Kleinanzeigen-Shopping soll geübt sein: Die Vintage-Expert:innen Danielle Grosch-Ruppersberg, Dustin Hanke, Fabian Freytag und Verena Holthaus geben uns mit ihren liebsten Suchbegriffen und Hacks zur Hand.
Ein kurzer Blick auf die diesjährige Salone del Mobile reicht für folgende Stilbeobachtung: Die Begeisterung für Midcentury ist ungebrochen, während die 1970er- und 1980er-Jahre ihr Comeback feiern – all das inmitten einer fortwährenden 2000er-Nostalgie. Vintage- und Retro-Styles scheinen derzeit gefragter denn je und während einige Hersteller mit Neuauflagen ikonischer Designs auf die Nachfrage reagieren, sind es vor allem Online-Marktplätze und Apps wie Kleinanzeigen oder Whoppah, die in dieser Stunde gefragt sind.
Von „Space Age“ bis „Jahrmarkt“: Diese Suchbegriffe führen zu besonderen Vintage-Schätzen
Die gängigen Vintage-Plattformen lassen es auf den ersten Blick ziemlich simpel erscheinen, mit wenig Aufwand an gebrauchte Schätze zu gelangen. Jedoch ist die Angebotsfülle immens und spannende Objekte inmitten der Vielzahl von Anzeigen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Wie fängt man auf der Suche nach besonderen Vintage-Möbeln und -Accessoires also am besten an? Und lassen sich mit ein wenig Geschick tatsächlich Designklassiker über Kleinanzeigen und Co. finden? Wir haben Danielle Grosch-Ruppersberg, Dustin Hanke, Verena Holthaus und Fabian Freytag zu dem Thema befragt – vier Kreative, die sich sowohl beruflich als auch in ihrer Freizeit leidenschaftlich mit Vintage-Objekten beschäftigen. Im Interview verraten sie uns ihre Lieblingsbegriffe zur Secondhand-Suche im Internet und einige wertvolle Tipps.
Danielle Grosch-Ruppersberg: Kreativdirektorin
Als Kreativdirektorin hat Danielle Grosch-Ruppersberg ihr Auge für schöne Dinge perfektioniert. Mithilfe gezielter Suchanfragen auf Secondhand-Plattformen und dank einiger Flohmarkt-Glücksfunde hat sie ihre Altbauwohnung in München-Schwabing zusammen mit ihrem Mann Jonas Ruppersberg in eine bunte Stilpalette aus verschiedensten Designepochen verwandelt. Gebraucht sind hier beinahe alle Möbel und Accessoires – die Kuration von Vintage-Möbeln eine gemeinsame Leidenschaft: „Mich begeistert die Möglichkeit, Stilrichtungen untereinander zu kombinieren und andere damit zu überraschen“, so Danielle Grosch-Ruppersberg im Interview. Für eine erfolgreiche Vintage-Suche braucht es neben Stil- und Bauchgefühl auch geschickt gewählte Begriffe. „Lustigerweise habe ich letztes Jahr nur nach Stühlen, wie zum Beispiel dem Stapelstuhl von Bruno Rey oder den Gaudi Sessel von Vico Magistretti für Artemide gesucht. Dieses Jahr habe ich wohl eine neue Liebe zu Tischleuchten entdeckt“, scherzt sie mit einem Blick auf ihre aktuellen Lieblingssuchbegriffe:
Die Weltraumeuphorie der 1960er-Jahre und ihre Ausdrucksform in rundlichen Silhouetten, Chromelementen und futuristischen Prints erfreut sich schon seit einiger Zeit großer Beliebtheit unter Vintage-Sammler:innen. So nutzt auch Danielle Grosch-Ruppersberg den Begriff „Space Age“ bei der Suche nach Inspiration für Vintage-Leuchten: „Space Age Leuchten gebe ich generell ein, um mir einen Überblick zu verschaffen, oft springen mir dabei ganz verrückte Objekte ins Auge“. Dabei stellt sie sich die Vintage-Suche wie ein Spiel vor: „Ich schreibe gerne mal ‚Lampe‘ statt ‚Leuchte‘, mal ‚Tischleuchte‘, mal ‚Stehleuchte‘, mal zusammen oder getrennt geschrieben. Man sollte eventuell davon ausgehen, dass es die Person, die es zum Verkauf reinstellt, anders formulieren würde als man selbst“.
Auf der Suche nach besonderen Glasleuchten lohnt sich die Suche nach der Limburger Traditionsmanufaktur: “Besonders Decken- und Tischleuchten von Glashütte Limburg finde ich aktuell ganz spannend”. Die Suchergebnisse präsentieren eine vielseitige Mischung aus verschiedenen Glaskreationen, darunter einige Midcentury-Schmuckstücke aus den Gründungsjahren des Unternehmens.
