Die Blumenkünstlerin Carolin Ruggaber im AD-Interview über ihre Inspiration und den Unterschied zwischen Installationen auf Instagram und im öffentlichen Raum.
Erst kürzlich türmte Carolin Ruggaber für Hermès Hunderte von Äpfeln aufeinander, für Polspotten baute sie vor einiger Zeit meterlange Schlangen aus prächtig-blühenden Hortensienköpfen, und für Tylkos neuen Farbton „Moss Green“ brachte sie neulich Moos und Mohnblumen aus Regalen zum Sprießen. Mit ihrem gleichnamigen Berliner Studio zählt die Floristin seit vielen Jahren zu den bekannten Größen im Blumendesign und reist für namhafte Kunden als Blumenkünstlerin um die Welt.
Die Blumenkünstlerin Carolin Ruggaber im AD-Interview
AD sprach mit Carolin Ruggaber, was sie bei ihrer Arbeit inspiriert, über die besondere Kollaboration mit Tylko, und wie sie eigentlich privat ihr Bücherregal dekoriert.
AD: Liebe Carolin, wolltest du eigentlich schon immer Floristin werden?
Carolin Ruggaber: Ich bin im Schwarzwald aufgewachsen, umgeben von Natur und einem großen Garten – das hat mich schon früh geprägt. Wenn man mich damals gefragt hat, was ich später einmal werden möchte, war meine Antwort schon damals: Floristin. Irgendwie war das schon immer klar für mich und ich hatte großes Glück, dass meine Eltern alle Ihre Kinder ermutigt haben, einen Beruf zu finden, der sie wirklich erfüllt.
Du hast unter anderem in Australien gelernt. Inwiefern unterscheidet sich die Blumenkultur dort zu jener in Deutschland?
CR: Australien war für mich eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Die Blumenkultur dort ist deutlich unkonventioneller und experimenteller, als hier in Deutschland. Man spürt eine gewisse Leichtigkeit, während hierzulande die Arbeit mit Blumen oft traditioneller geprägt ist. Die Zeit hat meinen Stil also definitiv beeinflusst und mir gezeigt, wie schön es ist, auch mal die gewohnten Wege zu verlassen.
Deinen Blumenkreationen gleichen einem architektonischen Abbild der Natur. Woher nimmst du deine Inspiration?
CR: Mich reizt der Kontrast zwischen Natur und Architektur, zwischen organisch und strukturiert, ruhig und laut. Im Grunde genommen versuche ich stets einen Dialog zwischen Strukturen, der kontrollierten Ordnung der Stadt und der freien Entfaltung der Natur herzustellen. Ein Spiel zwischen zwei Welten, die oft gar nicht so weit voneinander entfernt sind.
Womit beginnt ein Arrangement bei dir? Mit der Farbe, der Form oder dem Material?
CR: Ich beginne meine Arbeiten immer mit dem kompositorischen Ganzen, also der Frage nach dem Gesamtbild. Ich versuche, jedes Detail als Teil eines größeren Zusammenhangs zu betrachten, sodass kein Element isoliert existiert. Die erste Frage, die ich mir stelle, lautet demnach immer: Was soll dieses Design ausdrücken? Welche Stimmung möchte ich erzeugen, welche Atmosphäre will ich schaffen? Welche Rolle spielt der architektonische Kontext? Ich beginne stets beim Großen, und von dort fügt sich alles wie von alleine ins Kleinere – zur Form, zur Farbe und zum Material.
Regionale Blumen entfalten von alleine eine überraschende Schönheit
Gibt es ein Material, mit dem du am liebsten arbeitest? Und andersherum: etwas, das du prinzipiell meidest?
CR: Ich lasse mich oft von dem inspirieren, was gerade um mich herum wächst. Am liebsten arbeite ich dabei mit saisonalen Blumen und Pflanzen aus der Region. Viele davon wirken auf den ersten Blick ganz schlicht oder unscheinbar, aber wenn man sie in einen anderen Zusammenhang stellt, zeigen sie plötzlich ihre ganz eigene Schönheit – oft auf eine stille, unerwartete Weise. Mit Materialien, die zu künstlich oder zu perfekt wirken, kann ich wenig anfangen.
