Historische Renovierung in Illinois: Gewölbte Zedernholzdecken treffen auf rostig-rote Ziegelsteine und elegante Antiquitäten.
Tradition und zeitgenössischen Komfort verbindet dieses unscheinbare Midcentury-Juwel in Winnetka (Illinois). Entworfen wurde es von einem Lehrling der US-amerikanischen Ikone Frank Lloyd Wright, dem Architekten Don Erickson. Dieser war vor allem in der Gegend um Chicago tätig und ging von 1948 bis 1951 bei Frank Lloyd Wright in „Taliesin“ in die Lehre. Das Anwesen in Spring Green, Wisconsin, war jahrelang Wrights Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte. Auch wenn die Tageszeitung Chicago Tribune Ericksons Werk nach seinem Tod im Jahr 2006 als „feinfühlig, wunderschön und stets originell“ beschrieb, sollen laut der lokalen Interiordesignerin Jennie Bisho die meisten seiner Häuser „oft gekauft und abgerissen oder so stark verändert werden, dass man sie nicht mehr wiedererkennt“.
2021 stieß Bishop jedoch auf einen Ausnahmefall, als ihr ein Freund aus der Immobilienbranche ein Treffen mit Kund:innen vorschlug, die gerade das Haus in Winnetka, Illinois, gekauft hatten, das Erickson 1966 für den Fotografen Richard Boyer entworfen hatte. „Ich bin dort ohne irgendwelche Vorkenntnisse hingegangen und war einfach sprachlos“, so Bishop über die erste Besichtigung des makellos erhaltenen Hauses, „und ich habe still und leise gebetet, dass sie nichts abreißen oder an Ericksons Vision ändern würden.“
Viel Feingefühl für eine sanfte Renovierung
Bishops Gebete schienen erhört worden zu sein, denn das Ehepaar, welches das von Don Erickson entworfene Haus erwarb, brachte seine Vorliebe für einzigartige Wohnräume mit besonderer Geschichte zum Ausdruck. Darüber hinaus hatte das Paar dem Vorbesitzer versprochen, das Midcentury-Juwel mit Bedacht zu pflegen und eine respektvolle Renovierung vorzunehmen – ganz im Sinne der Interiordesignerin, die den Auftrag als Mitbegründerin des in Chicago ansässigen Studio Gild übernahm, und das Projekt schließlich im Rahmen ihres kürzlich gegründeten Büros Bishop Studio abschloss.
Das Winnetka-Haus weist einige Merkmale auf, die an den Stil von Frank Lloyd Wright erinnern. Erickson setzte bei dem Entwurf des 557 Quadratmeter großen Interieurs nämlich auf Wrights Architektur-Konzept „Pressure and Release“, das auf ein Wechselspiel aus engen und weitläufigen Raumproportionen abzielt. So zeichnet sich das Midcentury-Haus beispielsweise durch einen sehr schmalen, formellen Eingangsbereich aus, den er durch einen hohen Kamin sogar noch enger wirken ließ. Direkt hinter dem Kamin öffnet sich dann ein großer weitläufiger Raum, dessen weite Proportionen einen deutlichen Kontrast zum schmalen Eingangsbereich bilden.
Ziegelsteine und geschwungene Decken
Merkmale wie die Ziegel – die in einem fächerförmigen Muster verlegt sind–, die historisch geprägten Fenster und die elegant geschwungenen Decken, lassen darauf schließen, dass Ericksons gestalterischer Ansatz an Architekten wie A. Quincy Jones und Edward Durrell Stone anlehnte – Architekten, die versuchten, die Hochmoderne für ein breites amerikanisches Publikum neu zu konzipieren.
Bishop stellte schnell fest, dass bei dem Projekt in Winnetka weder Fenster erneuert noch Decken entfernt werden müssen. Zu Beginn plante die Interiordesignerin auch, den charmanten Ziegelboden unverändert beizubehalten. „Wir haben gedacht, dass die gedämpften Farbtöne original waren“, so Bishop, „doch unter den Küchenvorrichtungen haben wir dann viel wärmere Farben gesehen.“ Während der erste Hausbesitzer, Richard Boyer, und die darauffolgenden Bewohner:innen das Interieur mit Hingabe pflegten, waren die Böden nach dem jahrelangen Reinigen und Beschichten unbeabsichtigt matt geworden. Also startete ein äußerst aufwendiger Abschleif- und Versiegelungsprozess, der, wie Bishop einräumt, so einige Momente der Verzweiflung hervorrief. „Es war mühsam, bis wir das gewünschte Ergebnis erzielt hatten, aber jetzt bin ich sehr glücklich über die rostigen und lebendigen Farben, die wir erhalten haben. Wir haben das Haus entscheidend verändert und ihm gleichzeitig Tribut gezollt.“
Neue Funktion, gleiche Materialien
Mit derselben Sorgfalt und Liebe fürs Detail, mit der Bishop, die Böden in neuem Glanz erstrahlen ließ, ging sie auch bei anderen Renovierungsmaßnahmen vor. Bei der Neugestaltung der Haupt- und Kinderbadezimmer im Schlafzimmerflügel des Hauses behielt die Designerin die Proportionen der Räume von 2,40 Meter mal 2,40 Meter bei und stattete die Oberflächen mit zeitgemäßen Mustern und Farben aus. Um das aus drei Bereichen bestehende Hauptbadezimmer eleganter zu machen, baute Bishop eine ungenutzte Sauna in einen Wet Room um, der nach wie vor mit dem originalen Zedernholz verkleidet ist. Sanitär- und Elektroeinrichtungen konnten weitestgehend modernisiert werden, ohne dabei die historische Struktur des Hauses zu beeinträchtigen. Dies war dank eines Kriechkellers möglich, den Erickson vorsorglich unter dem Schlafzimmerflügel eingebaut hatte.
Die Möbelauswahl umfasst eine Reihe von Antiquitäten – Bishop war es vor allem wichtig, dass neue, maßgefertigte Stücke das historische Interieur ergänzen, anstatt dieses nachzuahmen. „Wir sind in diesem Haus von so viel Holz umgeben, dass wir vor allem mit Stein gearbeitet haben“, erklärt die Interiordesignerin, deren Bewunderung für das neu erwachte Midcentury-Juwel, zusammen mit dem Besitzer-Paar im Laufe der Renovierung immer größer wurde. Aufgrund von Bishops Leidenschaft für das historische Gebäude räumten die Hausbesitzer:innen ihr sogar ein Vorkaufsrecht ein, sollten sie sich eines Tages dazu entscheiden, das Haus zu verkaufen.

















