Bauen im Klimawandel: Die Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn zeigt architektonische Antworten

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt 80 Projekte im, zum und gegen den Klimawandel – erfahren Sie hier alles rund um die Schau
Architektur gegen den Klimawandel heißt in Spanien auch Schatten. Das Rambla ClimateHouse des Office for Political...
José Hevia

Bauen mit Zukunft: Die Bundeskunsthalle Bonn zeigt, architektonische Antworten auf Starkregen, Dürre und Überschwemmungen.

Im Foyer der Bundeskunsthalle wächst ein seltsamer Baum. Seine Äste verzweigen sich wie Leiterplatinen, sie sind wohl 3D-gedruckt. Das ganz besondere Techno-Gewächs heißt „Tree.ONE“, eine Installation des EcoLogicStudio. Er ist nichts weniger als der Baum der Erkenntnis, ein synthetisches Wesen aus Mikroalgen, das CO₂ bindet und vor Augen führt, dass wir den Klimawandel endlich als große, vielleicht sogar: größte Herausforderung der Menschheit ernst nehmen müssen. Sie ist der Endgegner. Und da wir tagtäglich immer noch ganze Ökosysteme platt machen, müssen wir uns der Technologie bedienen, wollen wir noch etwas retten. Mal genuiner High-Tech, dann wieder kluger Menschenverstand wie bei „Vert“, einer begrünten Holzbalkenkonstruktion von AHEC / Diez Office / OMC°C auf dem Museumsplatz, ein transportabler Biergarten, der zugleich kühlen und die Artenvielfalt stärken soll.

Tree.ONE eine Installation des EcoLogicStudio bindet Kohlendioxid aus der Luft.

Tree.ONE, eine Installation des EcoLogicStudio, bindet Kohlendioxid aus der Luft.

David Ertl
Vor dem Museum Die begrünte Holzbalkenkonstruktion “Verte” von AHEC  Diez Office  OMC°C soll zugleich kühlen und die...

Vor dem Museum: Die begrünte Holzbalkenkonstruktion “Verte” von AHEC / Diez Office / OMC°C soll zugleich kühlen und die Artenvielfalt stärken.

David Ertl

Die beiden sehr gegensätzlichen Installationen zeigen denn auch das Spannungsfeld der Ausstellung „WEtransFORM. New European Bauhaus“. Sie inszeniert den Klimawandel als architektonische und gesellschaftliche Herausforderung und versammelt 80 Projekte und damit 80 Lösungen, vor allem aber macht sie deutlich, dass es Zeit ist, gegenzusteuern oder uns wenigstens anzupassen. Denn die Zahlen sind bekannt. Über 40 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen gehen auf das Konto des Bauwesens, das uns zwar Schutz verspricht, aber zugleich zu den größten Klimasündern unserer Zeit zählt.

Landwirtschaft von morgen Windkraft und Roboter  eine Vision von MVRDV die auch für die Ausstellungsarchitektur aus...

Landwirtschaft von morgen: Windkraft und Roboter - eine Vision von MVRDV, die auch für die Ausstellungsarchitektur aus Recycling-Teilen sorgten: WHAT-IF: Nederland 2100.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: MVRDV

Bollwerke gegen Naturgewalten

Die Hälfte dieser Emissionen entsteht beim Bauen selbst. Wenn wir die Pariser Klimaziele noch erreichen wollen, sollte sich das Bauen wandeln. Radikal. Da stemmen sich Häuser gegen Überflutungen – als Bollwerke gegen Naturgewalten, die immer wieder und immer heftiger über uns hinweggrollen. Da wäre etwa das „Rambla Climate House“ vom Office for Political Innovatio, das der spanischen Dürre trotzt, während im ganzen Land die Versteppung, um nicht zu sagen: Verwüstung voranschreitet.

Architektur gegen den Klimawandel heißt in Spanien auch Schatten. Das Rambla ClimateHouse des Office for Political...

