Zuhause bei Sebastian Hoffmann: So wohnt der Tadan-Co-Gründer
„Witzigkeit im Übermaß, ist des Menschen größter Schatz“. Dieses Zitat stammt nicht etwa von Goethe, sondern aus … Harry Potter. Das macht es nicht weniger richtig, und Witz im Übermaß hat der Decorator und Kunsthändler Sebastian Hoffmann allemal, außerdem zitiert auch er gerne; aus Interviews mit David Bowie oder Fran Lebowitz, Jean-Michel Basquiat oder Adolf Loos – die Liste ist dank quasi-fotografischem Gedächtnis lang.
Hoffmann ist Teil des Decorator-Trios Tadan, das er gemeinsam mit Stella von Senger und Cecil von Renner betreibt. Ihr Motto: A decorator's job is never done. Doch auch Decorator machen gelegentlich Feierabend – und wollte man Hoffmann dann finden, so könnte man die Suche im KaDeWe, dem „Bostich“ oder dem „Rum Trader“ (der angeblich ältesten Bar Berlins) beginnen. Wir haben ihn lieber direkt in seiner Berliner Mietwohnung besucht. Hier häuft er Magazine an, als wäre Print nie in der Krise gewesen, hängt Konzeptkunst „lebensbedrohlich“ an die Decke, sinniert übers Sammeln und lebt ein zufriedenes Leben, übrigens ganz ohne Smartphone. Man darf Sebastian Hoffmann immer ernst nehmen – aber man muss es nicht.
Decorator Sebastian Hoffmann im AD-Interview
Es gibt in deiner Wohnung sehr viele Bücherstapel, auf dem Tisch, dem Regal, auf dem Beistelltisch… Welche Bücher sind neu dazugekommen?
Und auf dem Boden! Ich liebe Stapel. Das Walter-Pfeiffer-Buch hier oben ist neu. Auf dem linken Tisch liegen die Bücher, die neu oder gerade in Benutzung sind. Dieses Buch über Sigmar Polke, die Enzyklopädie der New-Yorker-Cartoons und das verrückte hier über Champagner und Sekt sind kürzlich dazu gekommen, letzteres ist aus meinem Lieblingsbuchladen in der Hauptstraße in Schöneberg, direkt neben der David-Bowie-Wohnung.
Gibt es beim Stapeln ein System?
Eigentlich ja, es fängt links thematisch an, allerdings verwurschtelt es sich dann. Außerdem muss ich die Bücher sowieso ständig austauschen, weil das hier so eine sonnige Wohnung ist. Konservatorisch ist das ein Albtraum.
Du hast lange im Kunsthandel gearbeitet. Wie bist du ursprünglich zur Kunst gekommen?
Durch meine Eltern. Ich konnte nicht wahnsinnig gut zeichnen, aber für einen kleinen Jungen hatte ich wohl ganz gute Ideen – umstandsloses Abpausen und Kompilieren. Wir sind wahnsinnig viel in Museen gerannt. Meine Eltern haben das auch immer total toll mit mir gemacht, wir sind in Museen gegangen, die meine Eltern für ein Kind interessant machen konnten. Ich bin in Mitte aufgewachsen, aber Potsdam spielte eine ganz wichtige Rolle bei uns, weil wir dort oft die Schlösser besucht haben. Ostberlin hatte keinen Zugang zum Wannsee – die Potsdamer Parks und Seen waren von den schönsten am nächsten dran. Der Müggelsee war irgendwie nicht so unser Ding, obwohl meine Mutter aus Köpenick kommt. Dafür haben wir dort immer wieder das Schloss Köpenick besucht, wo es kurioserweise eine Kutschensammlung auf dem Dachboden gab.
Und später hast du Kunstgeschichte studiert?
Ja, allerdings hieß der Studiengang Bildwissenschaft. Naturwissenschaftler werden das sehr skeptisch lesen.
Deshalb hängt man Kunst nicht direkt über Möbelstücke
Wie hängst du zu Hause Kunst? Folgst du einer kuratorischen Strategie?
Ich neige, wie soll ich das elegant sagen, zum Hinzufügen. Irgendwann ist immer der Punkt erreicht, an dem ich auch wieder etwas wegnehmen muss und von vorne beginnen will. Ich mag es, Kunst an die Ränder zu hängen, also nicht in der Mitte anzufangen, um wenigstens dort eine leere Fläche im Raum zu haben. Und nicht in die Falle zu tappen, Kunst über Möbel zu hängen.
Kunst darf also nicht direkt über Möbelstücken hängen?
Doch, aber dann guckt man schneller dran vorbei. Dann fehlt der Widerstand.
Schwebt die Kunst also im übertragenen Sinne über dem Möbel? Ist sie mehr wert?
