Brutalismus mit Japan-Flair: So wurde ein Industrie-Loft in Sydney zum Zuhause einer Schauspielerin

Im angesagtesten Viertel Sydneys verwandelte der Innenarchitekt Oliver Du Puy eine dunkle Wohnung in einer alten Teefabrik in eine offene, helle Ruheoase mit originalen Betonbalken und Holzboden
Brutalismus mit JapanFlair So wurde ein IndustrieLoft in Sydney zum Zuhause einer Schauspielerin
Photo: Tom Ross; Styling: Joseph Gardner

Brutalismus de luxe: Wie ein postindustrielles Loft-Apartment in Sydney dank Inspiration aus Japan mit einer cleanen Materialpalette und hellen Tönen neu belebt wurde.

Im Herzen von Sydney gelegen, beherbergte dieses alte Backstein-Lagerhaus aus dem 19. Jahrhundert einst eine britische Teefabrik. „Lassen Sie mich Ihnen die Geschichte hinter diesem Gebäude erzählen“, sagt der französisch-australische Innenarchitekt Oliver Du Puy. „Im 19. Jahrhundert war dieses Viertel ein Industriegebiet, bevor der Betrieb eingestellt wurde und es sich mit seinen verlassenen Gebäuden, den besetzten Häusern und Techno-Partys in einen zwielichtigen Ort verwandelte. Ein paar Künstler:innen, viele Drogen ... Doch dann wurde es cool.“ Heute gilt Surrey Hills als eines der angesagtesten Viertel Sydneys, mit zahlreichen Restaurants, Kunstgalerien und charakteristischen Lofts in ehemaligen Industriegebäuden – wie diesem hier. Oliver Du Puy renovierte dort für eine „große australische Schauspielerin“, deren Name nicht genannt wird, ein 200 Quadratmeter großes ehemaliges Büro mit Terrasse, das als Zweitwohnsitz dienen soll.

In dem Gebäude befand sich im 19. Jahrhundert eine englische Teefabrik.

In dem Gebäude befand sich im 19. Jahrhundert eine englische Teefabrik.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner
Der große Wohnbereich ist vollständig geöffnet und wurde mit einem „Anfibio“Sofa von Alessandro Becchi  der...

Der große Wohnbereich ist vollständig geöffnet und wurde mit einem „Anfibio“-Sofa von Alessandro Becchi (über 1stdibs), der „Fantasma“-Stehleuchte von Afra & Tobia Scarpa und dem Couchtisch „Alanda“ von Paolo Piva für B&B Italia eingerichtet (im Hintergrund). Das große Gemälde stammt von Struan Teague, über Fox Jensen Gallery; das kleine Gemälde ist von Lawrence Carroll, ebenfalls über die Fox Jensen Gallery. Teppich von Cadrys.

Offene Raumstruktur und Brutalismus-Vibes

„Meine Kundin wollte einen Ort, der sich von dem unterscheidet, an dem sie in Sydney aufgewachsen ist“, erzählt der Innenarchitekt, „einen ruhigen, meditativen Raum. Und man muss sagen, dass diese Wohnung mit ihren originalen Balken und ihren achteckigen Stahlbetonsäulen besonders charmant war.“ Die ersten Umbauarbeiten bestanden darin, die zahlreichen Trennwände zu entfernen, die die Wohnung geschlossen hielten. „Wir haben versucht, alles abzureißen, was wir konnten“, erklärt Du Puy, der die Decken, Balken und Säulen abschliff, um den originalen Rohbeton freizulegen. Die Stahlfenster und der Parkettboden aus hundertjährigem Jarrah-Holz – einer sehr seltenen australischen Holzart mit rötlichen Nuancen – wurden erhalten, um dem Loft seinen alten Charme zurückzugeben.

Der Essbereich öffnet sich zu einer schönen Terrasse hin. Ein japanischer Bonsai steht auf Keramikblöcken von Lea Bigot....

