So sanft und radikal zugleich verwandeln Garcé & Dimofski eine Stadtvilla in Porto in ein modernes Zuhause

Ornamentaler Stuck und historistische Holzvertäfelungen treffen auf moderne Kunst und eklektische Möbel: In Porto holen Garcé & Dimofski eine Villa von 1893 galant ins Hier und Jetzt
Studio HaosEsstisch und GarcDimofski und Minjae KimStühle
Inês Silva Sá

Ein kunstverliebtes Paar engagiert das Designerduo Garcé & Dimofski, um die Inneneinrichtung einer Stadtvilla in Porto in die Moderne zu übersetzen.

AD100 2025
Jedes Jahr kürt AD die wichtigsten Architekt:innen, Designer:innen und Interiordesigner:innen. Entdecken Sie hier die wichtigsten Gestalter:innen 2025.

Berufliches und Privates sollte man tunlichst trennen; es gibt kaum einen Ratge­ber, der das nicht empfiehlt. Clio Dimofski und Olivier Garcé fechten solche wohlmeinenden Tipps nicht an. Das französische Design-Paar lernte sich während des Innenarchitekturstudiums in Paris kennen, gemeinsam startete es auch seine Interior-Karriere. Das Duo, in dessen Leben sich alles um Design dreht, lebt und arbeitet zusammen; ihre Wohnung in Lissabon, die beide mit Kind und Hund teilen, ist zugleich ihr Showroom. Auch an die üblichen Branchen-Trennungen halten sie sich nicht: Garcé und Dimofski sind Interiordesigner, aber auch Galeristen, sie gestalten Räume, entwerfen eigene Möbel­kollektionen, kuratieren Ausstellungen und beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Handwerk. Nach ersten Berufsjahren in diversen Agenturen zog es die beiden nach New York, wo sie im Büro des Interior-Großmeisters Pierre Yovanovitch arbeiteten – eine wichtige Phase in ihrem Leben, in der sie viel lernten, aber doch auch deutlich spürten, dass es an der Zeit war, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.

Sie entschlossen sich, nach Portugal zu ziehen, um in Lissabon ihre eigene Agentur zu gründen. Das Klima, das entspannte Lebens­gefühl, aber auch die lokale Handwerkstradition – all dies überzeugte das Paar. Denn dessen gestalterische Heran­gehensweise liegt im Handwerk begründet: „Wir arbeiten eng mit Keramikern, Schreinern, Metall-, Eisen- und Glasverarbeitern und Polsterern zusammen. Jedes Projekt ist ein Dialog zwischen ihnen und uns. Das macht unsere Ästhetik einzigartig“, sagt Olivier Garcé. Für ihr Showroom-Apartment ließen sie unter anderem eigene Fliesen anfertigen – in AD 6/2023 stellten wir das Projekt vor. Und eben diesen Bericht las ein junges, internationales Paar, das seinen Hauptwohnsitz nach Porto verlegen wollte. Es hatte bereits ein fantastisches, 500 Qua­drat­meter großes Stadthaus mit außergewöhnlichen architektonischen Details gefunden, das aber lange leer gestanden und dem Feuchtigkeit zugesetzt hatte.

Restaurierte Straßen­fassade der Stadtvilla mit puddingfarben Ziegeln.

Die frisch restaurierte Straßen­fassade der Stadtvilla von 1893 mit puddingfarben gestrichenen Ziegeln.

Inês Silva Sá

Garcé & Dimofski renovierten aufwendig und detailverliebt

Für das kunst- und designbegeisterte Paar war klar, dass Garcé & Dimofski genau die Richtigen für die Renovierung und die Innenraumgestaltung sein würden. „Ich glaube, was ihnen gefiel, war, dass wir bei früheren Projekten in Portugal großen Wert darauf gelegt haben, den historischen Teil der Innenräume zu bewahren. Um sie dann mit unseren eklektischen Stücken zu komplettieren“, sagt Clio Dimofski. Die Villa liegt im Stadtteil Cedofeita, einem sehr lebendigen Viertel mit zahlreichen Restaurants und Geschäften in charmanten, schmalen Gassen, in denen man wunderbar flanieren kann. Das Gebäude von 1893 ist, für die Gegend typisch, mit Granit verkleidet und hat einen langen Garten auf der Rück­seite. Anders als bei den meisten Häusern der Region sind die Räume jedoch nicht schmal und länglich, sondern zeichnen sich durch hohe Decken und große Volumina aus. Sowohl das Schlaf- als auch das Wohnzimmer bilden beinahe perfekte Quadrate: „Es gibt hier ein tolles Gleichgewicht zwischen den Räumen. Wir konnten viel herumspielen und leicht die richtige Position für jedes Möbelstück finden“, sagt Garcé.

