Wohnen in der Elbphilharmonie: Das Studio Birg Man Koen gestaltete ein exklusives Hamburger Apartment.
Hamburg hat viele klangvolle Adressen, doch für diese gilt das auch im wörtlichen Sinn: Die Elbphilharmonie birgt nicht nur Konzertsäle, es gibt dort auch ein Hotel, ein Restaurant, Cafés und Bars – und 45 Wohnungen. Allerdings hatten gerade die auf dem Weg zur Schlüsselübergabe ein- oder zweimal den Bus verpasst. „Zehn Jahre wartete die Eigentümerin, bis sie einziehen konnte“, erzählt Birgit Köhn vom Architektur- und Designstudio Birg Man Koen aus Altona. „Ich finde das bewundernswert geduldig.“ Und sie selbst hatten auch schon leichtere Aufgaben. „Der Grundriss der Apartments stammt nicht von Herzog & de Meuron, sondern von Antonio Citterio aus Mailand“, erklärt Tillmann Köhn, „aber da war zu wenig Fluss im Rundgang, auch weil zwei Wohnungen nachträglich zu einer zusammengelegt wurden.“ Und es gab, wir befinden uns immerhin in einem Hochhaus mit 25 Stockwerken, auch ziemlich dominante technische Versorgungsstränge mitten im Raum. Birgit und Tillmann Köhn schufen Verbindungen und Durchgänge, wo zuvor keine waren, und justierten die Ausrichtung der Wohnung auf das Wesentliche. Denn eines macht sie ganz besonders: das umwerfende Panorama des Hamburger Hafens.
Kilometerweit Kräne, Molen, Docks, Schiffe, die kreuz und quer fahren. Man könnte ihnen Tag und Nacht zusehen. Hafenbucht reiht sich an Hafenbucht im Bereich des Kehrwieder. Für Menschen, die nicht aus Hamburg kommen, mag der Name komisch klingen – Einheimischen lässt er das Herz hoch bis zum Hals schlagen .„Da vorn befand sich die Ausfahrt aus dem Handelshafen“, weiß Tillmann Köhn, „von dort gingen die Kaufleute auf Reisen. Und natürlich wollten alle, dass sie wohlbehalten zurückkehrten.“
Handwerklich perfekt: Das war die Herangehensweise für die Gestaltung
Die Gestaltung dieses Apartments ist auch das Resultat einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen ihnen und der Auftraggeberin, einer Hamburger Kunstsammlerin. Sie war sehr interessiert bei der Sache, nahm großen Anteil an Umbau und Einrichtung. „Aber wenn wir uns einmal auf eine Entscheidung geeinigt hatten“, sagt Birgit Köhn, „dann blieb es auch dabei. Das haben wir auch schon ganz anders erlebt.“ Und man kann sich gut vorstellen, dass weniger liberale Menschen an der einen oder anderen Stelle an den Vorschlägen von Birg Man Koen eine Menge auszusetzen gehabt hätten.
Die beiden Designer haben sich ihren guten Ruf hart erarbeitet, durch ingeniöse architektonisch-planerische Konzepte, aber auch mit extravagantem, gewagtem Design. Auf den Namen ihres Büros kamen sie, nachdem sie an ihren Eigennamen „alles weggestrichen hatten, was uns entbehrlich erschien“. So wurde aus Birgit und Tillmann Köhn eben Birg Man Koen. Und was man in dieser Wohnung zu sehen bekommt, ist schon außerordentlich avantgardistisch. Handwerklich perfekt, mit einem Sinn für das Unerwartete – vieles ist nicht, was es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Diese edlen Materialien verwendeten die Designer
Eine Überraschung, die man hier erlebt, ist der Boden: Der Belag ist aus Leder. Eine andere steht in der Küche. Die Möbel dort tragen den edelsten, dunkelsten, funkelndsten, absolut faszinierend gezeichneten Kalkstein. „Das ist eine Vorstufe zum Marmor, ein Stein wie dieser wird üblicherweise nicht in Küchen verwendet“, erklärt Tillmann Köhn. Die Fronten sind verkleidet mit – ja, womit eigentlich? Es sieht aus wie eine grau-weiß gesprenkelte Folie und ist relativ groß. „Das ist Ziegenpergament“, sagt Birgit Köhn, „die ungegerbte Haut einer Ziege, die wir mit vielen Schichten Naturlack überzogen haben.“
Oder der große Esstisch und der Tisch vor dem Sofa: Der Esstisch hat eine Platte, die aus weißem Corian sein könnte. Doch der Eindruck täuscht. Um ihren hölzernen Kern wurden unzählige Lagen von handgeschöpftem Papier gelegt und anschließend mit Firnis lackiert. Auch der Coffeetable hat nicht nur einen kunstvoll geschwungenen, in sich gedrehten Unterbau. Bei ihm liegt auf der Platte mit Lack überzogenes Straußenpergament. Oder der Schrank im Flur: Seine Türen haben Birg Man Koen mit einer vor allem in Nordafrika üblichen Enkaustik-Malerei behandelt. Die Bilder aus changierenden Grautönen, die dadurch entstanden, erinnern an den Himmel an einem diesigen Hamburger Novembertag.
Ein überraschendes Detail
Dem spektakulärsten Stück in diesem Orchester spektakulärer Stücke aber begegnet man am Eingang. Die erwähnten Versorgungsleitungen haben die Köhns hinter einer Insel versteckt, die sie mit in uralter Glasbläser-Technik hergestellten Spiegeln verkleideten. Die unregelmäßigen Oberflächen glitzern wie die Sonne auf den Wellen unten im Hafen – ein atemberaubender Effekt. Auf der anderen Seite dieser Spiegelinsel ist das, was man in normalen Küchen den Herd nennen würde. Tillmann Köhn drückt auf einen unsichtbaren Knopf – und von oben gleitet eine ebenfalls verspiegelte Blende herab. Nun ist der Herd eine Skulptur.
Unmöglich, alle bezaubernden Details aufzuzählen, die man hier bei einer Stippvisite entdeckt. Aber weil die Auftraggeberin Kunstsammlerin ist, sind da auch Arbeiten von Anselm Kiefer und Elizabeth Peyton, von Tony Cragg und Mimmo Paladino, von Eric Fischl und Robert Longo – alle mit sicherer Hand ausgewählt von einer jungen alten Dame, die mit ihren weitgespannten Interessen, ihrer Neugier und Weltoffenheit zweifellos für das gute Hamburg steht.







