Renovierung in historischem Kontext: Der Architekt und Designer Joris Poggioli erzählt im Interview, wie er in seinem Apartment die Historie freilegte und neu interpretierte.
Ein Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit – das ist oft das Ideal, wenn es um den Umgang mit historischen Bauten geht. Doch selten wird dieses Konzept so konsequent und persönlich umgesetzt wie im Pariser Apartment von Joris Poggioli. Der französisch-italienische Architekt und Designer lebt in einem Seitenflügel eines Gebäudes, in dessen Zentrum einst Napoleons Büro untergebracht war. Bei der Renovierung seines Apartments setzte er auf massive Materialien, aber geschwungene Linien, auf den Kontrast von voll und leer, von matt und glänzend – und schuf so ein Interieur, das Raum für Überraschungen lässt. Poggiolis Plan war, zunächst die architektonische Pracht der napoleonischen Ära von späteren Ergänzungen zu befreien und dann auszuloten, wie eine moderne Designsprache mit ihr interagieren würde. „Ich wollte ein Gleichgewicht schaffen. Und je mehr Wertschätzung ich den vorhandenen Elementen entgegenbrachte, desto interessanter wurde der Dialog zwischen Alt und Neu.“ Was ihm bei diesem Projekt im Weg stand bzw. lag und weshalb die Renovierung der Wohnung seine Liebe zu Paris noch verstärkt hat, erzählt der Architekt im Interview.
Renovierung in Paris: Joris Poggioli im Interview
Sie haben sehr viel Zeit und Arbeit in diese Wohnung investiert. Weshalb war Ihnen das so wichtig?
JP: Ich hatte nie zuvor in einer so anspruchsvollen Wohnung gewohnt. In gewisser Weise hebt sie meine Liebesbeziehung mit Paris auf ein neues Level. Die Wände sind durchdrungen von der Geschichte der Stadt, und das kulturelle und architektonische Erbe dieses Gebäudes hat mich sehr inspiriert.
Wie sah die Wohnung aus, als Sie zum ersten Mal hinkamen?
JP: Als ich die Wohnung zum ersten Mal besichtigt habe, lebte dort eine ältere Person, die sich buchstäblich verbarrikadiert hatte. Die Räume waren dunkel, man konnte keine Details erkennen, alles war von irgendetwas verdeckt. Man hatte mehr Räume abgeteilt als ursprünglich vorgesehen – ein Flickenteppich von verschlossenen Kammern, der einer Festung glich. Alle Fenster waren vergittert, und ich musste vier Schichten verschiedener Bodenbeläge entfernen, um das Originalparkett freizulegen! Die größte Herausforderung bestand darin, diese Schichten auszublenden und die dahinter verborgene Schönheit zu erkennen.
Die Wiederentdeckung der Stille
Wie geht man an die Renovierung einer Wohnung heran, die eine so reiche Vergangenheit im Zusammenhang mit Napoleon hat?
JP: Ich wollte, dass meine Intervention stilistisch klar zu erkennen ist. Das Neue und das Alte sollten nicht in Gefahr geraten, miteinander verwechselt zu werden, sondern sollten sich gegenseitig verstärken, gerade indem man sie klar unterscheiden kann. Wie Miles Davis sagte: „Wahre Musik ist Stille, und die Noten rahmen nur diese Stille.“ Genau das war mein Ziel: die Stille zu finden, die von der Schönheit der ursprünglichen Elemente umrahmt wird.
Wie bringen Sie in Ihrem zeitgenössischen Projekt die ursprünglichen architektonischen Details zur Geltung?
JP: Interessant finde ich, wie bestimmte architektonische Details ganz subtil auf Napoleon verweisen. Es ist nicht offensichtlich, aber man nimmt es durch die grandiose Dimensionierung der Räumlichkeiten wahr, durch die großen Fenster, die charakteristisch für Bauten aus dieser Zeit sind, und dadurch, dass das Gebäude an sich einfach Geschichte atmet. Die klaren Linien meiner Entwürfe kontrastieren mit diesem reichen historischen Hintergrund und schaffen einen einzigartigen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Die Vergangenheit zelebrieren, nicht mit ihr konkurrieren
Haben Sie ein Lieblingszimmer?
JP: Ja, das Schlafzimmer, für das ich den Kamin, den Spiegel und das übergroße, schwarz lackierte Kopfteil entworfen habe. Der Lack spiegelt die Umgebung wider und tritt so in einen Austausch mit den vorhandenen Elementen. Mein Weg ist, die Vergangenheit zu feiern, nicht mit ihr zu konkurrieren.
Die Decke ist mehr als vier Meter hoch, wie hat das Ihr Design beeinflusst?
JP: Die Höhe der Wohnung ist großartig, sie bietet viel Raum, um die Gedanken wandern zu lassen. Das hat mich dazu inspiriert, eine Art Schiffsbug hineinragen zu lassen, der als obere Etage dient und einen anderen Blickwinkel auf den Hauptraum bietet. Durch diese Höhe bekommt auch alles andere einen Hang zum Majestätischen, wie zum Beispiel das Kopfende des Bettes oder der Eingang, der an eine Reling erinnert, von der aus die Gäste empfangen werden können.
Räume gestalten wie ein Bildhauer
Wie spiegelt diese Wohnung Ihren persönlichen Lebensstil wider?
JP: Ich bin wie ein Bildhauer vorgegangen. Ich bin besessen von Formen, die Energie ausstrahlen. Ob es sich nun um Architektur oder um Objekte handelt, ich möchte den Raum so gestalten, als würde ich ihn mit der Hand formen. Das Licht war dabei ein entscheidender Aspekt. Die Wohnung ist von Licht durchflutet, und ich wollte sie mit diesem Licht auf spielerische Weise beleben und es kontinuierlich fließen lassen. Ich liebe es aber auch, von Geschichte umgeben zu sein, sei es durch Gegenstände, Möbel, Architektur oder Bücher. Die Wohnung ehrt die Vergangenheit, aber zeugt auch davon, wie ich lebe.
Ihre Wohnung grenzt an den Ovalen Salon, der einst das Büro Napoleons war. Welche Wirkung hat das auf Sie?
JP: Zunächst war ich unglaublich überrascht, doch dann fühlte ich mich in meiner Überzeugung bestärkt, wie die Meister Mies van der Rohe und Oscar Niemeyer vorzugehen und alles eigens zu entwerfen: die Küche, die Dusche, die Treppe, die Einrichtung des Badezimmers und das Bett. Ich habe auch eine ganze Möbel-Kollektion entworfen, und daneben noch die Beleuchtung und die Armaturen. Die Materialien waren mir ebenfalls wichtig: Der Couchtisch im Wohnzimmer wurde versilbert, die Küche ist aus Edelstahl.
Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der wie Sie eine Renovierung in einem so bedeutenden Gebäude angehen möchte?
JP: Lassen Sie sich einfach von der Vergangenheit leiten! Dann ergibt sich alles von selbst, wie ein Gespräch mit einem alten Freund.
Produktion: AMOS, Styling: Aurore Lameyre
Zuerst erschienen bei AD Italia.










