Im rustikalen Selbstversorgerhaus „SaCalma“ verbinden sich traditionelle mallorquinische Architektur und moderne Technologie zu einer nachhaltigen Sommer-Oase.
Trotz seiner einzigartigen Lage, mit herrlicher Aussicht auf ein Naturschutzgebiet im Nordosten Mallorcas, wäre der Kauf dieses 21.000 Quadratmeter großen Grundstücks für viele wohl nicht sonderlich verlockend gewesen – denn es verfügte weder über eine Strom- noch über eine Wasserversorgung. Auf dem Gelände, das auf den Parc natural de la península de Llevant blickt, gab es lediglich drei kleine Häuser im ländlichen balearischen Stil, die es davor bewahrten, eine unberührte Einöde zu sein. Für das Team von I-architecture war dies eine Herausforderung, der es nicht widerstehen konnte.
Unabhängig und eins mit der Natur
Die Mitglieder des jungen Architekturstudios aus Bilbao – Amaia Guibert, Miren Irigoyen, Eneko Domínguez de Vidaurreta und Jon Irigoyen – waren gerade im Begriff, ein neues Kapitel in Spanien aufzuschlagen, nachdem sie jahrelang im Ausland gearbeitet hatten; dafür machten die Architekt:innen selbst Investitionen, um Projekte zu entwickeln, für die sie sich interessierten. Das Landgut Santa Margarita auf Mallorca war ihr zweiter Kauf. „Die fehlende Anbindung an öffentliche Netze war eine große Herausforderung, aber wir haben schnell gemerkt, dass wir uns an einem einzigartigen und unvergleichlichen Ort befinden“, erklärt das Büro, das in ganz Spanien und in der Schweiz tätig ist.
Was zunächst als Hindernis betrachtet wurde, entwickelte sich schließlich zum wichtigsten Designkriterium. I-architecture beschloss, für das Grundstück ein vollständig autarkes Haus zu entwerfen, in dem die künftigen Bewohner:innen von der Erde selbst leben und Energie und Wasser aus der Natur beziehen würden.
Sommerhaus im balearischen Stil
Obwohl das Haus neu gebaut wurde, wirkt es, als hätte es schon immer dort gestanden. „Es ist eine Neuinterpretation der Gebäude, die sich bereits auf dem Grundstück befanden“, sagen die Architekt:innen. Jene drei kleinen rechteckigen Häuser, mit einem Schrägdach oder Satteldach, zeichneten sich durch Mauern aus Marès-Kalkstein und mit Ziegeln gedeckte Dächer aus. Sie dienten als Vorbilder für den Entwurf des neuen mediterran-rustikalen Sommerrefugiums.
Natürliche, lokale Materialien
Aber nicht nur die Struktur der traditionellen mallorquinischen Gebäude wurde nachempfunden, sondern auch die Art und Weise, wie diese gebaut werden. Daher entschied sich I-architecture bei der Umsetzung seines Projekts für natürliche Materialien und lokale Handwerkskunst. „Durch die industrielle Prozesslogik, die man sonst erlebt, verlieren die Materialien ihren Kontext“, betonen die Architekt:innen. Das Innere des Hauses wurde also mit mineralischem Mörtel verputzt, der von Hand aufgetragen wurde; man kann sogar die Spuren der Werkzeuge erkennen, die der lokale Maurer verwendete. In den Bädern wurde Naturstein eingesetzt, und keine Fliese gleicht der anderen. „Es ist ein Haus mit Wurzeln“, erklären die vier Kreativen. Ein Haus, das auf Mallorca mit lokalen Techniken und Handwerkskunst gebaut wurde – „Das kann man nirgendwo anders einfach nachmachen.“
Die Landschaft als roter Faden
Auf 332 Quadratmetern verteilen sich fünf Doppelschlafzimmer und vier Bäder, die sich in dem nach Nordwesten ausgerichteten Bereich des Erdgeschosses und im Obergeschoss befinden. Die Wohnfläche umfasst außerdem einen großen offenen Wohnbereich mit doppelter Raumhöhe, der aus Wohnzimmer, Esszimmer und Küche besteht und sich vollständig zur Veranda hin öffnet, die zu einem Infinitypool führt.
