Nach einer aufwendigen Renovierung wurde diese Villa in München zu einem lichtdurchfluteten Zuhause für Kunst und Design

Als Student war der heutige Besitzer oft an diesem Haus entlangspaziert. Etliche Berufswechsel später konnte er das Anwesen eines Künstlers in München erwerben. Wie ein Umbau zum Bildungsroman wurde
Nach einer aufwendigen Renovierung wurde diese Villa in München zu einem lichtdurchfluteten Zuhause für Kunst und Design

Dieses Münchner Haus war einst ein Bildhaueratelier und heute ist das kreative Zuhause eine sich auf vier Stockwerke erstreckende Kunst- und Design-Wunderkammer.

Am Ende eines langen Abends leuchtet ­bernsteinfarbenes Licht hinaus in die Nacht. Es dringt aus den Fenstern eines wahrhaft großen Hauses. In zwei Tagen ist Vollmond – und hinter uns liegt eine Tour d’Horizon ­epischen Ausmaßes. Wir wurden geführt durch eine Welt der Wunder. Was Architektur doch alles vermag: Sie kann für Menschen, die viel erlebt haben, das persönliche Shangri-La sein. Sie kann Sehn­süchte wecken, um sie schon im nächsten Augenblick zu erfüllen. Archi­tektur kann denen, die ihr begegnen, tiefe Zufrieden­heit schenken.

Hohe Bäume verbergen das Haus. Als eine Bauplane hinzukam blühten die Gerüchte „Mal war ich ein russischer Oligarch der...

Hohe Bäume verbergen das Haus. Als eine Bauplane hinzukam, blühten die Gerüchte: „Mal war ich ein russischer Oligarch, der sich einen Marmorpalast baut, mal ein Schönheitschirurg aus Mailand“, amüsiert sich der Eigentümer, der eigentlich vom Chiemsee stammt.

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Das Haus, das nie vergessen wurde

Aber das tut sie nicht von allein. Sie braucht Menschen, die alles für sie geben, besonders Zeit und

Aufmerksamkeit. Und die dafür ein Talent besitzen, das weit über dem Durch­schnitt liegt. Der Eigentümer kannte dieses Haus schon aus seinen Stu­dien­tagen, er wohnte damals in der Nähe und kam beim Spazierengehen regelmäßig hier ­vorbei. Etwas daran zog ihn an, obwohl er sich nicht ­vorstellen konnte, es jemals zu besitzen. Aber die Idee, Architekt zu werden, war ihm nicht fremd. Und als er dann, zwei Promotionen und etliche Berufswechsel ­später, durch ein paar glückliche Zufälle doch in die Lage kam, es zu erwerben, überlegte er nur kurz und kaufte es.

Der Raum sieht aus wie ein Museum mit schwarzem Ofen Stehleuchte und Beistelltisch

Das Atelier des Bildhauers Georg Busch war ein Haus im Haus, hier die ehema­lige Bibliothek, eine Art Vorraum. Den Ofen baute ein holländischer Ofensetze). ­Tecno-Lounger „P40“ von Osvaldo ­Borsani, 1955. Die Stehleuchte „Akari UF3-Q“ schuf Isamu Noguchi 1951, der Beistelltisch ist von Pierre Chareau, 1930 über therope.com

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Die Reise, die nun begann, sollte sechs Jahre dauern. „Das Haus befand sich eigentlich in einem recht guten Zustand“, sagt der Besitzer, „es war Anfang des 20. Jahr­hunderts sehr solide gebaut worden.“ Aber es gab auch Veränderungen, seit Georg Busch, ein seinerzeit erfolgreicher Bildhauer, den heute niemand mehr kennt, es als Atelierhaus nutzte. Zwischendecken waren eingezogen worden, man hatte große Zimmer in viele kleine verwandelt, Türen zugemauert, Wände eingerissen. Der an eine Kathedrale erinnernde Saal unter dem Dach – der spektakuläre Höhepunkt dieses völlig neu gedachten, alten Architekturensembles – diente den Nachfahren des Bild­hauers ganz profan dazu, die Wäsche zu trocknen.

Esszimmer mit langer Tafel und zahlreichen Stühlen. Auf einem Sockel steht eine dekorative Vase im Raum befinden sich...