Das italienische Design der 1960er-Jahre hat einige ikonische Klassiker hervorgebracht: Darunter die „Pipistrello“ Leuchte von Gae Aulenti für Martinelli Luce. Mit ihrem markanten, teleskopartigen Look hat sie es auch auf die Favoritenliste von Grosch-Ruppersberg nach ganz oben geschafft.
Dustin Hanke: Model und Content Creator
„Ein Raum ist für mich wie ein Outfit: Ich möchte nicht nur einen Designer tragen, sondern verschiedene Stile kombinieren. So entsteht ein persönliches und authentisches Ambiente, das weit mehr als nur Funktionalität bietet“. Wenn Dustin Hanke über Mode und Vintage-Einrichtung spricht, dann aus Expertise: Als Model und Content Creator kennt er sich mit der Kombination verschiedener Styles bestens aus. Auch Hanke besitzt kaum neue Möbelstücke – die meisten seiner Einrichtungsgegenstände hat er auf Secondhand-Plattformen oder bei Flohmarktbesuchen ergattert, darunter auch einige Designklassiker. Bei der Arbeit mit Vintage-Objekten geht es ihm vor allem um ihre Persönlichkeit: „Vintage-Möbel faszinieren mich, weil sie eine Geschichte erzählen und jedem Raum eine einzigartige Atmosphäre verleihen. Jedes Stück hat seine eigene Vergangenheit und bringt Charme und Charakter mit sich, den man bei neuen Möbeln oft vermisst“. Beim Durchforsten von Online-Portalen stützt er sich auf Epochen, Einzelstücke und ein wenig kirchliche Extravaganz:
Die massive Betonbau-Ästhetik geht auch im kleinen Stil: „Für Möbel und Kunstobjekte im robusten, architektonisch inspirierten Stil der 1950er- bis 1970er-Jahre suche ich nach ‚Brutalist‘“.
Kirchliche Accessoires müssen nicht altmodisch wirken. Ganz im Gegenteil können sie einem Raum einen stilvollen, kreativen Akzent verleihen: „Ich suche nach ‚Sakral‘, um religiöse oder kirchliche Antiquitäten zu finden, die oft einzigartige und kunstvolle Elemente enthalten“.
Besondere Einzelstücke sind quasi Garanten für einen individuellen Interior-Look. Mit dem Suchbegriff „Unikat“ sucht Hanke nach „einzigartigen und handgefertigten Stücken, die nicht massenproduziert sind“.
Die Memphis Designbewegung konterte den Midcentury-Stil mit knalligen Farben und exzentrischen Mustern: „Dieser Begriff hilft mir, bunte, postmoderne Möbel und Accessoires aus den 1980er-Jahren zu finden“.
Verena Holthaus: Creative Consultant und Gründerin von Salon c/o
Verena Holthaus hat das Stöbern nach Antiquitäten zum Beruf gemacht und mit der Gründung des Concept Stores Salon c/o vor knapp zwei Jahren einen Raum für Tischkultur und Kunstobjekte aus vergangenen Zeiten geschaffen. Auch ihre eigenen Vier Wände hat sie vorwiegend mit liebevoll kuratierten Vintage-Objekten eingerichtet. Das Gespür für individuelle Besonderheiten steht für sie an oberster Stelle: „Es geht nicht immer um Marken, sondern um die Formschönheit eines Objekts, das einem ganz persönlich gefallen muss – unabhängig vom Trend, Preis und der Marke. Aus meiner Sicht ist die Auswahl nur dann etwas Besonderes, Persönliches und vor allem Zeitloses“. Für ihre Arbeit gehören Besuche auf Antikmärkten wie auf Online-Marktplätzen zum Tagesgeschäft. Dabei sucht sie nach einigen Suchbegriffen immer wieder:
Teller und Schüsseln mit floralen Verzierungen oder geschwungenen Rändern sind Beispiele für den verspielten Jugendstil, der sich durch dynamische Linien und Naturreferenzen auszeichnet.
Formreduzierte Silberbesteck und -Geschirr beweisen: Der Bauhaus-Stil macht sich auch gut zu Tisch.
Auch die Bezeichnung der ikonischen 1920er-Jahre-Ästhetik eignet sich für die Suche nach spannenden Objekten für den Tisch und darüber hinaus.
„Derzeit suche ich auf der Auktionsplattform Cata Wiki nach ‚Max le Verrier‘ – wunderbare Skulpturen aus der Jugendstil- und Art déco-Zeit, auf die ich selbst auch nur über das ewige Scrollen aufmerksam geworden bin“.