So wie der Wohnbereich zum Garten hin geöffnet ist, ist auch das übrige Interieur des Hauses nach außen hin ausgerichtet. „Das Gebäude liegt abseits der ausgetretenen Touristenpfade von Mallorca, es ist ein Haus auf dem Land und steht mit der Natur im Einklang“, sagen die Architekt:innen. In dem sehr privaten Rückzugsort gibt es gestalterisch keinen anderen roten Faden als die umgebende Landschaft: Von dem Moment an, in dem man die Finca betritt, liegt der Duft von Lavendel in der Luft, während einen das Aroma des Rosmarins bis zur Haustür begleitet. Die Farbgebung der Einrichtung ist neutral gehalten, um den Blick auf die Aussicht, die man durch die Fenster genießt, zu lenken – Grün, so weit das Auge reicht. Das Interieur wurde um zeitgenössische Kunst ergänzt, doch „die Landschaft ist das beste Motiv“, so das Studio.
So funktioniert Wohnen in einem autarken Haus
Die Energieversorgung des Hauses erfolgt über eine Photovoltaik-Anlage. Das Regenwasser wird in einem Wassertank mit einem Fassungsvermögen von 80 Kubikmetern gesammelt und dann im Haus wiederverwendet. Mit diesem Volumen kann der Bedarf des Hauses mehr als gedeckt werden, da das Studio zukunftsorientiert plante: Der im Laufe des Jahres gesammelte Regen wird für die drei Monate genutzt, in denen es auf der Insel fast vollständig trocken bleibt. Ein kleinerer Wassertank, mit dem nur eine begrenzte Ressourcen-Nutzung möglich gewesen wäre, hätte daher wenig Sinn ergeben. „Es wird heute viel Architektur unter dem Motto der Nachhaltigkeit entworfen, aber wenn die Dinge dann nicht funktionieren, fällt das Projekt wieder auseinander“, erklärt das Studio.
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, spielt auch moderne Technologie eine ausschlaggebende Rolle. Eines der wichtigsten Elemente des Hauses ist die Smart-Home-Steuerung, mit der es versehen wurde. Mithilfe des Domotik-Systems wird sichergestellt, dass die Eigentümer:innen bei ihrer Ankunft ohne Probleme auf alle Annehmlichkeiten – sei es die Heizung, Warmwasser, Belüftungssysteme oder auch der Pool – zugreifen können und übermäßige Kosten vermieden werden.
Eine umweltfreundliche Ferien-Oase
Die neuen Eigentümer:innen von „SaCalma“ – eine holländische Familie, die sich in die Insel verliebt hat – erwarben nicht einfach ein Ferienhaus, sondern ein Refugium, das von und für Mallorca geschaffen wurde. Es ist eine Art Reise, bei der versucht wurde, die Bautechniken der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und sie mit der Technologie des 21. Jahrhunderts zu kombinieren.
„Wir sind zu den Wurzeln zurückgekehrt und haben versucht, die Phase, die seit den 1970er-Jahren bis heute andauert, zu überspringen und zu den ländlichen Strukturen zurückzukehren, die entstanden sind, als die Mallorquiner:innen noch auf dem Land lebten und arbeiteten“, erzählt I-Architecture. Es ist ein traditioneller Stil, der an eine Zeit erinnert, als jede Familie eine Finca besaß und sich von dem ernährte, was sie anbauen konnte. Ein Stil, der von den Arbeiten lokaler Künstler:innen und Handwerker:innen erfüllt ist und deutlich macht, „was nicht nur die Architektur, sondern auch die Lebensweise auf der Insel Mallorca sein sollte“.
Zuerst erschienen bei AD España.




