Ein Paar wünscht sich einen Loft, in dem sie die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht machen können. Studio Karhard erfüllt ihnen diesen Wunsch.
Eine eigene Altbauwohnung in Berlin – Parkett, hohe Decken, Stuck und natürlich alles top saniert – wer würde nicht davon träumen? Nun, Niklas zum Beispiel. „Wir haben gezielt nach Industrie- oder Gewerbeimmobilien gesucht“, sagt der junge Deutsche, der seit einigen Jahren primär in den USA lebt. „Nach etwas richtig Robustem, wie man es nur in Deutschland findet.“ Und es gab einen weiteren Grund für diese Präferenz: „Viele Freunde von uns wohnen in typischen Berliner Altbauwohnungen – mit kleinen Räumen, die seltsam verteilt sind.“ Das entsprach nicht dem, was sich Niklas und sein amerikanischer Ehemann Michael vorstellten: Sie wünschten sich einen space for entertaining. Eine Art Loft, in dessen Mittelpunkt ein großzügiger, offener Wohn-, Ess- und Partybereich stehen würde. Fündig wurde das Paar schließlich in Kreuzberg. 2021 kauften sie eine im zweiten Stock gelegene Einheit eines ehemaligen Gewerbebaus, in einem ruhigen Hinterhof, frisch saniert und zum knapp 100 Quadratmeter großen Apartment ausgebaut, mit hochwertigem Parkett und Holzeinbauten. „Es war wirklich hübsch“, sagt Niklas. „Wir hatten nur das Gefühl: Das passt nicht wirklich zu uns.“ Und zur Historie des Hauses passte der gediegene Look eigentlich auch nicht.
Nachtclubs als Interior-Vorbild
Aus einem vagen Gefühl wurden bald erste Ideen. Viel mehr Stauraum bräuchten sie – die wenigen vorhandenen Einbauten reichten noch nicht mal, um das Gepäck der beiden zu verstauen, die zwischen Wohnsitzen in den USA und Europa pendeln und beruflich viel reisen. Mehr Helligkeit wäre auch gut – das Apartment hat nur zu einer Seite Fenster, dadurch lagen manche Bereiche im Dunklen. Und ein cooler Industrial-Look würde der Wohnung sicher besser stehen. Die beiden machten sich also auf die Suche nach einem Interiordesigner, der das Apartment ein wenig mehr auf sie zuschneiden sollte, und stießen schließlich auf Studio Karhard. Ein Freund hatte ihnen das von Thomas Karsten und Alexandra Erhard geleitete Büro empfohlen, das sich mit der Innenarchitektur des „Berghain“ und anderer Clubs einen Namen gemacht, aber auch schon Privatwohnungen gestaltet hat.
Das Paar schrieb eine E-Mail, die Antwort kam schnell – und es begann ein langer, gegenseitig inspirierender und letztlich äußerst produktiver Prozess. „Es war ursprünglich gar nicht geplant, einen kompletten Umbau zu machen“, erzählt Thomas Karsten, „aber wir haben uns dann gemeinsam schrittweise an einen relativ radikalen Entwurf herangetastet.“ Dessen Schlüsselelement ist – neben jeder Menge elegant integriertem Stauraum – eine Wand aus Glassteinen, die gewissermaßen die Wirbelsäule des neuen Grundrisses bildet. Sie trennt das Bad vom Schlafzimmer, windet sich dann um den loungeartigen Wohnbereich und trennt diesen schließlich von der halb offenen Küche ab. Die Glaswand lässt Tageslicht auch in die fensterlosen Bereiche (Entree, Bad) und bringt als Drehmoment zweier versetzter Achsen Schwung und eine gewisse Weichheit in den kantigen Grundriss.
Eine LED-gesteuerte Glaswand als Mittelpunkt der Wohnung
Auch stilistisch gibt die Glaswand den Ton vor, indem sie auf das Industriethema einzahlt und es mit glamourösen Nachtclub-Vibes auflädt – die Pressglasblöcke wurden eigens für dieses Projekt mit feinen LED-Leisten versehen, die den Sitzbereich mit verschiedensten Farbstimmungen und Lichtchoreografien bespielen können. Der mondäne Industrial-Look – eine Inspiration war das legendäre „Studio 54“ – wird fortgeführt durch die weiteren Materialien: Terrazzo in zwei individuell angemischten Farbstellungen (hell und dunkel) für die Böden, Edelstahl für die Küche und das Gäste-WC. Sanfte Gegenakzente setzen matter, heller Kalkputz an den Wänden, Samt und fein texturierte Textilien in changierenden Grüntönen in der Lounge. Gemeinsam ist den meisten Oberflächen, dass sie schön auf Lichteinfall reagieren. Wenn die Glaswand den Sonnenuntergang reflektiert, „wird hier alles in leuchtendes Orange getaucht, das sieht wirklich cool aus“, schwärmt Michael. „Die golden hour ist so ziemlich der schönste Moment des Tages.“
Ein Zuhause für Nachtschwärmer
Dabei ist die Wohnung eigentlich gemacht für die Nacht. „Tagsüber ist sie schön“, sagt Michael, „aber spät abends wird sie zu einem ganz anderen Ort.“ Das hat mit den Dinner-Partys zu tun, die das Paar gern für Freunde gibt, aber auch mit praktischen Gründen: Da Michael beruflich sehr auf die USA ausgerichtet ist, arbeitet er in seinem kleinen Büro, das zugleich Gästezimmer ist, meist nach deren Zeit – der Tag des Paars beginnt also oft erst nachmittags. „In Berlin geht das ganz gut, weil hier nachts sowieso viel los ist“, sagt Niklas. Und so sind nicht nur alle Fenster mit Blackout-Shades ausgestattet (und im Schlafzimmer zusätzlich mit einem Vorhang aus schwarzem Leder), um bei Bedarf den Tag zur Nacht zu machen, sondern es wurde auch überall ein eigens konzipiertes Soundsystem installiert. Aus Rücksicht auf die Nachbarschaft ist die Wohnung rundum aufwändig schallisoliert – was eine spürbare Verringerung der Fläche bedeutete.
Im Frühjahr 2024 sind die beiden eingezogen – und haben mittlerweile ihre persönlichen Lieblingsplätze gefunden. „Ich mag besonders die Küche und das Bad“, sagt Niklas. „Dort liege ich abends gern in der großen, beleuchteten Wanne.“ Michael dagegen begeistert sich am meisten „für das, was ich direkt nach dem Aufwachen sehe“. Vom Bett aus fällt sein Blick quer durch die Wohnung und streift all die verschiedenen raffinierten Materialien. Sein zweiter Favorit ist die Aussicht aus dem Schlafzimmer: Zieht man den Ledervorhang zurück, blickt man direkt in die grünen Blätter einer Linde. „Wir mögen eben clashes“, sagt Niklas.









