Keine kleine Renovierung: So baute Studio Akademos das B&B „Au Petit Rennemoulin“ um.
Wenn es so etwas wie die französischen Hamptons gäbe, sie lägen vermutlich in Saint-Jacut-de-la-Mer. Oder zumindest irgendwo in der Nähe. Die Gegend um das kleine Fischerdorf in der Bretagne ist mondän, ohne manieriert zu sein; vor granitenen Häusern blühen blaue Hortensien, und die salzige Luft steht im Ruf, selbst ausgeprägte Pariser Profilneurosen zu lindern. Am Ende des kleinen Ortes, kurz vor dem Strand, hat sich die Französin Solange Raymond eine Doppelhaushälfte gekauft. Sie war in Paris groß geworden – und der Stadt irgendwann gründlich überdrüssig. „Mir wurde alles zu dicht, zu laut, zu viel.“
Solange Raymond hatte genug von der rastlosen Betriebsamkeit. Und langsam auch vom Architekten, der das Haus, das sie sich in Saint-Jacut-de-la-Mer gekauft hatte, eigentlich umbauen sollte. „Er war nicht wirklich bei der Sache“, sagt die Französin. Dabei sollte das kleine Bed and Breakfast, das sie hier eröffnen wollte, nicht irgendein Bauprojekt sein, sondern der Beginn eines neuen Lebensentwurfs. „Und an dem wollte ich nicht mit Kompromissen bauen.“ Also zog sie ihren Sohn Aurélien zurate. Nicht gerade die schlechteste Idee, immerhin ist er Gestalter – und längst kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Branche.
Studio Akademos entscheidet sich für den radikalen Neustart
Gemeinsam mit der Italienerin Costanza Rossi führt Aurélien Raymond das Studio Akademos. „Eigentlich trenne ich strikt Privates und Berufliches“, sagt er. „Aber nachdem wir mitansehen mussten, wie sehr sich meine Mutter mit dem Architekten abmühte, sprangen wir ein.“ Aus dem Gefallen wurde ein Generalauftrag und aus einer kleinen Renovierung ein radikaler Neuanfang. „Das Haus war 1910 zuletzt renoviert worden“, sagt Aurélien Raymond. Die Substanz war marode, nur Fassade und Treppe blieben erhalten. Das „Au Petit Rennemoulin“, so wünschte es sich seine Mutter, sollte kein weiteres „charmantes Gästehaus mit maritimen Anklängen“ sein, wie man sie hier zu Hunderten findet. Ein Haus ohne Muscheln und Treibholz. Studio Akademos ließ sich deshalb vom Interieur klassischer Yachten der Vierziger- und Fünfzigerjahre leiten – mit Sockelleisten aus satiniertem Edelstahl, verchromten Oberflächen und maßgefertigten Einbauten aus hochglänzendem hellem Mahagoni.
Die Liebe zu Lack und Lichtspiel entdeckte das Duo bei Fabrizio Casiraghi, wo beide sich kennenlernten. „Für uns ist Lack ein Schlüsselmaterial. Er reflektiert nicht nur, sondern inszeniert Räume über den Tag hinweg immer neu.“ Die Designer beziehen sich in ihren Projekten häufiger auf zwei Epochen mit großem Faible für spiegelnde Oberflächen und dramatische Lichtverhältnisse: den Glamour der späten 1970er-Jahre und die Ästhetik der mondänen Zwischenkriegsbohème aus Künstlern, Erben und Exzentrikern, die zwischen Paris und New York vorwegnahm, was später Jetset hieß.
Bis auf wenige zugekaufte Stücke wie Sofa und Leuchten haben die beiden fast alle Möbel eigens entworfen. Das Holz beizten sie honigfarben: „Das gibt ihm eine moderne Note, die an die Achtziger erinnert. Dunklere Töne kippen schnell ins Art déco.“ Außerdem erinnere es an Riva-Boote. Weitere maritime Reminiszenzen finden sich bei zwei Stühlen, die sich unscheinbar in Kommoden verstecken, oder bei den vielen Schubladen, die jedes Einbaumöbel zu besitzen scheint, obwohl es eigentlich Türen sind. „Wir haben das bei einer Yacht aus den Dreißigerjahren entdeckt und fanden es herrlich absurd.“ Um diesen Einbauten Raum zu lassen, hielten sie das eigentliche Mobiliar bewusst schlicht. Im Erdgeschoss, wo Küche und Wohnzimmer ineinander übergehen, malte der Künstler Antonin Lamoot den kapriziösen bretonischen Himmel an die Decke, als säße man auf dem Deck eines Boots. „So hat man immer etwas zu schauen“, sagt Raymond, „denn die Decke ist ziemlich niedrig.“ Auf der zweiten Etage befinden sich zwei schlichte Gästezimmer, das oberste Stockwerk des Hauses gehört Solange Raymond.
Weitere Eindrücke in das Bed & Breakfast
Der kleine Wohnbereich ist einem Boudoir aus den 1920er-Jahren nachempfunden und in Moiré-Seide in Seegrün und Nachtblau gekleidet; über einem verchromten Beistelltisch aus den Achtzigern hängt eine antike chinesische Holzschnitzerei, eine Hommage an die Mailänder Residenz von Giorgio Armani. Das Bad wiederum ist mit seinen matten, kleinformatigen Fliesen und Armaturen aus glänzendem Nickel ein stiller Gruß an Andrée Putman. Und wenn man sich in der Abendsonne für einen Moment wegträumt, scheint Paris plötzlich nur eine Brise entfernt.












