Ein Möbel für den Zwischenzustand: Diese Daybeds sind echte Designklassiker.
Wenn es um unterschätzte Möbelstücke geht, könnte man eine ganze Liste aufsetzen. Darauf wäre der Hocker, der Sekretär und definitiv auch die Liege, die mit der Bezeichnung „Daybed“ zumindest ein bisschen an Coolness zugelegt hat. Ein Grund, warum das Daybed – das gerne in psychotherapeutischen Praxen zum Einsatz kommt – immer noch als Nischenmöbel zählt, ist, dass seine Funktion nicht ganz leicht zu greifen ist. Die Liege ist nun mal kein klassisches Sofa, sie schwebt förmlich zwischen den Kategorien: zu flach, um ein Bett zu sein, zu großzügig, um nur als Bank durchzugehen, zu kultiviert, um als Fernsehcouch zu dienen. Das Daybed – jene Liege, die uns tagsüber zur Pause einlädt – besticht mit Vielseitigkeit. Es funktioniert allein und im Ensemble, als architektonischer Ruhepol im Raum, als Skulptur mit Funktion.
Ruhe oder Drama? Die Geschichte des Daybeds
Bereits in der Antike war die Liege ein Statussymbol. Die Griechen aßen halb liegend auf der „kline“, die Römer führten auf ihren „lecti“ Konversation, während Diener Speisen und Wein reichten. Der Übergang vom Alltag zur Kontemplation wurde hier nicht nur körperlich, sondern gesellschaftlich inszeniert. Im 20. Jahrhundert erfuhr das Möbel seine Modernisierung: Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich entwarfen 1930 das Barcelona-Daybed – Leder, Chrom, klare Geometrie, ein Inbegriff der Bauhaus-Moderne. Charles und Ray Eames gaben ihm in den 1940er Jahren eine amerikanische Note: geschwungener, wohnlicher, aber ebenso reduziert.
Heute erlebt das Daybed durchaus eine Renaissance. Die großen Hersteller führen Ikonen der Moderne im Repertoire, während jüngere Designer:innen das Möbel in textile Leichtigkeit übersetzen. Dabei zeigt sich, dass die Form erstaunlich flexibel bleibt: geradlinige Gestelle aus Stahl oder Holz bewähren sich ebenso wie üppige Polsterungen in Bouclé oder Samt.
Ein skulpturaler Ruhepol im Raum
Das Daybed ist ein Möbel für den Zwischenzustand. Es erfüllt dabei eine Funktion, die wichtig ist, seit immer mehr Menschen zu Hause am Schreibtisch sitzen: nicht ganz Arbeit, nicht ganz Schlaf, sondern ein Ort für das Nickerchen am Nachmittag, die Lektüre, das Telefonat, das Nachdenken. Während Sofas oft eine soziale Einladung darstellen, markiert das Daybed ein Stück Intimität im Raum. Es fordert nicht zum Gespräch, sondern zur Ruhe. Als Designobjekt bewegt es sich auf der schmalen Linie zwischen Funktion und Skulptur. Zeitgenössische Daybeds wiederum werden oft als Solitäre inszeniert, als Blickfang in Hotellobbys oder Galerien. Ihre horizontale Präsenz bricht den vertikalen Charakter eines Raums und schafft einen Ruhepol, der eher an Kunstinstallation als an Gebrauchsmöbel erinnert.
Vielleicht erklärt sich die Faszination auch aus dieser Ambivalenz: Das Daybed ist nicht dringend notwendig, aber es bereichert. Es ist ein Möbel des „Mehr“, ein Statement von Zeitwohlstand und Gestaltungslust. Wer ein Daybed besitzt, will sich nicht nur ausruhen – er will das Ausruhen zelebrieren.










