viel vermeintlich Altes sein Comeback, sei es das Rauchglas der 70er oder der noch vor Kurzem notorisch gering geschätzte Teppichboden. Ähnlich wieder auf dem Vormarsch ist Terrazzo: ein fugenloser Bodenbelag, der aus Bindemitteln (meist Kalk oder Zement) und bunt eingestreuten Gesteinskörnern besteht, die plan geschliffen werden.
Woher kommt der Terrazzo Trend?
Hergestellt wurde Terrazzo bereits in der Antike, wie Grabungsfunde aus Pompeji und Herculaneum belegen. Später traf man ihn, bis zur distinguierten Eleganz poliert und mit reichen Ornamenten versehen, in den venezianischen Palazzi des 16. bis 18. Jahrhunderts. Mit der Zeit wurde der repräsentativ wirkende Bodenbelag dann auch in Deutschland populär, seine Blüte erlebte er in der Gründerzeit, damals galt er als Baumaterial der Stunde. Doch der Höhenflug währte nicht lange, schon die Nüchternheit der Moderne fremdelte mit seinem südlichen Glamour. Im Nachkriegsdeutschland erlebte Terrazzo noch einmal eine kleine Renaissance, diesmal allerdings nicht als vor Ort aufgebrachter Bodenbelag, sondern in Form von in Massen produzierten Formatplatten für Kirchen, Schulen, Ämter und Krankenhäuser. Von seinem seither angeschlagenen Ansehen befreit haben ihn Design-Größen wie Max Lamb oder Patricia Urquiola, die sich seines verstaubten Images annahmen und ihn mit frischer Farbgebung und neuen Formen wieder auf Vordermann brachten.
Terrazzo: Ein Allround-Talent mit Unikat-Charakter
Und den neuen Hype hat er sich redlich verdient, schließlich gibt es kaum einen vielseitigeren Werkstoff. „Das ist ja das Besondere an Terrazzo“, betont Stephanie Thatenhorst, Interiordesignerin aus München. „Man kann ihn als Boden einsetzen, für Wandgestaltungen benutzen oder auch nur als Ablagefläche im Nassbereich. Weil er so unempfindlich ist, lässt er sich ohne Weiteres nahezu überall verwenden, sogar im Außenbereich.“
Zudem ist Terrazzo nicht gleich Terrazzo. Als eine Mischung aus Granulat und Bindemittel besitzen letzten Endes jeder Boden und jede Platte einen eigenen Charakter in Erscheinungsbild und Zusammensetzung, denn sowohl die Bindung als auch die Körnung kann individuell bestimmt werden. „Früher wurden alte Ziegel oder lokale Steine in den Kalk gestreut, heute sind ganz viele Materialien denkbar“, erklärt Norbert Kummermehr, Geschäftsführer des in Bacharach ansässigen Fliesen- und Natursteinherstellers Via. Gilt Gestein, etwa Marmor oder Granit, nach wie vor als gängigster Zuschlagstoff, so werden mit Glas-Splitt nicht weniger gute Ergebnisse und Qualitäten erreicht. Dabei sei Glas laut Kummermehr ähnlich resistent wie eine Körnung aus Ziegel, Quarz oder Granit und daher besonders geeignet für stark beanspruchte Bereiche, etwa Fußböden oder Arbeitsflächen. „High Heels, Hundekrallen und Feuchtigkeit – alles kein Problem!“
Marmor hingegen ist eine relativ weiche und poröse Gesteinsart und somit anfälliger für Flecken und Kratzer. Das heißt jedoch nicht, dass ein Terrazzo mit aparter Marmor-Körnung nicht als Küchenarbeitsfläche oder gar als Bodenbelag dienen darf. Voraussetzung ist in diesem Fall eine entsprechende Imprägnierung und Pflege der Oberflächen.
