Studio Vaust richtete ein Apartment in Düsseldorf ein – und stellt Komfort infrage.
Die Willenskraft wird oft unterschätzt, dabei ist sie nicht so begrenzt, wie manch einer annehmen mag. Gerade in neuen Gefilden kann sie zu Höchstleistungen antreiben. „Wir haben private Wohnprojekte schon lange manifestiert“, sagt Joern Scheipers vom Berliner Studio Vaust. „Seit unserer Gründung schreiten wir ständig aus unserer Komfortzone. Private Residential ist für Vaust ein neuer Bereich, der auf uns emotionaler wirkt als bisherige Projekte. Als hätte man mehr Verantwortung – nicht aus baurechtlicher Perspektive, sondern durch die persönliche Brille gesehen“. Bisher designte Studio Vaust skulpturale Möbel aus Beton, Marmor, Aluminium, die stets an der Grenze zur Kunst entlang schrammten. Sie gestalteten Showrooms und Shops, so wie den Highsnobiety-Store in Berlin. Und erst kürzlich weihten sie ihr neues Studio, das zeitgleich Collectible Design Plattform ist, in Berlin-Schöneberg ein. Immer taucht sie dabei auf, ihre roughe und zugleich sleeke Designsprache. Scheinbare Gegensätze führen David Kosock und Joern Scheipers auch in ihrem jüngsten Projekt, einem Apartment in Düsseldorf, zusammen und geben so einmal eben lässig ihr Debüt im Private Residential Bereich.
Neoklassik trifft Jetztzeit: Studio Vaust integrierte Bestandselemente in ein modernes Interiorkonzept
Schauplatz der Kontraste ist ein historischer Altbau von ca. 1920. Das Apartment erstreckt sich über zwei Geschosse, oben liegt das Schlafzimmer und eines der Badezimmer. Der Fokus liegt jedoch auf dem Erdgeschoss, wo Studio Vaust den Grundriss öffnete und Küche, Wohn- und Essbereich nun fließend ineinander übergehen. Der neoklassische Bau trifft im Innenleben auf hypermodernes, klares, elegantes Interior. Wie das zusammengeht? Zum einen, indem sich historische Elemente, in diesem Fall die dekorativen Leisten und Gesimse, ihrer Berechtigung sicher sein und bleiben dürfen – mit neuem Anstrich in Weiß: „Es ist wichtig, dem Bestand zu huldigen und nicht all das Vorgefundene über den Haufen zu werfen“, sagt Joern Scheipers. „Gemeinsam mit den Kunden finden wir heraus, was erhaltenswert ist und was wiederum völlig neu gedacht werden kann. Diese Elemente verschmelzen wir dann mit unserem Konzept.“
Ein neuer und überraschender Moment ist die Küche. Ganz von selbst schweift der Blick vom Wohnzimmer aus hinüber zur schwebenden Metalltheke, die aus der Wand wächst und am Ende von einem transparenten Acrylglas-Zylinder gestützt wird. Sie sieht aber nicht nur schick und cool aus, sondern ist vollfunktionsfähiger Küchenblock mit Induktionsfeld und integriertem Dunstabzug. Was darüber hinaus passt, wie die Faust aufs Auge: die weiße, von Scheipers und Kosock entworfene Steinskulptur, die der befreundete Künstler Peter Boeck fertigte. Sie lässt sich durch zwei Scharniere öffnen und ist nicht ganz das, was sie vorgibt zu sein. „Unsere Antwort auf die wohl lauteste Revisionsklappe Düsseldorfs“, sagt Joern Scheipers.
Das Lieblingselement von Studio Vaust ist jedoch „die Öffnung des Esszimmers in den Garten“, die auf ein Maximum vergrößert wurde. Das monumentale, bis zum Boden reichende Fenster gibt den Blick frei in den grünen Außenbereich, lässt viel Licht herein und schafft einen fast nahtlosen Übergang zwischen Garten und Wohnen. Ebenso fließend sind Ess- und Wohnbereich miteinander verbunden, sie fördern Kommunikation und machen flexibel. Das hat einen wichtigen Hintergrund: Die Bewohner:innen lieben es, Gäste zu hosten.
Daran orientieren sich auch die Möbel, die miteinander interagieren. Gleichzeitig spinnen sie das Konzept der Kontraste weiter, vereinen Vintage-Design und Zukunft-Esprit. „Dr. Sonderbar“ von Philippe Starck, Frank Gehrys „Wiggle Chair“, Shiro Kuramatas „How High the Moon“-Metallsessel und die Stehleuchte „Tenderly“ von Shigeru Uchida haben große Auftritte. Sie setzen das Apartment in einen ganz neuen Kontext, sodass man sich fragt: ist Design Kunst und andersherum? Bei der Auswahl der Designermöbel tat sich Studio Vaust mit Gusch Düsseldorf zusammen, die ein starkes Portfolio in Sachen Collectible Design und anderen Objects of Desire vorweisen können.
Ob nun das Vintage-gespickte, elegante und selbstbestimmte Interiordesign den Komfortaspekt, der für viele ein Zuhause ausmacht, untergräbt? „Komfort unterliegt einer subjektiven Wahrnehmung“, verneint Joern Scheipers die Frage. „Ein Zuhause, jedes Zuhause, setzt sich aus vielen verschiedenen Komponenten zusammen, doch in der Summe ist immer das Ziel, ein ansprechendes Ensemble zu formen. Wir glauben nicht, dass Komfort sich wie ein roter Faden durch Konzepte ziehen muss – interessanter sind doch solche, die den Komfort infrage stellen und ihn übertrumpfen. It's a mindset!“