Schlafzimmer mit Kamin vertäfelter Decke und DimofskiGarcSessel

Das Schlafzimmer mit Kamin und aufwändig vertäfelter Decke; der Bouclé-Sessel „Monte“ ist ein Eigenentwurf von Dimofski und Garcé.

Inês Silva Sá, Kunst: Ana Malta und Robert Janitz
Bibliothek mit Gipsgirlanden Minjae KimStuhl Studio HaosFiberglastisch RobertJanitzGemälde.

Unter Gipsgirlanden in der Bibliothek verführen Minjae Kims „Ionic“-Stuhl, ein Fiberglastisch von Studio Haos und ein Robert-Janitz-Gemälde zum Lesen.

Inês Silva Sá, Kunst: Constanza Vallese

Bevor jedoch mit Möbeln gespielt werden konnte, musste das eindrucksvolle Stadthaus restauriert werden. Es galt, die richtigen Handwerker ausfindig zu machen, um den aufwendigen Stuckelementen, Verzie­run­gen und Holztäfelungen zu neuem Glanz zu verhelfen. In den ausgeprägten dekorativen Elementen des Gebäudes ist der künstlerische Einfluss des belgischen Bildhauers Paul Hankar unverkennbar. Hankar war ein Innovator des Jugendstils, sein Stil zeichnet sich durch üppige Details und organische Formen aus. Im Treppenhaus etwa haben sich nicht nur die originalen dekorativen Ornamente erhalten, sondern auch der weibliche bronzene Jugendstil-Akt, der den Treppenaufgang bekrönt. All diese historischen Elemente restaurierten Olivier Garcé und Clio Dimofski umsichtig und wählten die Farben für Stuck und Wände so gekonnt, dass es wirkt, als hätte es hier nie anders ausgesehen.

Beim Mobiliar treffen zeitgenössische und klassische Stücke aufeinander

Eindeutig zeitgenössisch hingegen sind die Möbel und Kunstwerke, die das Duo in enger Absprache mit den kunstinteressierten Eigentümern für das Interior auswählte: „Wir bringen radikales Design mit einem sehr klassischen Interieur in Einklang“, so die Designer. Als Beispiel für Radikalität nennen sie den Aluminiumsessel von Studio Haos: „Er hat eine kühne, prägnante Ästhetik, gleichzeitig wirkt er weich und soft, weil er das Licht auf eine ganz besondere Weise reflektiert“, erläutert Garcé. Besagter Sessel steht im Büro, das sich im zweiten Stock befindet, ebenso wie eine Bibliothek und das Haupt­schlafzimmer mit luxuriösen Bädern.

GarcDimofskiSchreibtisch Studio HaosSessel italienischer VintageStuhl und Minjae KimStehleuchte

Der Schreibtisch „Cedofeita“ im Arbeitszimmer ist ein Eigenentwurf, davor ein Sessel von Studio Haos, dahinter ein italienischer Vintage-Stuhl. Die Stehleuchte ist von Minjae Kim.

Inês Silva Sá
Bad mit GranitFensterbögen Stuckleisten und minimalistischer Wanne

Im Bad befinden sich originale Fensterbögen aus Granit und Stuckleisten, die minimalistische Wanne steht im Kontrast zum historischen Dekor.

Inês Silva Sá

Die Wohn­räume, einschließlich des Empfangsbereichs und des Wohn- und Esszimmers, befinden sich im ersten Stock.

Studio HaosEsstisch und GarcDimofski und Minjae KimStühle

Das großzügig geschnittene Esszimmer mit einem Tisch von Studio Haos und „Fred“-Stühlen von Garcé & Dimofski. Den Türbogen säumen „Chair I“ und „Chair II“ von Minjae Kim.

Inês Silva Sá

Das Zuhause spiegelt die Geschichte der Villa wider

Garcé & Dimofski ließen ein Zuhause entstehen, das ebenso zeitlos wie zeitgenössisch ist, das der Vision ihrer Kunden entspricht und gleichzeitig der historischen Bedeutung der Architektur gerecht wird. Und das mit dem großzügigen Erdgeschoss den perfekten Rahmen bietet, um Gäste zu empfangen – denn gut gestaltete Räume wie diese sollte man unbedingt teilen!

Küche mit maßgefertigtem Tisch und keramischem Spritzschutz

In Zusammenarbeit mit portugiesischen Handwerkern entstanden der maßgefertigte Tisch und der keramische Spritzschutz in der Küche.

Inês Silva Sá, Kunst Matthieu Cossé