Über dem Esstisch „Din36“ von Sanktjohanser hängt ein „Brick Chandelier“ des Niederländers Pepe Heykoop. Die Stühle entwarf Klemens Grund für den Bauherrn. Von Veikko Hirvimäki ist der boxende Hase, die Vase auf dem Sockel von Witalij Frese. Gemälde von Christian Muscheid

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Aus der Küche sieht man in den Garten Fischgräten Boden weiße Wände

In der Küche steht ein Moormann-Stuhl, die Küchenzeile entwarfen Andreas Küper und die Münchner Schreinerei Walter.

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Bei der Sanierung sollte sich der Hausbesitzer sowohl ästhetisch als auch handwerklich beweisen

Da es der Eigentümer gewohnt ist, Dinge anzupacken („Alles, was nicht in 24 Stunden auf den Weg gebracht ist, wird ein Problem“), fing er 2018 damit an, „das Haus ­wieder zu dem zu machen, was es einmal war. Ihm seine Schönheit zurückzugeben.“ Als Erstes ließ er die Zwi­schen­­­­decke in Georg Buschs Atelier herausreißen – „das war ein Fehler“. Ein solches Projekt könne man nicht einfach irgendwo irgendwie beginnen, das weiß er heute: „Man braucht einen Plan, sonst wird es chaotisch – und teuer.“ Am Ende hatte er 60 Tonnen Schutt abtransportiert. Dabei lernte er das Haus kennen, drehte praktisch jeden Stein um. Und hatte das Glück, mit hervorragenden Handwerkerinnen und Hand­werkern zusammenzuarbeiten, die sein Anliegen zu ihrem machten. Natürlich hatte sich in der Zwischenzeit der Denkmalschutz eingeschaltet, doch auch bei diesen Diskussionen verlor er nie den Faden. Das ästhetische Konzept entwickelte er selbst.

Eine Stahltreppe führt in das Dachzimmer hell glänzender Boden und im Hintergrund der Hingucker Lampe in knalligen Orange

Die außergewöhnlich exakt gearbeitete Stahltreppe vom zweiten Stock zum Dachzimmer wird getragen von einer komplizierten schallentkoppelten Eisenkonstruktion.

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Teeküche mit weißer Wand rotem Boden und Hängeleuchte

Selten in Gebrauch, aber stets ein Hingucker: die Teeküche mit Ingo Maurers filigraner Hängeleuchte „Willydilly“.

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Reduce to the max

Er, der sich an dem blühenden Magnolienbaum im Garten nebenan so freuen kann, als sei er selbst dieser Baum, entschied sich für ein ausgesprochen aufwändiges „Reduce to the max“-Programm. Zum Beispiel gibt es in dem Haus, das so groß ist, dass Quadratmeterangaben ihre Aussagekraft verlieren, keinen Aufzug, aber an die 300 Fensterflügel: „Ein Mann hat zwei Jahre lang nichts anderes getan, als sie abzuschleifen, damit sie neu ge­strichen werden können“, erinnert sich der Eigentümer.

Stuckdecke und Fischgräten Boden mit beeindruckenden Möbel Schätzen

In der Beletage über dem Atelier lag die Wohnung von Georg Busch, sie wurde von allen späteren Ein- und Umbautenbefreit. Ähnlich aufwändig ließ der Eigentümer auch die originalen Fenster aufarbeiten. Francesco Rotas mit Kvadrat-Stoff bezogenes Sofa „Atollo“ kehrt dem Erker den Rücken zu. Ein Vintage-Thonet und ein Bell Table flankieren eine Fotografie von Ola Kolehmainen.

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Hinter mächtigen Bauplanen verborgen, hatte Georg Buschs einstiges Atelierhaus mit der Zeit die Neugier der Nach­barschaft geweckt. Immer verrücktere Theorien machten die Runde. „Einmal war ich ein russischer Oligarch, der sich hier einen Marmorpalast baut, ein ­andermal ein Schönheitschirurg aus Mailand“, amüsiert sich der Besitzer. Wenigstens stimmte das mit dem Chirurgen – ein bisschen. Nachdem er in der Schule ­immer Schwierig­keiten hatte und mit 18 noch keine Mittlere Reife besaß, legte er los – erkannt, gefördert und ­gefordert von einem Münchner Gymnasialdirektor. Er machte ein sehr gutes Abitur, wurde Arzt und arbeitete ein paar Jahre im Ausland in der Neurochirurgie. Dann ging er in die Wirtschaft, alles in allem ein typisches Hochbegabten-Schicksal.

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