Wenn du Dinge dann arrangierst, ist der Platz jedes einzelnen Objekts zuvor akkurat geplant, oder platzierst sie vielmehr im Flow?
CR: Die schönste Art ist es natürlich, in eine Art Flow zu kommen, also in gewisser Weise wie in einen kreativen Trance-Zustand, der einen alles um sich herum vergessen lässt. Auf der anderen Seite sind unsere Projekte mittlerweile deutlich größer geworden – und hierfür ist eine gute Planung unerlässlich. Wir visualisieren vieles vorab digital, messen Verhältnisse ab und beziehen auch statische Gegebenheiten mit ein. Dennoch muss immer Raum für Improvisation und Anpassung vor Ort bleiben – insbesondere, da wir mit frischen, „lebendigen“ Materialien arbeiten und sich viele Dinge nicht genau kalkulieren lassen. Und genau da, wo schlussendlich der Raum für Improvisation überbleibt, entstehen oftmals die schönsten Werke.
Siehst du deine Arbeit eigentlich rein ästhetisch, oder verfolgst du stets eine tiefere Absicht?
CR: Ästhetik ist für mich niemals nur oberflächlich. Besonders bei der Arbeit mit Blumen sehe ich sie als einen Ausdruck der Verbindung zwischen Mensch und Natur. Generell finde ich die Beziehung zwischen Mensch und Natur unglaublich spannend. Es ist Paradox: Einerseits sind wir vollständig von der Natur abhängig, andererseits tragen wir zu ihrer Bedrohung bei. In meiner Arbeit versuche ich immer wieder, dieses empfindliche Gleichgewicht darzustellen.
Über das natürliche Vergehen von Blumen
Gibt es ein Projekt, an das du nach wie vor gerne zurückdenkst? Oder bei dem du am meisten gelernt hast?
CR: In 2023 haben wir in Atlanta zusammen mit UTA und Célia Rakotondrainy eine Installation mit dem Titel „Never the same again“ erschaffen. Diese Installation verwandelte sich täglich, bis sie schließlich verwelkte. Besucher, die die Galerie nach einigen Tagen erneut besuchten, erlebten die Installation somit auf eine völlig andere Weise, da die Blumen sich ständig veränderten. Der gesamte Prozess spiegelte den Zyklus des Lebens wider, was ungemein faszinierend und spannend war. Insbesondere, weil sie selbst im Moment des verwelken noch eine starke ästhetische Wirkung hatte. Generell empfinde ich es als sehr bereichernd, im öffentlichen Raum zu arbeiten. Wenn Menschen unsere Arbeiten im echten Leben erleben und nicht nur über Fotos, ist es beeindruckend zu sehen, wie sie damit interagieren und welchen emotionalen Einfluss die Blumen auf sie haben.
Für die Zusammenarbeit mit Tylko beispielsweise hast du dich für eine Kombination aus weichen Moos, Gräsern und Mohnblumen entschieden.
Hier lag mein Fokus vor allem auf dem Kontrast zwischen dem sanften Moos und den lebendigen Mohnblumen. Das sanfte Moos symbolisiert den stillen Beginn des Frühlings, während die Mohnblumen mit ihrer intensiven Farbe und flüchtigen Schönheit die nötige Energie und Lebendigkeit einbrachten. Mein Ziel war es, eine Balance zwischen Ruhe und Vitalität zu schaffen, die den Betrachter dazu einlädt, eine tiefere Verbindung zur Natur zu spüren.
Und dein eigenes Regal zu Hause?
CR: Meine Bücherregale sind eine wilde Mischung aus Büchern und meiner privaten Vasensammlung – alles in unterschiedlichen Höhen und Tiefen. Es ist ein bisschen chaotisch, eine Fusion aus Kunst und Unordnung, mit meinen liebsten Vasen von Pani Jurek und Esmez. Ein bestimmtes Buch zu finden, ist immer ein kleines Abenteuer, aber es sieht definitiv gut aus.