Nein, damit hat es konkret nichts zu tun. Eigentlich hat doch beides seinen eigenen Platz verdient. Am interessantesten finde ich die Beziehung zwischen den Dingen. Wahrscheinlich ist die Kunst bedeutender, aber das heißt nicht, dass sie wichtiger für den privaten Wohnraum ist.
Du hast einmal gesagt, dass du per se vorsichtig mit dem Begriff des Sammlers bist.
Stimmt.
Verstehst du dich als Sammler?
Die Frage musste kommen (überlegt). Ich würde zwischen der Sammlung und dem Sammler unterscheiden. Man kann etwas sammeln, ohne dass es direkt eine Sammlung oder mehr als eine Ansammlung ist.
Wie meinst du das?
Na ja, hier hängt zum Beispiel nicht so viel Kunst von großem monetären Wert und aber viele Ephemera, die mir etwas bedeuten. ,Kunstsammler’ aber ist ein Prädikat, das ich gar nicht so schnell verleihen möchte und mir selbst schonmal gar nicht. Gib mir noch ein paar Jahre, ja? … Fortysomething …
Wie hast du diese Wohnung eigentlich gefunden?
In der Annonce war die Wohnung gar nicht abgebildet, sondern nur das Haus gegenüber. Die Wohnung an sich ist in der Größe und der Ausstattung nicht der Rede wert – obwohl sie einen guten Grundstandard hat, nicht originell, aber ganz gut gemacht. In der Anzeige sah man den Fensterblick auf das Joachimsthalsche Gymnasium, das heute von der Universität der Künste genutzt wird. Ich habe als Student hier in der Nähe gearbeitet. Ich wusste also, dass es dieses Haus hier sein muss und fand das wunderbar. Nachkriegsbauten sind viel besser geschnitten und isoliert, ich höre nichts von der sechsspurigen Bundesallee. Man hat die Fläche dort, wo man sie braucht. Und am Ende ist es die ewige Frage, ob man im schönen Haus wohnen möchte oder aufs schöne Haus blicken kann.
So ging der Decorator bei der Einrichtung vor
Bist du bei der Einrichtung einer Strategie gefolgt oder ist die Wohnung so gewachsen?
Wenn wir mit Tadan einen Auftrag annehmen und eine Wohnung oder einen Raum einrichten, dann verfolgen wir natürlich eine Strategie oder haben ein Bild im Kopf, dem wir folgen wollen, auch wenn's etwas dauern darf. Die Wohnung hier ist gewachsen. Es gibt allerdings einige Dinge, die ich immer machen wollte, zum Beispiel, dass das Bett im Raum und nicht an der Wand steht. Auch das Sofa stand lange mitten im Zimmer, das habe ich aber geändert, als die beiden Tische mit den kreisrunden Kabelhaltern eingezogen sind. Die hab ich gemeinsam mit Wendelin Kammermeier entworfen. Ich wollte einen Arbeitstisch und einen Büchertisch. Wendelin ist einer meiner Lieblingskünstler und ein toller Freund, den ich bewundere. Von ihm ist auch das stählerne Liegestuhlgestell, das hier lebensbedrohlich über dem Sofa an der Decke hängt.
Du siehst berufsbedingt ständig Kunst, Möbel, Antiquitäten. Wonach entscheidest du, ob etwas zu dir nach Hause ziehen würde?
Wir sagen gerne, dass wir Tadan nur gegründet haben, um endlich nicht mehr nicht kaufen zu müssen (lacht). Generell mag ich den Kontrast, kombiniere bequem mit unbequem, hübsch mit merkwürdig, historisch mit neu. Jetzt ist aber erstmal Importstopp.
Kein Objekt der Begierde?
Ich wollte die beiden Stühle von Jerszy Seymour eigentlich gegen Louis XVI-Stühle austauschen, die ich gefunden habe und die spektakulär gut sind, in der originalen Fassung, von ungefähr 1780. Wir haben sie dann mit Tadan gekauft und neu polstern lassen, flach, mit frottehaftem Stoff – und am Ende dann nicht hier, sondern in einem Projekt für Farrow & Ball eingesetzt.
Würdest du dich als Nostalgiker bezeichnen?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich glaube, es gibt Sentimentalisten und Nostalgiker, ich bin dann wahrscheinlich eher der glückliche Nostalgiker, ja. Sentimentalität ist verbunden mit einer Melancholie, während der Nostalgiker eher die Erinnerungen genießt, oder? Wir können jetzt nicht schon wieder mit der Romantik anfangen! Das hatten wir schon.
(steht auf, um ein Bild zu richten).