Der Essbereich öffnet sich zu einer schönen Terrasse hin. Ein japanischer Bonsai steht auf Keramikblöcken von Lea Bigot. Den Esstisch „Valmarana“ von Carlo Scarpa umgeben „Pebble“-Hocker von Hans Severin Jacobsen und ein „Ert“-Stuhl von Studioutte. Sockel von James Lemon und Gefäß von Sophie Vaidie, beides von Studio Gardner.

Das Interieur ist japanisch inspiriert und zeichnet sich durch einen cleanen und zugleich eleganten und ungeschliffenen...

Das Interieur ist japanisch inspiriert und zeichnet sich durch einen cleanen und zugleich eleganten und ungeschliffenen Stil aus.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner

In dieser Metropole südlich des Äquators taucht die Sonne in der Regel alles in ein warmes Licht – so auch dieses helle Apartment. „Von morgens bis abends umgibt die kinetische Energie der Stadt das Loft und spiegelt sich in den umliegenden Straßen, Gebäuden und am Himmel wider“, beschreibt Oliver Du Puy die Atmosphäre. „In diesem Haus ist man von Sydneys ganz eigener Form von Großstadtflair eingehüllt, weit weg von den berühmten Stränden und dem Hafen.“

Die Küche mit Insel gestaltete Oliver Du Puy mit Edelstahl und Marmor. Die Keramikschüssel auf der Insel ist von Sophie...

Die Küche mit Insel gestaltete Oliver Du Puy mit Edelstahl und Marmor. Die Keramikschüssel auf der Insel ist von Sophie Vaidie, die Hocker davor sind von Vico Magistretti. Miele-Geräte, Gessi-Armaturen in gebürstetem Nickel.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner
Zahlreiche vor allem italienische VintageObjekte wie der Armlehnstuhl „4801“ von Joe Colombo  verteilen sich im...

Zahlreiche, vor allem italienische Vintage-Objekte, wie der Armlehnstuhl „4801“ von Joe Colombo , verteilen sich im Interieur. Auf der „Osaka“-Bank von Studioutte stehen eine Skulptur von Scott McNeill und eine Schale von Sophie Vaidie. Wandfarben vom australischen Farbenhersteller Peter Lewis Paints. Der Beistelltisch aus Keramik ist von Project 213A, der aus Stahl von Viabizzuno.

Japanische Einflüsse

„Unser Ziel war es, dem Raum mehr Weichheit zu geben und die Materialpalette zu reduzieren“, erklärt der Designer. Die Wahl fiel daher auf Eiche, Edelstahl und grünlich geäderten Calacatta-Marmor. Das minimalistische Ensemble lehnt sich an den Purismus japanischer Häuser an. Oliver Du Puy, der seine Karriere in Japan an der Seite von Kengo Kuma und Jun'ya Ishigami begann, konnte durch diese namhaften Kooperationen ein Gespür für die Kultur des Minimalismus und die Philosophie des Wabi-Sabi entwickeln. „Die Idee war, ein japanisches Ryokan, ein New Yorker Lagerhaus à la Donald Judd und den Palazzo Pucci von Gae Aulenti in Mailand zu mischen“, verrät er.

Die Küche ist mit glänzendem Edelstahl verkleidet. Im Hintergrund Stühle von Studioutte und Enzo Mari. Die eichenen...

Die Küche ist mit glänzendem Edelstahl verkleidet. Im Hintergrund: Stühle von Studioutte und Enzo Mari. Die eichenen Wandborde wurden von Oliver Du Puy entworfen.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner
Die Wohnung umfasst eine großzügige Terrasse. Der VintageSessel und die Pflanzschale sind von Willy Guhl.

Die Wohnung umfasst eine großzügige Terrasse. Der Vintage-Sessel und die Pflanzschale sind von Willy Guhl.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner

Clean, rau und Vintage

Für seine Kundin, die sich für Yoga und Meditation begeistert, war Ruhe unerlässlich, aber ebenso auch Geselligkeit, denn sie wollte „große Feiern mit vielen Gästen“ veranstalten können. Der Innenarchitekt entwarf daher ein Interieur, das sowohl intim und entspannend als auch offen ist und positive Energie ausstrahlt. „Wir haben uns an der japanischen Philosophie des Wabi-Sabi orientiert, die Schönheit und Unvollkommenheit in den Vordergrund stellt. Das spiegelt sich in den Möbeln, aber auch in der architektonischen Gestaltung wider, bei der auf überflüssige Elemente verzichtet wurde.“ Um diesem postindustriellen Interieur einen sanften Akzent und mehr Sinnlichkeit zu verleihen, wurden einige Wände abgerundet. Das macht den Bewegungsfluss ruhiger und fließender. Außerdem finden sich in der gesamten Einrichtung italienische Vintage-Designobjekte, die die Räume beleben.

