Design trifft auf Kunst: Vaust Studio eröffnet einen neuen Space in Berlin und kuratiert mit Cør eine Collectible-Design-Ausstellung.
„Ich finde, dass Stühle Charisma haben sollten. Für mich hat jeder meiner Entwürfe eine ganz eigene Persönlichkeit“, sagt Martino Gamper. Er muss es wissen, denn der italienische Designer, der in London lebt, machte es sich zur Aufgabe 100 Stühle in 100 Tagen zu fertigen. Dafür verwandelte er auf der Straße gefundene Raritäten, verschenkte Objekte von Freund:innen oder Designklassiker in ganz neue Sitzmöbel. Das Ergebnis wird im Rahmen einer interaktiven Installation im Haus der Kunst in München präsentiert. Auf diese Weise möchte er Interaktionen im Raum und mit dem Raum selbst schaffen. Derselbe Ansatz gilt für den neuen Space von Vaust in Berlin-Schöneberg, der viel mehr als ein neues Studio ist – und neben charismatischen Sitzgelegenheiten weitere Besonderheiten birgt.
Kuriose Formensprache, interessante Materialauswahl und Anleihen, die zwischen sanft und robust hin und her wandern, verbinden all die Möbel, die Studio Vaust seit Mai im neuen Studio und Showroom zeigte. Dabei geht es um Entwürfe des Gründer-Duos Joern Scheipers und David Kosock, als auch Designs von anderen Künstler:innen und Designer:innen, die hier Platz fanden – stets darauf bedacht, das Besondere aus einer Materie, einer Linie, einem Lichtkegel, einem Alu-Hocker hervor zu kitzeln. „Culture First“ nennt sich das Ausstellungs-Format.
Studio mit Project Space: Vaust zeigt Objekte, die Design und Kunst zugleich sind
Und darum geht es doch bei Collectible Design, das Vaust auf diese Weise in Berlin beleben möchte. Das Einzigartige, Außergewöhnliche, Kulturelle steht im Vordergrund. Bei Vintages sind diese Aspekte klar mit ihrer seltenen Auflage und der großen, namhaften Designer:innen verbunden. Bei zeitgenössischen Designs verhält es sich ein wenig anders, sie bewegen sich, wie auch hier, oft an der Grenze zur Kunst, zeugen von Handwerk und Expertise – sie sind ungewöhnlich, brechen Normen und überraschen. Es braucht durchaus Mut und Kraft, Materialien zuwider ihrer Natur oder dessen, was sie zu verkörpern scheinen, zu formen. Doch das gelingt hier scheinbar mühelos: Aluminiumstühle agieren mit abgerundeten Lehnen und Füßen verblüffend sanft, massive Hocker glänzen in Gloss gekleidet um die Wette, Stein wirkt gar schwerelos und hängt am seidenen Faden, Sichtbeton erinnert in Miniatur an antike Säulen. Nicht umsonst spricht das Duo, das Vaust bildet, in diesem Kontext von Interiorskulpturen.
Suchen und finden: Zeitgenössisches Collectible Design im Spotlight
Dabei hat die deutsche Szene durchaus einiges zu bieten, man muss sie nur kennen, die Orte, wo Kunst auf Design und Räumlichkeit trifft, und Kreative außergewöhnliche Möbel entwerfen, die das Zeug dazu haben, zum Collectible-Design-Piece zu werden. In den Nachbarländern Italien und Frankreich mag das Bewusstsein dafür schon mehr vorhanden und die Suche nach ebendiesen Besonderheiten leichter fallen. Oft braucht es einen sanften, aber entschlossenen Schub, um weiterzukommen. Vaust Studio möchte den neuen Space für Künstler:innen unterschiedlichster Couleur öffnen, um zeitgenössisches Collectible Design und Raumgestaltung zu fördern. So tummeln sich hier Arbeiten von Glaskünstlerin Milena Kling, Produktdesigner Tino Seubert, des Pariser Studios Corpus, des künstlerischen Duos Alexandra Batten und Daniel Kamp, Werke von Atelier Illya Goldman Gubin, des Kölner Designers Carsten in der Elst, des Duos von 6:am Glassworks Edoardo Pandolfo und Francesco Palù und vielen mehr.
Berlin bis Paris: Vaust und Cør kooperieren für die Ausstellung „Culture First“
Doch damit nicht genug, es wird nämlich noch eine weitere Verbindung gefeiert: Vaust tat sich für „Culture First“ mit Cør Studio aus Frankreich zusammen. Die Ausstellung ist nun auf Wanderschaft gegangen, von Berlin nach Paris, genauer gesagt ins Viertel Marais, um Kunst und Design aufs Neue zu verbinden. Beide Studios nehmen Räume, Möbel und Kunstobjekte als Spiegel des Zeitgeists wahr, beide wollen Kreative vorstellen, die aktuell die lokalen Szenen beeinflussen. Und beide wollen Designer:innen zusammenbringen, Grenzen verschwimmen lassen, den Austausch fördern und zeitgenössisches Collectible Design sichtbarer machen. Denn es umgibt uns bereits.





