Immobilien-Coup für Kenner:innen: Mit der Villa Poiret steht eine Ikone der modernen Architektur zum Verkauf.
Nur 40 Kilometer von Paris entfernt findet sich eines der Hauptwerke von Robert Mallet-Stevens: die legendäre Villa Poiret, eins von nur drei Villen-Projekten des Architekten, wird von der Agentur Patrice Besse zum Verkauf angeboten. Zu dem Anwesen gehört neben dem 800 Quadratmeter großen Haupthaus noch ein Pförtnerhaus und ein mehr als fünf Hektar großer Park. Die Zufahrt zum Grundstück erfolgt über eine kurvenreiche Straße, die sich einen Hügel hinauf schlängelt. Hat man das Eingangstor und das Pförtnerhaus passiert, folgt man einer von niedrigen weißen Mauern gesäumten Allee bergan, die direkt in den Hof des Hauses führt, das wie ein ganzer Gebäudekomplex anmutet.
Die Traumvilla des Modeschöpfers Paul Poiret
Die Villa Poiret, auch bekannt als Château de Mézy, wurde Anfang der 1920er-Jahre von dem berühmten Modeschöpfer Paul Poiret, der zur Avantgarde der Mode und des Kunstgewerbes zählte, bei Robert Mallet-Stevens in Auftrag gegeben. Dieser war damals der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannt. Seine architektonischen Überlegungen wurzelten in seinen Recherchen als Bühnenbildner für die Filme des Regisseurs Marcel L’Herbier, die seine Herangehensweise prägten und den Grundstein für seine spätere Architektursprache legten.
Ein seltenes Meisterwerk von Robert Mallet-Stevens
Fünf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte der 37-jährige Robert Mallet-Stevens noch keines seiner großen Projekte abgeschlossen. Die Villa Noailles in Hyères an der Côte d’Azur, die von den Mäzenen Charles und Marie-Laure de Noailles in Auftrag gegeben worden war und heute Schauplatz der viel beachteten jährlichen „Design Parade“ ist, wurde erst 1925 fertiggestellt. Die Villa Cavrois, die für den Industriellen Paul Cavrois im nordfranzösischen Croix entstand, wurde 1932 eingeweiht. Die Villa Poiret ist die dritte bedeutende Residenz, die Robert Mallet-Stevens in Frankreich baute. Alle drei Anwesen stehen heute unter Denkmalschutz. Die Villa Poiret ist jedoch die einzige von ihnen, die sich noch in Privatbesitz befindet.
Perspektiven, Kubismus und Lichtspiele
Robert Mallet-Stevens schlug Paul Poiret ein Haus inmitten der Natur vor, etwas abseits eines Dorfs und mit Blick auf das Tal der Seine gelegen. Das Gebäude, das in strahlendem Weiß gehalten war, weist eine architektonische Komposition auf, die vom strengen Spiel horizontaler und vertikaler Linien geprägt ist. Kraftvolle Perspektiven locken das Licht ins Innere und spielen mit Durchblicken. Der vom Kubismus beeinflusste Robert Mallet-Stevens kombinierte geometrische Volumina wie Würfel und Zylinder mit weiten Innenräumen, Terrassen und großflächigen Fensterfronten – alles geformt aus modernen Materialien wie Stahlbeton, Glas und Metall.
Hausbau mit Hindernissen
Die Bauarbeiten begannen 1922, doch aufgrund fehlender Mittel wurden die Arbeiten bereits 1923 abgebrochen, als erst der Rohbau fertiggestellt war. Nach dem Konkurs von Paul Poirets Modehaus im Jahr 1926 stand die unfertige Villa jahrelang leer. Erst 1934 wurde das Anwesen von der aus Bukarest stammenden Schauspielerin Elvira Popesco gekauft, die erneut Robert Mallet-Stevens beauftragte, den Bau zu vollenden und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Der Architekt konnte diesen Auftrag jedoch auch dieses Mal nicht zu Ende führen, da er mit seiner Frau 1939 bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in den Südwesten Frankreichs fliehen musste.
Ein Haus wie ein Ozeandampfer
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es schließlich der Architekt Paul Boyer, dem die Aufgabe zufiel, die Arbeiten abzuschließen. Er nahm einige Änderungen am Haus vor, die ihm ein bootsähnliches Aussehen verliehen – damit spielte er auf die transatlantischen Passagierdampfer an, die damals en vogue waren. Der Großteil des ursprünglichen Entwurfs von Robert Mallet-Stevens wurde jedoch beibehalten. Elvira Popesco bewohnte die 800 Quadratmeter große Villa bis 1985.
Heutzutage ist das Gebäude eine echte Ikone der Moderne. Nachdem das Anwesen 15 Jahre lang vernachlässigt worden war, wurde es 1999 von einem Industriellen gekauft, der zeitgenössische Kunst sammelte. 2006 wurde es nochmals weiterverkauft, und der neue Besitzer ließ eine originalgetreue Restaurierung nach den ursprünglichen Plänen für Elvira Popesco durchführen.
Die außergewöhnliche Villa wird von der Agentur Patrice Besse für 4 Millionen Euro zum Verkauf angeboten.
Zuerst erschienen bei AD France.