Fabian Freytag: Interiordesigner
Für seine kreative Arbeit zieht Fabian Freytag häufig Inspiration aus vergangenen Epochen, was seine Raumgestaltung nicht selten wie ein Blickfenster in ein anderes Zeitalter wirken lässt. Der AD100-Designer spielt regelmäßig mit verschiedenen ästhetischen Strömungen und nutzt Vintage-Objekte für geschickte Stilmixe. Um die Suche nach gebrauchten Möbelstücken und Accessoires zu erleichtern, empfiehlt er, klare Ziele festzulegen – so beispielsweise von Anfang an das gewünschte Material oder den gesuchten Designer klar zu definieren. Ist der Name des Designers unbekannt, greift er auf die Google-Bildersuche zurück. In Sachen Suchbegriffe setzt er auf eine gezielte Benennung von Epochen, Herstellerkenntnis und die Freude an Kuriositäten:
„Wenn man nach Jahreszahlen sucht sind die Ergebnisse oft gemischt, da viele Anzeigen mehrere Zeiträume angeben“ – daher stützt sich Freytag häufiger auf Epochenbezeichnungen, wie zum Beispiel „Empire“, die Stilsprache des frühen 19. Jahrhunderts, die sich unter anderem durch massive, geradlinige Holzmöbel mit Referenzen an die Antike auszeichnet.
Auf der Suche nach besonderen Vintage-Stücken lässt sich Freytag häufig vom opulenten Luxus des goldenen Hollywood-Zeitalters inspirieren.
Für ausgefallene Stilakzente greift Freytag auf verspielte und experimentelle Suchbegriffe zurück: „Besondere Freude machen mir ungewöhnliche Fundstücke, wie solche aus dem ‚Zirkus‘ oder ‚Jahrmarkt‘“.
Trotz ihrer großen Beliebtheit rät Fabian Freytag bei der Suche nach ‚ Space Age‘ zu Vorsicht. Unter dem beliebten Begriff seien teilweise auch Designstücke gelistet, die mit der Epoche selbst wenig zutun haben. Daher rät er, sich gezielt über wichtige Designer bestimmter Stile zu informieren – im Falle von Space Age nennt er beispielhaft Willy Rizzo, Pozzi, Mazzega oder Sciolari.
Kleinanzeigen und Co.: Auf der Online-Suche nach Designklassikern
Sind Online-Plattformen wie Kleinanzeigen nun tatsächlich geeignet, um echte Designklassiker zu ergattern? Definitiv, bestätigen allen vier Expert:innen. Jedoch gehört durchaus Aufwand und ein wenig Geduld dazu. Führt ein Suchbegriff nicht zum gewünschten Objekt, lohnt es sich gelegentlich den Blick weiten: „Es hilft, Objekte erst einmal grob zu beschreiben, da viele Verkäufer:innen nicht wissen, was genau sie verkaufen und somit keine Angaben zur Stilistik, Material oder Nutzen machen. Für die Suche einer Art déco-Kommode könnte man zum Beispiel ‚Kommode, dunkel, massiv, rund‘ eingeben”, rät Verena Holthaus. Ähnlich berichtet auch Dustin Hanke: „Einige Verkäufer:innen wissen nicht, dass sie ein spezielles Designstück verkaufen, daher sind allgemeine Begriffe manchmal effektiver. So findest du zum Beispiel einen echten ‚ ‘Wassily Chair‘ von Marcel Breuer, der eventuell nur als ‚alter Lederstuhl‘ gelistet ist“. Er empfiehlt außerdem: „Wenn man eine:n Verkäufer:in mit interessanten Stücken findet, lohnt es sich, ins Gespräch zu kommen. Oftmals haben diese Leute noch weitere Artikel, die sie noch nicht gelistet haben, oder können Bescheid geben, wenn neue Sachen reinkommen. So habe ich bereits einige tolle Kontakte geknüpft, die mir in der Zukunft geholfen haben, besondere Stücke zu ergattern“.
Buy less, choose well!
Schließlich ist bei der Vintage-Suche nicht nur das was und wie relevant, sondern auch das warum. Denn obwohl gebrauchte Möbel und Accessoires sicherlich im Vergleich zu Neukäufen die nachhaltigeren Varianten darstellen, sollte eine Kaufentscheidung nie leichtfertig getroffen werden. So schlussfolgert auch Danielle Grosch-Ruppersberg: „Hinterfrage kurz, warum du etwas kaufen möchtest. Hast du dich wirklich in das Objekt verliebt oder sieht man es nur aktuell oft auf Social Media? Geh nicht mit dem Trend, mach dir deinen eigenen. ‚Buy less, choose well, make it last‘ sollte immer im Hinterkopf sein. Danke Vivienne Westood, es ist jedesmal mein Mantra!“