Resistenz hin oder her: Eine Sorge, die potenzielle Kund:innen laut Kummermehr oftmals umtreibt, sei die Gefahr, dass Risse entstehen könnten. Vor allem wenn größere Flächen realisiert werden sollen. Ein Aspekt, den er rasch relativiert. „Tritt ein Riss auf, liegt das meist am Untergrund.“ Ein Anlass für Panik sei das aber nicht. „Schadstellen und Risse lassen sich mit einer Mischung, die der alten Substanz gleicht, ohne Weiteres ausbessern. Die wird eingespachtelt, überschliffen und ist optisch vom Original nicht zu unterscheiden.“ Und welches Fundament ist ganz grundsätzlich von Nöten? „Grob gesagt taugt jede tragfähige Basis, etwa auch alle gängigen Estrichböden“, sagt Kummermehr. Ebenfalls kein Problem: eine Fußbodenheizung im Beton-Unterbett. Dank seiner hervorragenden Wärmeleitfähigkeit wird der Terrazzo schnell wohlig warm.
Das richtige Match
Es sind sicher nicht nur die lange Lebensdauer und hohe Strapazierfähigkeit, die Terrazzo wieder aufleben lassen. Vor allem seine schier unendlichen Gestaltungsmöglichkeiten machen ihn so beliebt. „Die Farbpalette der Bindemittel ist ebenso uferlos wie die Vielfalt der Zuschläge“, sagt Juliette Arent, die zusammen mit Sarah-Jane Pyke das australische Interiordesign-Studio Arent & Pyke führt. „Von Körnungen in neutralen Tönen bis hin zu schimmernden Gesteinskörnern ist alles möglich.“ Das gelte auch für die Art der Streuung. Aktuell sieht man oft Terrazzo, bei dem die Zuschläge weniger sichtbar sind, die Füllmaterialien dafür deutlich mehr. So oder so: Die Größe der Körnung spielt eine entscheidende Rolle für den finalen Look. „Es macht einen Unterschied, ob man ihn mit großer oder kleiner Körnung verlegt“, sagt Thatenhorst. „Während man eine Mikrokörnung kaum wahrnimmt, ziehen große Zuschläge umgehend die Blicke an.“ Eine mittelgroße Körnung (0,5 bis 1 Zentimeter) hingegen wirke schnell unruhig, besonders in gewagter Farbgebung. Insgesamt rät die Innenarchitektin von allzu wilden Farbkombinationen bei Terrazzo ab, also beispielsweise von rotem Füllmaterial mit eingestreuten grünen und blauen Steinen. Und wie kombiniert man nun das vielfältige Material? Arent und Pyke wissen Rat: in einer Farbfamilie bleiben und Abwechslung schaffen durch Kontraste in der Textur. „Man könnte meinen, Marmor und Terrazzo vertragen sich nicht. Doch das geht einwandfrei!“, betont Pyke. Gleiches gelte für glänzende Zellige- oder matte Mosaik-Fliesen, sofern sie nicht gemustert sind. Überdies harmoniere Terrazzo unglaublich gut mit Messing, egal ob poliert oder brüniert, ergänzt Thatenhorst. „Das Gleiche gilt für Edelstahl und Chrom, auch Samt oder Holz funktionieren super.“ Vor allem elegante Hölzer empfehlen sich, beispielsweise Nussbaum. Marmor, Messing und Samt – das Muster wird schnell klar: Terrazzo braucht Partner mit Niveau.
Die besten Pflegetipps für Terrazzo
Gestalterische Ansatzpunkte in Hinblick auf Terrazzo kennen Sie nun. Doch wie steht es
um die Reinigung und Pflege? Ein kleiner Leitfaden.
Die allgemeine Pflege ist einfach. Das wichtigste Hilfsmittel bei der Reinigung von Terrazzo ist warmes, mit etwas Schmier-seife versetztes Wasser. Geputzt wird, ganz banal, mit einem Wischmopp oder einem Tuch.
Von chemischen Reinigungsmitteln und Allzweckreinigern ist abzuraten, da sie säurehaltig sind und die Versiegelung des Terrazzos beschädigen können. Vor allem Marmor oder Kalk-stein reagieren empfindlich auf Säure. Flecke sollten daher lieber zu früh als zu spät entfernt werden.
Die richtige Aufbereitung ist das A und O. Bereits bei der Erstverlegung wird Terrazzo mit einer Imprägnierung behandelt. „Sie verschließt die Kapillaren und verhindert, dass Öle, Fette oder Wasser eindringen“, erläutert Norbert Kummermehr, Geschäftsführer des Fliesenherstellers Via. Das gilt für drinnen wie draußen. Handelt es sich um einen Boden im Nassbereich, sollte zudem sichergestellt werden, dass eine Antirutschbehandlung erfolgt.





