Mit dem „The Liminal“ steht ein modernistisches Meisterstück ins Kapstadt.
Viel ist über den Architekten L. Brockhoven nicht bekannt. Nicht einmal, wie er mit Vornamen hieß. „Das tut mir fast schon leid“, sagt der Eigentümer dieses waschechten Brockhoven-Hauses in Camps Bay, einem der besseren Vororte Kapstadts. „Denn hier hat er wirklich etwas Außerordentliches erschaffen.“ Wer sich umschaut, hat daran keinen Zweifel. Auf 350 Quadratmetern breitet sich der Cape-Modern-Stil in Reinform aus: klare Linien, flaches Dach – eine Architektur des lässigen Gleichgewichts, die die Linien des Horizonts zum Maßstab nimmt und mit breiten Fensterfronten das gute Leben aufs Angenehmste rahmt.
Haus mit Blick auf Berge und Meer
Cape Modern, eine eigenwillige Spielart der Nachkriegsmoderne, entstand in der Ära von den 1950er- bis in die 1970er-Jahre vor allem in den wohlhabenden Vororten Kapstadts, eindeutig beeinflusst von kalifornischer Midcentury-Architektur, aber immer in Reaktion auf Topografie und Klima des Kaps. Das erklärt auch die auf den ersten Blick obskure Raumaufteilung: Die Schlafzimmer blicken alle nach vorn, aufs Meer, was sich aber als kluger Schachzug gegen den „Cape Doctor“ entpuppt. Jenen kräftigen Südostwind, der im Sommer nicht nur den Himmel über Kapstadt blank fegt, sondern gern auch mal mit Nachdruck ans Fenster klopft. „Weil er hinten den Berg herunterstürmt, hört man vorn im Schlafzimmer fast nichts davon. Für jemanden wie mich, der nicht unbedingt den tiefsten Schlaf hat, ist das ein wahrer Segen.“
Licht, Landschaft, Proportionen
Der in der Schweiz lebende, designaffine Tech-Unternehmer fand dieses Haus gleich zweimal: zuerst 2021 – damals noch unerschwinglich – und drei Jahre später noch einmal, jetzt heruntergesetzt. Die Besitzer hatten es 1971 selbst bauen lassen. „Sie hatten großartigen Geschmack – nur war alles etwas in die Jahre gekommen.“ Die Mieter, die zwischenzeitlich eingezogen waren, legten jedoch nicht ganz so viel Stilgefühl an den Tag. „Als sie ausgezogen waren, glich das einer Offenbarung. Ohne ihre Möblierung sah ich, welchen Schatz ich erworben hatte – die guten Proportionen, das Licht, das Verhältnis zur Landschaft.“
Und er erkannte, wie wenig es eigentlich brauchte, um das Haus wieder wachzuküssen. Klar: Holztäfelungen mussten geschliffen und neu lackiert werden, Türen und Fensterrahmen aufgearbeitet, die Badewanne neu emailliert. Doch alles, was Charakter brachte, durfte bleiben. Etwa die gut erhaltenen Korkwände im Entree, die Terrakottafliesen um den Pool oder das Gästebad in „Harvest Gold“, einer unverkennbaren Siebzigerjahre-Tönung. Auch die alten Teppiche in Rot, Blau und Orange: „Sie sind zwar mittlerweile etwas ausgeblichen, doch genau das verleiht jedem Raum seinen eigenen Charakter.“ Die Stoffvorhänge, von den Mietern in riesige Müllsäcke gestopft, ließ er reinigen und neu aufarbeiten.
Schwarze Fliesen und smaragdfarbene Fronten
Das Haus hat fünf Schlafzimmer und fünf Bäder, die sich – verteilt auf zwei Ebenen – den Hang herunter staffeln. Und eine Küche mit schwarzen Fliesen, smaragdfarbenen Fronten und Arbeitsflächen aus rotem Granit. Kaum zu glauben, dass hier außer Griffen und Farben fast nichts geändert wurde. „Alle sagten, die Granitplatten müssten raus. Ich hielt dagegen: Wir müssen doch nur die richtige Farbkombination für sie finden.“ Mehr als 30 Töne testete der Hausherr, bis er zufrieden war. „Ich habe Waleed, meinen Maler, wirklich in den Wahnsinn getrieben. Zwischenzeitlich sah es hier aus wie im Zirkus, weil jeder Schrank eine andere Farbe hatte.“
Der Hausherr hatte Glück, dass der erste Besitzer beim Einkauf etwas großzügiger gewesen war und Baumaterialien im Keller gehortet hatte. „Als wir in der Küche an einer Seite die Schränke entfernten, um den Raum etwas atmen zu lassen, fanden wir genug Fliesen im Keller.“ An der Wand hängt jetzt ein Bild von Carla Erasmus, die unentwickelte alte Filmrollen kauft, skurrile Szenen sucht und sie auf Großformat zieht. Wie etwa das Wurst essende Kind, das nun in der Küche hängt. „Klingt vielleicht ein wenig verrückt, aber das Foto erinnert mich an meinen Großvater“, sagt der Hausherr. „Ist es nicht erstaunlich, wie ein unbekannter Fotograf vor Jahrzehnten etwas eingefangen hat, das heute auf so persönliche Weise bei mir nachhallt?“
Als Gründerin der Möbelmanufaktur Bofred steckt Carla Erasmus auch hinter mehreren Möbelstücken in der Wohnung, wie dem „Poolhouse Chair“ im Büro, der so nonchalant wirkt, als sei er selbst hereinspaziert. Beinahe alle Einrichtungsgegenstände stammen von lokalen Designern und Möbelmarken. Zeitgenössisches balancierte der Hausherr mit Vintage-Stücken, kuratiert mithilfe der Designerin Anette de Jager, die über beste Kontakte zu Vintage-Händlern verfügt. Auch die Kunst stammt aus Südafrika. „Ich mag Arbeiten, die sich nicht sofort erschließen“, sagt der Sammler. So hängen William Kentridges Schattenspiele neben Dan Halters lakonischer Textkunst und den roh aufgeladenen Leinwänden von Boytchie.
„Das hier soll ein Ort sein, der ganz und gar ich ist. Wo ich wirklich nach Hause komme“, sagt der Unternehmer, der vom Büro durch das Wohnzimmer direkt aufs Meer schauen kann. Und obwohl er hier vor allem seinen eigenen Traum verwirklicht hat, will er sein Haus für Gäste öffnen, die nicht einfach irgendwo übernachten wollen. Sondern so, als wohnten sie hier. Vielleicht sogar mit seiner Morgenroutine: „Ich stehe früh auf, gehe eine Runde laufen, danach springe ich ins Meer. Und dann stehst du im eiskalten Wasser, drehst dich um, schaust auf die Berge, die Sonne scheint dir ins Gesicht. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt.“








