Das Ende des Displays: Hat das Smart Home ausgedient?

Schalter und Griffe statt digitaler Displays? Unsere Stilkolumne übt sich in der Kunst der Entkopplung und fragt, wer noch Freude am Smart Home hat
Ein Bücherregal in burgunder Wohnung Stefanie Giesinger
Volker Conradus

Smart Home, digitale Displays und analoge Schalter.

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Smart Home als Zukunft des Wohnraums galt? Es ist noch gar nicht lang her, als Hersteller ständig damit warben, alles miteinander vernetzen zu wollen: Beleuchtungssysteme und Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräte und das Thermostat. Alles sollte fortan übers Handy oder eine App steuerbar sein, um energieeffizienter Lichter ein- und ausschalten, die Musik anmachen oder den Staubsaugerroboter auf seinen einsamen Tanz übers Parkett zu schicken, während man selbst gerade ein Heißgetränk im Café schlürfte.

Ist das Smart Home als Innovationskraft auserzählt?

Ich persönlich konnte mich dafür nie so richtig begeistern. Auch derzeit habe ich recht wenig Interesse an Vernetzung, ich arbeite eher an der Entkopplung. Meine These lautet, dass die Idee vom Smart Home als Innovationskraft auserzählt ist. Niemand möchte sein Zuhause ernsthaft übers Handy steuern. Wir sind displaymüde geworden, weil unsere Körper ohnehin ständig vornübergebeugt an Bildschirmen unterschiedlicher Größe kleben. Früher oder später werden wir jedwede Smart-App vergessen haben, das Licht wie gewohnt mit dem Schalter einschalten, die Heizung manuell aufdrehen und Alexa und Siri in Rente zu schicken, um dann in Ruhe eine Platte aufzulegen. Angeblich erleben CDs und DVDs bereits ein Comeback, zumindest wenn man den sozialen Medien glaubt.

Nun könnte man meinen, ich sei technikfeindlich. Leider ist es das Gegenteil: Ich bin ihr verfallen, hänge süchtig an meinem rechteckigen Begleiter, der auch jetzt griffbereit neben mir liegt. Immerhin habe ich das Smartphone aus dem Schlafzimmer verbannt und durch einen analogen Braun-Wecker ersetzt. Damit habe ich nicht nur ein Display weniger, sondern auch eine zweite Plage besiegt: das ewige Piepsen. In meinem Zuhause piepst es nämlich ständig. Bisweilen glaube ich, dass die Waschmaschine einen erbitterten Kampf mit der Spülmaschine führt, als wollten sie mir so diktieren, wer von ihnen zuerst ausgeräumt wird. Die Waschmaschine lag im Rennen vorn, bis ihr der Ton abgestellt wurde. Herauszufinden, wie das geht, hat übrigens ungefähr so lange gedauert wie ein regulärer Waschgang.

Lichtschalter aus gebürstetem Metall hier im Zuhause von Tim Labenda.

Lichtschalter aus gebürstetem Metall, hier im Zuhause von Tim Labenda.

Robert Rieger

Smart Home und Schalter

Einmal war ich zum Interviewtermin bei einem deutschen Leuchtenhersteller. Man wollte mir zeigen, was die neue Leuchte alles konnte, und sie konnte viel; die Intensität und Lichtfarbe ändern und höhenverstellbar war sie auch. Nur bekam ich sie partout nicht an. Ich wedelte mit der Hand unter dem Sensor herum, doch blieb erfolglos. Am Ende fragte ich, ob man die Leuchte denn auch einfach mit einem Schalter bedienen könnte, und bekam ein müdes Lächeln zurück. Natürlich könnte man das, was für eine Frage.

Vielleicht ist es Ihnen schon einmal aufgefallen, dass man in vielen Homestories kaum Kabel, Steckdosen oder Lichtschalter sieht. Lange war es üblich, diese zu retuschieren. Ich habe das nie ganz verstanden, sind sie doch eine gestalterische Komponente, die zur Leuchte und auch zum Raum gehören. Sie können einen Raum auch prächtig verändern: Einer der unterschätztesten Eingriffe ins eigene Zuhause ist der Einsatz von schönen Lichtschaltern und Steckdosen, etwa aus poliertem Nickel von Corston, in satten Farben von Jung, kreisrund von Berker, hölzern von Kjaer und Loege oder als Porzellanschalter von Katy Pary. Diese Lichtschalter sind nicht unbedingt günstig, allerdings ist das die Technik, die sich als smart empfindet, auch nicht. Haptik ist eine Komponente, die im Interieur schon immer eine Rolle gespielt hat, bei Schaltern und Knöpfen aber (insbesondere in Mietwohnungen, wo Vermieter:innen gern die günstigste Variante auswählen) vernachlässigt wird. Auch Schalter haben einen eigenen Klang: ein dumpfes, leises, vertrautes Klicken. Licht an, Licht aus. Für mich ist das smart genug.

Holzschalter von Kjaer  Loege.

Holzschalter von Kjaer + Loege.

Studio BesauMarguerre entwarf Lichtschalter und Steckdosen für Berker.

Studio Besau-Marguerre entwarf Lichtschalter und Steckdosen für Berker.