Bauen mit Zukunft: Die Bundeskunsthalle Bonn zeigt, architektonische Antworten auf Starkregen, Dürre und Überschwemmungen.
Im Foyer der Bundeskunsthalle wächst ein seltsamer Baum. Seine Äste verzweigen sich wie Leiterplatinen, sie sind wohl 3D-gedruckt. Das ganz besondere Techno-Gewächs heißt „Tree.ONE“, eine Installation des EcoLogicStudio. Er ist nichts weniger als der Baum der Erkenntnis, ein synthetisches Wesen aus Mikroalgen, das CO₂ bindet und vor Augen führt, dass wir den Klimawandel endlich als große, vielleicht sogar: größte Herausforderung der Menschheit ernst nehmen müssen. Sie ist der Endgegner. Und da wir tagtäglich immer noch ganze Ökosysteme platt machen, müssen wir uns der Technologie bedienen, wollen wir noch etwas retten. Mal genuiner High-Tech, dann wieder kluger Menschenverstand wie bei „Vert“, einer begrünten Holzbalkenkonstruktion von AHEC / Diez Office / OMC°C auf dem Museumsplatz, ein transportabler Biergarten, der zugleich kühlen und die Artenvielfalt stärken soll.
Die beiden sehr gegensätzlichen Installationen zeigen denn auch das Spannungsfeld der Ausstellung „WEtransFORM. New European Bauhaus“. Sie inszeniert den Klimawandel als architektonische und gesellschaftliche Herausforderung und versammelt 80 Projekte und damit 80 Lösungen, vor allem aber macht sie deutlich, dass es Zeit ist, gegenzusteuern oder uns wenigstens anzupassen. Denn die Zahlen sind bekannt. Über 40 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen gehen auf das Konto des Bauwesens, das uns zwar Schutz verspricht, aber zugleich zu den größten Klimasündern unserer Zeit zählt.
Bollwerke gegen Naturgewalten
Die Hälfte dieser Emissionen entsteht beim Bauen selbst. Wenn wir die Pariser Klimaziele noch erreichen wollen, sollte sich das Bauen wandeln. Radikal. Da stemmen sich Häuser gegen Überflutungen – als Bollwerke gegen Naturgewalten, die immer wieder und immer heftiger über uns hinweggrollen. Da wäre etwa das „Rambla Climate House“ vom Office for Political Innovatio, das der spanischen Dürre trotzt, während im ganzen Land die Versteppung, um nicht zu sagen: Verwüstung voranschreitet.
Anna Heringers Stampflehm-Architektur und Hermann Kaufmanns Holzbauten beschwören das Ursprüngliche und indirekt auch das Erfahrungswissen unserer Vorfahren. Mit einem Mal wird Materialwahl zur Frage, wie es weitergehen soll in einer Welt des Konsums. Manche Projekte antworten mit archaischer Sprache auf die hypermoderne Krise und zeigen, dass es keine Universalantwort mehr gibt, sondern nur geschickte Anpassungen vor Ort, mit den Materialien und Traditionen der Landschaft.
Bastionen der Technologie
Manche Projekte gleichen Bastionen in einem aussichtslosen Kampf: Wir bauen gegen ein Klima an, das wir selbst heraufbeschworen haben. „Don’t fight forces, use them“, riet R. Buckminster Fuller bereits vor über einem halben Jahrhundert. Er versuchte es mit Leichtbau, heute haben wir High-Tech-Materialien und die Erkenntnis, dass es vor allem um Einstellungen geht und nicht mehr um Technologien allein. Dennoch leisten Forschungsprojekte wie „Nest Umar“ von Werner Sobek oder Experimental-Pavillons der Universität Stuttgart Außerordentliches. Sie verbinden wichtige Stränge: computerbasierte Konstruktionen, klare Materialkreisläufe und Strukturen, die mit weniger auskommen und doch mehr leisten: Weniger Stoff und mehr Kühlung. Weniger Stahl und mehr Atmosphäre.
Wie wollen wir wiederverwerten?
Besonders wichtig wird die Wiederverwertung: Da wäre etwa die von Studio Buas renovierte Scheune auf Island oder das umgenutzte ehemaligen World Trade Center in Brüssel. Sie zeigen, dass Flexibilität viele Bauten auszeichnet. Es braucht nur einen geschärften Blick auf die Ziele der Architektur, um das zu erkennen und zu nutzen. Baukunst ist schließlich mehr als Recycling-Poesie oder kreative Aneignung des Vorhandenen. Sie bleibt nicht stehen und entwirft mit Blick auf morgen das Heute. Und auch die Bauindustrie begreift langsam, dass die Wende zum klimafreundlichen Produkt Chancen eröffnet. Neue Technologien sind ein Schlüssel, aber sie lindern bestenfalls Symptome.
80 Projekte für ein Halleluja
Natürlich wird diese Ausstellung die Welt nicht retten. Sie zeigt aber auf, welche Spannung sich aufbaut zwischen fortschreitender Klimakrise und langsamer Anpassung der Bauwelt. 80 Projekte stehen gegen Millionen von Quadratmetern neu versiegelter Fläche. Daher ist es mehr als erfreulich, dass das Architekturbüro MVRDV das Ausstellungsdesign fast ausschließlich aus bereits vorhandenen Materialien in der Bundeskunsthalle stemmte. Denn die Klimakrise ist nicht irgendwo in Afrika, sie ist hier und heute. Und wir alle können etwas dagegen tun. Oder besser: Für ein besseres Zusammenleben sorgen, das ganz selbstverständlich den Planeten in den Blick nimmt.