Architektur gegen den Klimawandel heißt in Spanien auch: Schatten. Das Rambla Climate-House des Office for Political Innovation,

José Hevia

Anna Heringers Stampflehm-Architektur und Hermann Kaufmanns Holzbauten beschwören das Ursprüngliche und indirekt auch das Erfahrungswissen unserer Vorfahren. Mit einem Mal wird Materialwahl zur Frage, wie es weitergehen soll in einer Welt des Konsums. Manche Projekte antworten mit archaischer Sprache auf die hypermoderne Krise und zeigen, dass es keine Universalantwort mehr gibt, sondern nur geschickte Anpassungen vor Ort, mit den Materialien und Traditionen der Landschaft.

Es geht immer auch anders Strohhaus von Proarh Architekten.

Es geht immer auch anders: Strohhaus von Proarh Architekten.

Damir Fabijanić

Bastionen der Technologie

Manche Projekte gleichen Bastionen in einem aussichtslosen Kampf: Wir bauen gegen ein Klima an, das wir selbst heraufbeschworen haben. „Don’t fight forces, use them“, riet R. Buckminster Fuller bereits vor über einem halben Jahrhundert. Er versuchte es mit Leichtbau, heute haben wir High-Tech-Materialien und die Erkenntnis, dass es vor allem um Einstellungen geht und nicht mehr um Technologien allein. Dennoch leisten Forschungsprojekte wie „Nest Umar“ von Werner Sobek oder Experimental-Pavillons der Universität Stuttgart Außerordentliches. Sie verbinden wichtige Stränge: computerbasierte Konstruktionen, klare Materialkreisläufe und Strukturen, die mit weniger auskommen und doch mehr leisten: Weniger Stoff und mehr Kühlung. Weniger Stahl und mehr Atmosphäre.

Das ist intelligente Kreislaufwirtschaft. Die Urban Mining and Recycling Unit  der Werner Sobek Group verwandelt sich...

Das ist intelligente Kreislaufwirtschaft. Die Urban Mining and Recycling Unit (UMAR) der Werner Sobek Group verwandelt sich mit neuen Werkstoffen immer weiter.

Zooey Braun

Wie wollen wir wiederverwerten?

Besonders wichtig wird die Wiederverwertung: Da wäre etwa die von Studio Buas renovierte Scheune auf Island oder das umgenutzte ehemaligen World Trade Center in Brüssel. Sie zeigen, dass Flexibilität viele Bauten auszeichnet. Es braucht nur einen geschärften Blick auf die Ziele der Architektur, um das zu erkennen und zu nutzen. Baukunst ist schließlich mehr als Recycling-Poesie oder kreative Aneignung des Vorhandenen. Sie bleibt nicht stehen und entwirft mit Blick auf morgen das Heute. Und auch die Bauindustrie begreift langsam, dass die Wende zum klimafreundlichen Produkt Chancen eröffnet. Neue Technologien sind ein Schlüssel, aber sie lindern bestenfalls Symptome.

Weiterbauen als Haltung. Eine von Studio Buas renovierte Scheune auf Island.

Weiterbauen als Haltung. Eine von Studio Buas renovierte Scheune auf Island.

Marino Thorlacius

80 Projekte für ein Halleluja

Natürlich wird diese Ausstellung die Welt nicht retten. Sie zeigt aber auf, welche Spannung sich aufbaut zwischen fortschreitender Klimakrise und langsamer Anpassung der Bauwelt. 80 Projekte stehen gegen Millionen von Quadratmetern neu versiegelter Fläche. Daher ist es mehr als erfreulich, dass das Architekturbüro MVRDV das Ausstellungsdesign fast ausschließlich aus bereits vorhandenen Materialien in der Bundeskunsthalle stemmte. Denn die Klimakrise ist nicht irgendwo in Afrika, sie ist hier und heute. Und wir alle können etwas dagegen tun. Oder besser: Für ein besseres Zusammenleben sorgen, das ganz selbstverständlich den Planeten in den Blick nimmt.