Das Schlafzimmer setzt auf jede Menge HellDunkelKontraste. Beistelltisch „Brud Studia“ von Studio Gardner Bettwäsche von...

Das Schlafzimmer setzt auf jede Menge Hell-Dunkel-Kontraste. Beistelltisch „Brud Studia“ von Studio Gardner, Bettwäsche von In Bed Store. Die „Roy“-Tischleuchte ist von Viabizzuno und der Stuhl von Ilmari Tapiovaara. Gemälde von Gideon Rubin, über Fox Jensen Gallery. Die dunklen Schreinerarbeiten aus Eiche wurden nach dem Entwurf von Oliver Du Puy gefertigt.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner

Elegante Kontraste

Kontraste waren bei der Umgestaltung der Wohnung ebenfalls von großer Bedeutung. Insbesondere der Schlafbereich zeichnet sich durch einen Mix aus Hell und Dunkel aus. „Der Eingangsbereich ist sehr dunkel, wie in einem Hotel; betritt man jedoch das Interieur, wirkt es sehr hell, mit einem interessanten Wechselspiel aus Licht und Dunkelheit.“ Der Eingang zum Badezimmer, der hinter einer versteckten Schiebetür verborgen ist, sowie die dunklen Holzarbeiten bringen die Helligkeit der anderen Räume besonders zur Geltung. Für noch mehr Kontrast sorgt der Dialog zwischen den sehr unterschiedlichen Materialien. „Es wurden viele luxuriöse Materialien wie Calacatta-Verde-Marmor und Travertin verwendet, aber auch einige preiswertere, fast schon industrielle Materialien, etwa gebürsteter Stahl für die Armaturen, Beton Ciré für die Wände oder Edelstahl in der Küche“, betont Du Puy. „Diese Mischung ist ziemlich eklektisch und daher in gewisser Weise überraschend.“

Für das Badezimmer wählte der Innenarchitekt hellen Marmor und Beton Cir. Die Armaturen stammen von Brodware Waschtisch...

Für das Badezimmer wählte der Innenarchitekt hellen Marmor und Beton Ciré. Die Armaturen stammen von Brodware, Waschtisch von Oliver Du Puy. Antike chinesische Vase aus der Han-Dynastie. Die Bodenfliesen bestehen aus Savannah-Marmor. Stuhl „Tangi“ von Studioutte. Wandleuchte von Mario Nanni (Viabizzuno).

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner
Nicht nur im Wohn auch im Schlafbereich entschied sich Du Puy für eine schlichte und reduzierte Materialpalette die ein...

Nicht nur im Wohn-, auch im Schlafbereich entschied sich Du Puy für eine schlichte und reduzierte Materialpalette, die ein ruhiges Ambiente schafft.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner

„Das Gebäude bleibt erkennbar, es soll aber auch die jeweilige Persönlichkeit zum Vorschein bringen“, fasst Oliver Du Puy geheimnisvoll zusammen. „Wenn die Kundin Schauspielerin ist, schlüpft sie immer in die Rolle einer anderen Person. Dieser Raum soll es daher ermöglichen, ganz sie selbst sein zu können, ohne eine Rolle spielen zu müssen.“ Eine Philosophie, über die es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – zu meditieren lohnt.

Der Innenarchitekt Oliver Du Puy.

Der Innenarchitekt Oliver Du Puy.

Photo : Tom Ross — Stylisme : Joseph Gardner
Warmes Tageslicht durchflutet den offenen Wohnraum.

Warmes Tageslicht durchflutet den offenen Wohnraum.

Zuerst erschienen bei AD France.