Wie geht es dir in der Paris-Bar, wo jedes Bild schief ist? Möchtest du die Bilder dort richten?
Nee, wenn 500 Bilder schief sind, ist das gut, bei zweien von 50 geht es nicht. Obwohl ich meine Familie immer bremsen muss, wenn die hier sind weil die immer diesen einen Lampenschirm gerade rücken wollen. Ich habe akzeptiert, dass er verzogen ist.
Was würdest du in der Wohnung gern ändern?
Ich würde die Wand hinter dem Sofa verspiegeln, und der Sisal-Teppich muss langsam neu gemacht werden. Dann würde ich einen Velour-Teppich verlegen. Ich hätte auch gerne eine durchgehende marokkanische Sofa-Bank, die um die Ecke geht und dann Kaffeehaus-Tische davor.
Es heißt ja immer, dass man bestimmte Dinge sofort erledigen muss, sonst macht man es nie.
Ja, ich habe immer noch keine Fußbodenleisten. Dabei hatte ich sie sogar schon gekauft, sie liegen zugeschnitten unterm Sideboard. Irgendwann denkt man so, ja gut, das mach ich mach ich alles einmal, den Boden neu und endlich die Raufaser runter. Weiße Raufaser stört mich nicht, aber gestrichene sieht aus wie mit Lebensmittelfarbe gefärbte Nudeln. Mein unsichtbares Bettgestell ist übrigens von Poco Domäne. Die Matratze ist gut, keine Sorge, die war nicht dabei.
Meinst du, die Raufaser erlebt noch mal ein Comeback? Man sagt ihr ja nach, nachhaltiger zu sein.
Wahrscheinlich, weil sie aus Abfall gemacht wird. Wie die Rumkugel! Die Raufasertapete ist die Rumkugel der Wände.
Euer Decorator-Trio Tadan ist jetzt ungefähr eineinhalb Jahre alt. Seid ihr zufrieden damit, wo die Reise gerade hingeht?
Ja, jetzt vor allem, weil wir einen Riesensprung in der Professionalisierung gemacht haben, Slack und so, herrlich, und gerade einen tollen neuen Auftrag begonnen haben.
In der Designwelt ist ein gutes Netzwerk entscheidend – wie habt ihr eure Handwerker:innen gefunden?
Unseren Tischler in der Victoria Bar! Einen Glaser haben wir dort aber noch nicht entdeckt. Man will sich mit Leuten umgeben, die einen verstehen und die man versteht. Mit unserem Grafiker bin ich seit über 20 Jahren befreundet.
Aber birgt das nicht die Gefahr, auch neue Leute zu übersehen, wenn man potenziell nur mit Freunden oder Menschen aus dem eigenen Umfeld arbeitet?
Ja, aber für irgendwas ist man ja immer blind. Und manchmal wird man miteinander bekannt gemacht; der Designer William Fan hat uns die Person vermittelt, die jetzt die Visualisierungen für uns macht – und die Zusammenarbeit ist so eine Freude. Gerade haben wir einen ganz klassischen Decorator-Job gemacht, einen Raum im Raum für die PR-Agentur BAM gebaut und dafür mit Cure.tain zusammengearbeitet, die wir beim unvergleichlichen Sam Chermayeff entdeckt haben. Wir haben ein Zelt installiert, in dem die Agentur Produkte ausstellen kann, ohne dabei die eigentliche Innenarchitektur von Gonzalez Haase AAS anzugreifen, die den Showroom genial konzipiert haben. Ein Showroom per se ist eigentlich kein romantischer Raum. Wir haben jetzt sozusagen neun Quadratmeter romantisiert. Reicht auch.
Wann hast du gemerkt, dass du gut darin bist, Dinge zu dekorieren?
Das kommt, glaube ich, durchs Ausstellungen machen. Stephanie Ruth, die ich sehr verehre und die heute in London den Ausstellungsbetrieb Parlour in ihren Wohnräumen macht, hat mir damals bei Moeller Fine Art gesagt, dass ich gut mit Licht wäre. Ich finde, ein Raum macht ja erst richtig Spaß, wenn mit Referenzen gearbeitet wird. Mit Referenzen meine ich Beziehungen von Dingen untereinander. Zeit ist ebenfalls ein entscheidender Faktor, bei Räumen, aber auch bei Sammlungen, die wachsen müssen. Natürlich kann man mit viel Geld schnell viel kaufen, aber da wird eine gewisse, rauschhafte Kurzlebigkeit im Referenzsystem ersichtlich sein. Dann kommt der kalte Entzug und man muss eigentlich sofort wieder konsumieren. Es braucht ein bisschen Zeit, damit Räume eine Seele bekommen.
Produktion: Thomas Skroch











